Gewinner und Verlierer der Energiewende

Rede beim Nuclear Phase Out Congress am 21. März 2016 in Zürich

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung zu diesem Kongress.

Wir haben eben gehört, wie es um die Atomkraft selbst bestellt ist. Aus meiner Sicht beschreibt es das Bild der Geriatrie doch sehr passend.  Die Atomenergie ist wie der störrische Altbauer, der sich weigert aufs Altenteil zu ziehen.

Allein – die Zeit des Altbauers ist vorüber. Er sollte aufs Altenteil, bevor er den Hof endgültig ruiniert.

Geschichte der atomaren Irrtümer

Die Geschichte der Atomkraft – nicht nur in Deutschland – ist eine Geschichte der Irrtümer. Sie beginnt mit dem Irrtum, dass Atomkraft sicher, sauber und billig wäre.

Tatsächlich kam sie nur mit massiven Subventionen in den Markt, verursacht auch ohne Störfall massive gesellschaftliche Kosten und ist rentabel nur wenn sie komplett abgeschrieben ist.

Subventionen für Stromerzeugung in Deutschland

Dazu kam der Irrtum, dass man glaubte, dass Problem des Atommülls schon irgendwie innerhalb der Laufzeiten der AKWs technisch lösen zu können. Heute gibt es Zweifel ob man es überhaupt verursachergerecht bezahlen kann.

Und dem Irrtum, dass man die „zivile“ Nutzung der Atomkraft von der militärischen getrennt betrachten und vorantreiben könne.

Der aktuellste Irrtum: die Betreiber glaubten nämlich, dass die AKWs bis an ihr Ende eine Gelddruckmaschine bleiben werden – und sie selbst sich um Veränderungen am Energiemarkt nicht sorgen müssten. Ein fataler Irrtum.

Einstieg in Schwarz-Rot Gold

Der erste Atomminister Deutschlands war Franz-Josef Strauß.

Er hat es übrigens durchgesetzt, dass beim Atomwaffensperrvertrag die Urananreicherung ausgenommen wurde. Etwas, was uns Jahrzehnte später mit dem Iran echte Problem bescherte. Es gibt eben keine klare Trennung zwischen militärischer und ziviler Nutzung der Kernspaltung. Bis heute ist Deutschland mit der Urenco in Gronau einer der großen Urananreicherer.

Das erste kommerzielle AKW in Deutschland nahm in Bayern vor ziemlich genau 49 Jahren – am 12. April 1967 seinen Betrieb auf – Block A in Gundremmingen. Damit begann das Atomzeitalter in Deutschland.

Es begann mit einem Allparteien-Konsens. CDU/CSU, FDP und SPD hatten sich der Atomkraft verschrieben. Nach der Ölkrise wurde dies von SPD und FDP sogar verschärft. Für die Atomkraft kooperierte die Regierung Schmidt vor 50 Jahren sogar mit der brasilianischen Militärdiktatur – zum Ärger der USA.

Der Anfang vom Ende dieses Zeitalters kam ca. 30 Jahre später. Seinem Ende waren vielfältige gesellschaftliche Auseinandersetzungen vorweg gegangen. Gegen die Allparteien-Koalition für die Atomenergie hatten sich eine starke gesellschaftliche Bewegung und eine neue Partei, Die Grünen, gebildet.

Ausstieg Rot-Grün

Mit den Bundestagswahlen 1998 bekam die Anti-Atom-Bewegung eine Stimme in der Bundesregierung: SPD und Grüne beendeten 14 Jahre unterschiedliche Regierungen und der Führung von Helmut Kohl.

Ein zentrales Projekt dieser rot-grünen Bundesregierung war eine umfassende Wende in der Energiepolitik durch einen Ausstieg aus der Atomenergie und einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien.

Ausstieg und Einstieg gehören zusammen. Sie sind der Kern der Energiewende.

Der Atomausstieg wurde im Koalitionsvertrag wie folgt festgeschrieben:

„Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wird innerhalb dieser Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar gesetzlich geregelt.“

Für den Ausstieg gab es eine breite gesellschaftliche Mehrheit.

