Die Energiewende zum Gelingen bringen – Auf die schöpferische Kraft von Bürgern und Bastlern kommt es an

Meine Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, heute in der Herzkammer der Deutschen Tüftler und Bastler sprechen zu können.

Der Kongress steht unter der Überschrift „Chancen nutzen – Herausforderungen meistern“.
Die Energiewende ist genau dies: eine große Chance, die wir nutzen sollten. Sie ist aber auch eine große Herausforderung, die wir bewältigen müssen. Wer nur von einem redet und vom anderen schweigt, wird der Jahrhundertaufgabe Energiewende nicht gerecht.
Wir haben den Atomausstieg beschlossen, Deutschland fehlt es aber an einem Fahrplan für die Energiewende.
•Erneuerbare Energien
• Effizienz
• Energieeinsparungen
sind der Dreiklang, an dem sich eine Energiewende ausrichten muss.
Wir tun zunächst gut daran, die Energiewende nicht als reine Belastung zu etikettieren. Beim Kongress der Weltmarktführer sind viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die in ihrer Nische Herausragendes leisten. Wahrscheinlich hat man Ihnen in Ihrem Berufsleben oft gesagt, was alles nicht geht. Aber als erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer haben Sie sich durchgesetzt. Mit viel Einsatz, guten Ideen und einem langen Atem. Die Energiewende kann sich ebenfalls durchsetzen. Auch für ihr Gelingen braucht es viel Einsatz, gute Ideen und einen langen Atem.

Wir können die Energiewende schaffen, wenn wir nicht allein darauf schauen, was alles nicht geht. Ich sage nicht, dass es keine Schwierigkeiten gibt.
Ich sage aber: die Energiewende ist eine große Chance für den Industriestandort Deutschland. Sie hat das Zeug zu einem Mega-Wachstumsprogramm für die deutsche Wirtschaft – zum Wohle der Unternehmen, der Beschäftigten und des Klimas.

Seit 2007 ist der globale Markt für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz im Schnitt um knapp 12 Prozent pro Jahr gewachsen. Er ist heute rund 2 Billionen Euro groß. Bis 2025 wird er sich nochmals mehr als verdoppeln. Deutsche Unternehmen sind gut dabei: stabil rund 15 Prozent beträgt ihr Marktanteil trotz starker internationaler Konkurrenz.

GreenTech-Firmen tragen in Deutschland inzwischen mit 11 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei und beschäftigen 1,4 Millionen Menschen.
Darunter finden sich viele Tüftler und Bastler, die ihre Produkte optimieren und immer effizienter machen. Hier spielt die deutsche Wirtschaft eine ihrer besten Eigenschaften aus: die Fähigkeit, Bestehendes kontinuierlich zu verbessern.
Das Ergebnis dieser graduellen Innovation ist heute schon Wachstumstreiber der klassischen Wirtschaftsbereiche: Ressourcen- und Energieeffizienz. Wenn die Preise von Energie und Rohstoffen beständig steigen, trägt mehr Effizienz direkt zum Erfolg des Unternehmens bei.
Gerade im Mittelstand gibt es hier noch enorme Potentiale. Die Kosten für fossile Energieträger sind in den vergangenen Jahren rasant gestiegen – und sie werden kaum billiger werden. Von 2000 bis 2012 stieg der Erdölpreis von 28 Dollar je Barrel auf 110 Barrel, ähnlich verhält es sich mit dem Preis für Erdgas. Der Preis für Steinkohle hat sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.

Steigende Importpreise sind der Haupttreiber der Inflation. Die Energiewende bekämpft die Inflation und macht uns zudem unabhängiger von Energieimporten.
Aktuell geben die EU-Staaten jährlich rund 500 Milliarden Euro für den Import fossiler Energieträger aus, das sind vier Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Eine gewaltige Summe, die in den Taschen von Gazprom und saudischer Ölscheichs landet. Übrigens zahlen besonders die südeuropäischen Krisenstaaten viel
Geld für ihre fossilen Energieimporte. Eine europäische Energiewende hat also das Zeug dazu, dass Spanien, Griechenland und Italien wieder auf die Beine kommen.
Ja, wir können mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. Das hat die deutsche Wirtschaft vielfach bewiesen. Wir können aber angesichts der dramatischen Dimension des Klimawandels nicht bescheiden in unseren Anstrengungen bleiben. Es geht nicht, bei 25 Prozent Erneuerbare sofort nach Investitionsstopps zu rufen. Das Gegenteil ist richtig. 25 Prozent klingen zwar nach viel.
Das heißt aber auch, dass 75 Prozent des Stroms nach wie vor aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken kommen.

