Die Grüne Jugend Göttingen und der Studierendenverband aus Kurdistan hat sich am 05. August 2015 mit einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten aus Göttingen gewandt.
Hier meine Antwort darauf:
An den
Studierendenverband aus Kurdistan in Göttingen
An die
Grüne Jugend Göttingen
Liebe Freundinnen und Freunde vom YXK,
liebe Freundinnen und Freunde von der Grünen Jugend,
vielen Dank für Euren Brief. Ich teile vollständig Eure Besorgnis über das Vorge-hen der Türkei in der Autonomen Region Kurdistan in Nord-Irak und in Syrien.
Es ist aus meiner Sicht mitnichten so, dass der türkischen Präsident Erdogan ei-nen Strategiewechsel im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) vollzogen hat. Im Gegenteil – durch die offensive Bekämpfung einer der einzigen Kräfte, die dem IS noch erfolgreich Widerstand leisten konnte, wird dieser in der Region wieder gestärkt. Das ist das fatale Ergebnis der Aufkündigung des Friedensprozesses mit der PKK durch Recep Tayyip Erdoğan.
Die Gründe für dieses Vorgehen sind meiner festen Überzeugung nach in der In-nen- und nicht in der Außenpolitik der Türkei zu suchen. Der türkische Präsident will die Kräfte, die verhinderten, dass er sein erklärtes Ziel einer verfassungsän-dernden Mehrheit für seine Partei die AKP nicht erreicht hat, politisch schwächen. Das zeigt das Vorgehen gegen die Abgeordneten der HDP als auch der Krieg gegen die Kurden.
Gerade das Vorgehen gegen die HDP ist inakzeptabel. Es wirft nicht nur die Frage nach der Verfasstheit des türkischen Rechtsstaats auf. Es schwächt vor allem auch die einzige politische Kraft, die in der Lage wäre, zwischen den Interessen der Türkei und den kurdischen Kräften, inklusive der unterschiedlichen Strömungen in der PKK, zu vermitteln.
Eine Fortsetzung dieser Politik hätte nicht nur unabsehbare humanitäre Folgen, sondern würde die ohnehin schon fragile sicherheitspolitische Lage vollends zusammen brechen lassen. Das kann weder im Interesse der Türkei sein, noch ist es im Interesse Europas.
Ich halte deshalb eine Überprüfung der Stationierung deutscher Truppen für drin-gend geboten. Die NATO und damit die in ihrem Rahmen agierenden deutschen Soldatinnen und Soldaten dürfen nicht zu einem innenpolitischen Instrument eines zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten werden. Die Nato ist ein Bündnis zur Verteidigung seiner Mitglieder gegen äußere Bedrohungen, keines zur Stützung von Autokratien.
Die Behauptung der Bundesregierung, die Lage der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten habe sich nicht geändert, ist angesichts der Zuspitzung der Lage im Süden der Türkei abenteuerlich. Bei einer weiteren Eskalation der Lage rückt ein Abzug auf die Tagesordnung. Das wäre auch ein klares und notwendiges Signal an die türkische Regierung und den türkischen Präsidenten.
Eine Wiederaufnahme dieser Verhandlungen ist die Voraussetzung dafür, dass auch die PKK wieder auf den Weg des gewaltfreien Kampfes für ihre Ziele zurückkehren kann. Das Ziel, die PKK von der Liste terroristischer Vereinigungen zu streichen, unterstütze ich im Grundsatz. Die Voraussetzung dafür muss aber die Absage der PKK an jegliche Art von terroristischen Anschlägen sein. Es steht zu befürchten, dass sich dafür aber die Bedingungen in den letzten Wochen massiv verschlechtert haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin
Eine .pdf-Version des Briefes findet sich hier.
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