Umfrage zum Atomausstieg bis 2022

Dafür sprachen vor allem vor allem drei Gründe:

  1. Betriebssicherheit: Der Reaktorunfall von Tschernobyl hatte 1986 wie Harrisburg 1979 gezeigt, dass die Betriebssicherheit der Atomkraftwerke nicht sichergestellt ist. Immer wieder kam es zu kritischen Störfällen in Atomkraftwerken. Und mit Tschernobyl wurde uns vor Augen geführt, was für Auswirkungen ein Reaktorunfall auch über weite Landstriche hinweg hat.
  2. Atommüll: Es gab auf der ganzen Welt kein Endlager für Atommüll. Das Endlager Gorleben wurde ohne Standortauswahl, zudem nach willkürlichen Kriterien festgelegt. Einer vergleichenden Untersuchung verwehrt sich die Atomindustrie damals vehement. Der Nachweis, dass man den Atommüll mehr als 1 Million Jahre sicher einlagern kann wurde nicht erbracht. Man betrieb also die deutschen Atomkraftwerke ohne zu wissen, was mit dem Atommüll Das ist als ob man mit einem Flugzeug startet und noch keine Landebahn gebaut hat.
  3. Proliferation: Der Abwurf der Atombombe in Hiroshima mahnt bis heute vor den Gefahren des militärischen Einsatzes der Atomtechnologie. Ein Großteil der Technologie die man für die friedliche Nutzung der Kernenergie benötigt, wird auch für den Bau der Atombombe benötigt. Praktisch alle Staaten, die über Atombomben verfügen, wie z.B. Pakistan, haben ihre Erkenntnisse aus dem zivilen Bereich gewonnen.

So wurde 2002 die Energiewende beschlossen: Deutschlands wollte bis 2022 aus der Atomkraft auszusteigen und bis dahin 20 % des Strom seines Strom erneuerbar erzeugen.

Verlängern, verkürzen, versagen

Vor diesem Beschluss lagen 30 Jahre politischer, aber vor allem gesellschaftlicher Widerstand gegen die Atomkraft – und das Entstehen einer neuen Partei – den Grünen.

Am Anfang der Umweltbewegung, am Anfang der Grünen vor über 35 Jahren stand vor allem das Thema Energie. Damals ging es in erster Linie um die Verhinderung des Baus neuer Atomkraftwerke.

Die Ökologiebewegung und die Grünen konnten bald die ersten Erfolge erringen. Zwar konnte in Brokdorf und Grohnde nicht der Bau verhindert werden, anders als beim Schnellen Brüter in Kalkar. Aber es kam zu einem Neubaustopp statt der fest geplanten 49 deutschen Atomkraftwerke gingen nur 19 ans Netz.

Aber auf den besetzten Bauplätzen von Grohnde und Wackersdorf zeichnete sich schon die Zukunft der deutschen Energiewende ab. Von vielen belächelt und bespöttelt versuchte man dort aus Wind, Sonne und nachwachsenden Rohstoffen Strom zu produzieren.

Dass der Strom bei uns einfach aus der Steckdose kommt, das glaubt zwar bis heute Crazy Horst Seehofer aus Bayern – so nennt ihn die FAZ. Aber die Anti-AKW-Bewegung war schon damals anderer Auffassung.

Vor 30 Jahren gab es eine Reihe von Bastlern und Tüftlern, die sich um Alternative Energieerzeugung gekümmert haben. In der ersten rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen – Anfang der 90er  Jahre – haben wir einem solchen Bastler einen Zuschuss gegeben, damit er in seiner Garage Windräder zusammenschrauben konnte.

Heute ist er der größte industrielle Arbeitgeber nicht nur in seiner Heimatregion Ostfriesland sondern auch in Sachsen-Anhalt. Enercon ist eine der Erfolgsstorys, die  die Energiewende mit sich gebracht hat.

Das zeigt – der Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland war – das war unser Hauptanliegen in der rot-grünen Regierung – gleichzeitig ein Einstieg in die Erneuerbaren Energien.

Deutsche Erfolgsgeschichte

Es war diese Kombination, die die deutsche Energiewende zu einer Erfolgsgeschichte sondergleichen machte. Eine Erfolgsgeschichte nicht nur für Deutschland – sondern für die Welt.

2014 gewannen die Erneuerbaren zum ersten Mal das Rennen gegen die fossilen Energien.

Mit 143 Gigawatt wurden erstmalig mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert. Kohle, Öl und Gas kamen bloß auf 141 GW. 