Wir müssen klare Richtungsentscheidungen treffen. Angesichts der real existierenden Klimakatastrophe können wir uns nicht länger wegducken. Denn die Diskussion um die Energiewende dreht sich vielfach um die Frage: Folgt die Ökologie der Ökonomie oder ist es umgekehrt? Wir müssen uns entscheiden. Angesichts der Lage muss die Ökologie voran gehen. Das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig.
Seit dem aufsehenerregenden Bericht des britischen Ökonomen Nicolas Stern wissen wir: der Klimawandel ist extrem teuer.
Er wird uns mindestens 5 Prozent, schlimmstenfalls auch 20 Prozent der jährlichen Weltwirtschaftsleistung kosten.
Extreme Wetterereignisse nehmen zu. Das Eis am Nordpol geht immer weiter zurück. Die Wüstenbildung und Versteppung weiter Landstriche im Süden schreitet voran mit verheerenden Folgen für die Nahrungsmittelproduktion.
Der Kampf gegen den Klimawandel fordert massive Anstrengungen. Ohne eine deutliche Absenkung der CO2-Emissionen werden wir das nicht hinbekommen. Unsere Zielvorstellung lau-tet: 90% weniger CO2 bis 2050. Das ist ehrgeizig. Aber es ist machbar. Und es ist vor allem notwendig. Eine Verschärfung des Klimawandels ist teurer als seine Bekämpfung. Auch das sagt uns der Stern-Report.
2011 hat die Menschheit 34 Milliarden Tonnen CO2 emittiert, drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Deutschland hat daran einen Anteil von 800 Millionen Tonnen und liegt damit auf Platz 6 im internationalen Vergleich. Auch wenn der Klimawandel aus den Schlagzeilen verschwunden ist: ihn zu bewältigen ist die große Aufgabe des 21. Jahrhunderts.
Der Kampf gegen den Klimawandel ist also ein Kampf der Realisten, derjenigen, die rechnen können. Es ist nicht der Kampf der Träumer und Idealisten. Es geht nicht darum, irgendjemandem einen Lebensstil aufzuzwingen oder aus Grünem Dirigismus Umweltpolitik zu betreiben.

Nein, es geht darum, dass es neben einer ethischen auch eine materielle Frage ist, wie wir zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft kommen.
Die Energiewende ist das zentrale Projekt im Kampf gegen den Klimawandel.

Wir sollten deshalb die Energiewende vorantreiben. Aber richtig.
Nicht richtig ist hingegen, wie die Bundesregierung gegenwärtig Subventionen mit der Gießkanne verteilt. Immer mehr Unternehmen werden von der EEG-Umlage befreit.
Es ist richtig, dass es für energieintensive Unternehmen Ausnahmen gibt. Wenn die Bundesregierung allerdings so weiter macht, dann gibt es bald mehr Ausnahmen als Unternehmen.
Die Zeche dafür zahlen die Privaten und die kleinen und mittleren Unternehmen. Deswegen stieg die EEG-Umlage auch deutlich stärker zum Jahreswechsel als notwendig. Zwei Drittel des Anstiegs lässt sich auf die vielen Ausnahmen zurückführen. Das diskreditiert den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Gleiches gilt dafür, dass die privaten Stromverbraucherinnen und –verbraucher dafür aufkommen, wenn Netzbetreiber Windparks nicht rechtzeitig ans Netz anschließen. Das ist so, als ob man früher ein Atomkraftwerk auf die grüne Wiese gesetzt hätte und die Verbraucher dann die Anschlüsse hätten zahlen lassen.
Mit dieser Logik hätte es noch nicht einmal die Atomwirtschaft geschafft, ihr Geschäftsmodell durchzusetzen.
An der Leipziger Strombörse beobachten wir seit Jahren sinkenden Energiepreise. Gerade in Spitzenzeiten verdrängt der billige Öko-
Strom den teuren konventionellen Strom. Industriekunden profitieren heute schon davon. Das Fraunhofer-Institut beziffert die Preisentlastung auf 2,8 Mil-liarden Euro durch die erneuerbaren Energien. Privatleute und kleine Unternehmen profitieren viel zu wenig von den sinkenden Preisen, weil die Preisvorteile nicht weitergegeben werden. Hier sieht man, wie wichtig ein gutes Marktdesign ist.
Die Skeptiker der Energiewende schaffen sich vielfach selber Argumente, die sie gegen die Energiewende ins Feld führen. Sie schaden damit nicht nur der Energiewende sondern auch dem Industriestandort Deutschland. Denn der ist angewiesen auf stabile und bezahlbare Preise. Die bekommt man nicht mit einer verkorksten Energiewende.
Wir können die Energiewende schaffen und für angemessene Preise sorgen. Die hängen aber von vielen Faktoren ab, nicht allein vom Ausbau der Erneuerbaren. Zentral sind Marktdesign, Einsparungen, weniger Ausnahmen und der schnelle Anschluss der Windparks.

Wie könnte man die Energiewende besser machen?
Wir müssen die Energiewende solide finanzieren und zwar aus dem laufenden Bundeshaushalt. Die Bundesregierung greift hier nur in den Energie- und Klimafonds. Der finanziert sich aus dem Emissionshandel. Das ist eine viel zu unsichere Finanzierungsbasis.
Wir wollen drei Milliarden Euro Bundesmittel in einen Energiesparfonds stecken. Daraus wollen wir Energieeinsparungen finanzieren, zum Beispiel im Gebäudebereich. Das ist ein Bereich, wo wir mit vergleichsweise wenig finanziellen Mitteln eine große Wirkung für den Klimaschutz erreichen können. Haushalte und Unternehmen sollen verstärkt beim effizienten Einsatz von Energie beraten werden. Laut einer Untersuchung des Fraunhoferinstituts hatten 2010 nur 17 Prozent der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe überhaupt Systeme zur Verbrauchserfassung. Wer aber gar nicht genau weiß, wo er wie viel Energie verbraucht, kann auch viel schwerer Energie einsparen.
Die Energieeinsparung ist die sauberste, billigste, sicherste und sofort verfügbare Energiequelle. Sie müssen wir viel stärker als bisher anzapfen.
Wir wollen ökologisch schädliche Subventionen abbauen. Das sind Ausnahmen bei der Ökosteuer, das Dienstwagenprivileg oder die Bevorzugung des Flugverkehrs gegenüber der Bahn. Wir brauchen zudem strengere Grenzwerte zum Beispiel im Automobil- und Gebäudebereich oder bei Elektrogeräten.
Den Emissionshandel wollen wir reformieren, damit sich Energiesparen noch mehr lohnt.
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir auf einen Mix setzen aus Ordnungsrecht, marktwirtschaftlichen Instrumenten sowie Beratung und Beteiligung.
Auf der Erzeugerseite setzen wir auf eine dezentrale Struktur, also weg von wenigen Großkraftwerken in den Händen großer Energiekonzerne, hin zur Energieproduktion in Bürgerhand. Wenn man sich im Süden Deutschlands die Scheunendächer anschaut, dann ist eines nicht zu übersehen: Hier haben die Menschen selber angepackt. Das gleiche gilt für Bürgerwindparks oder Biomasseanlagen.
Wir haben bereits rund eine Million Menschen, die Energie konsumieren und produzieren. Die machen keine große Rendite, aber sie können rechnen und treiben die Energiewende von un-ten voran. Ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit gehen so Hand in Hand. Die Energiewende kommt also von unten und nicht von den großen Konzernen.
Darauf muss die Politik sich noch viel mehr ein-stellen. Baden-Württemberg macht das vor. Eine Politik des Gehört-Werdens bedeutet keine unendlichen Diskussionen ohne Entscheidungen. Konsens ist schön, aber in Demokratien selten erreichbar. Moderne Beteiligungsmodelle schaffen Akzeptanz für neue Netze und Kraftwerke.

Meine Damen und Herren,
die Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe. Die Welt schaut auf dieses Projekt, sie schaut darauf, ob Deutschland es stemmen kann. Wirtschaft und Politik müssen hier gemeinsam handeln. Deutschland kann ein Modell liefern, wie Klimaschutz und industrielle Wertschöpfung zusammen gehen. Die schöpferische Kraft von Bürgern und Bastlern
gilt es noch mehr zu aktivieren. Gerade in Baden-Württemberg mit seinen vielen Weltmarktführern und seinen engagierten Bürgerinnen und Bürgern ist dafür ein großes Potential vorhanden. Nutzen wir es!
Vielen Dank.

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