Und der Trend hält an. Wind, Sonne und Wasser werden immer wettbewerbsfähiger. Sehr konservativen Schätzungen zu Folge sollen die Erneuerbaren 60% der Stromerzeugung im Jahr 2040 weltweit ausmachen. Und zwei Drittel aller Investitionen in diesem Bereich auf sich vereinen. 

Wie konnte es soweit kommen?

Deutsche Vorreiterrolle

Diese Entwicklung ist im Wesentlichen vor über zehn Jahren in Deutschland eingeleitet worden.

Sie war erfolgreicher, als selbst ihre Protagonisten gedacht haben. Ich etwa.

Als ich als verantwortlicher Minister das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 auf den Weg gebracht und im Jahr 2004 novelliert habe, stand im Gesetz, dass wir 2020 genau 20 % Anteil Erneuerbaren Strom haben wollen. Dafür wurde ich verlacht und verhöhnt, da der Anteil technisch nie über 8% liegen könne.

Bereits im Jahre 2015 produzierten wir fast ein Drittel unseres Stroms erneuerbar. Auch so kann man sich irren.

Wachstum der Erneuerbaren in Deutschland

  • In Deutschland wurden in den letzten Jahren jährlich über 20 Milliarden € in neue Stromerzeugungsanlagen investiert. Das gibt es in keinem anderen Land Europas.
  • Erneuerbare machen unabhängig – sie mindern die Exportabhängigkeit tradierter Energie von Uran bis Öl und Gas.
  • In diesen Anlagen werden jährlich gut 15 Mrd. € umgesetzt, davon profitieren Landwirte, Bürgergenossenschaften und Fonds.
  • Entstanden ist eine exportstarke Industrie, in der zeitweilig bis zu 400.000 Menschen arbeiteten, in Europa sind es 600.000.

Grüne Jobs in Deutschland

Dieses hat globale Auswirkungen. Mit diesen Erneuerbaren Energien wurden 2014 nicht nur gut 151 Mio. t. Treibhausgase eingespart. Vor allem wurden die Erneuerbaren Energien billig und damit wettbewerbsfähig.

Durch die stürmische Entwicklung und die damit verbundene technologische Lernkurve sank der Preis für Strom aus Windkraft um 80 %, für Fotovoltaikstrom sogar um 90 %.

Die deutsche Energiewende hat die Erneuerbaren global wettbewerbsfähig gemacht.

Wenn das nicht auch Industriestaaten zugutekäme, könnten wir unsere EEG-Umlage mit gutem Grund auf die ODA-Quote, die Entwicklungshilfequote anrechnen lassen.

Verlierer der Energiewende: The Big Four

Die Geschichte der Energiewende in Deutschland hat uns vieles gelehrt, aber vor allem eine Erkenntnis.

Wir können derartiges fundamentales Umsteuern nicht dem Markt und den Unternehmen allein überlassen könne.

Es braucht einen Rahmen aus Regulierung und Anreizen, um innovativen Techniken auf dem Markt zum Durchbruch zu verhelfen.

Ich sage ganz klar: um Durchbruch auf dem Markt und nicht um Dauersubventionen.

Auf dem deutschen Energiemarkt gab es lange keinen Markt. Er entstand erst durch das EEG – das Erneuerbare-Energien Gesetz.

Er wurde jahrzehntelang von einem Macht-Quadropol der vier großen Energieriesen dominiert: Vattenfall, E.on, RWE und EnBW.

Diese vier Energieriesen hatten im Jahr 2002 noch einen Marktanteil von 87%.

Ihre Marktmacht beruhte auf Atom- und Kohlekraftwerken, aus Strom- und Gasnetzen.

Heute beträgt der Marktanteil bei den Großkunden nur noch 34 Prozent, bei den KMUs und Haushalten knapp 40 Prozent. 2007 besaßen die großen vier noch mehrheitlich über 85 Prozent der konventionellen Stromerzeugungskapazitäten –  im Jahr 2013 war ihr Anteil schon auf 68 Prozent geschrumpft.

Ein großes Onlinemedium in Deutschland hat anlässlich der RWE Bilanzpressekonferenz 2015 geschrieben „Lasst die großen Energieversorger sterben.“

Die Energie-Dinosaurier sind vom Aussterben bedroht. Und was sie von den uns bekannten Dinosauriern unterscheidet – die Energiemultis wären selber dran schuld.

Wahr ist – wenn EnBw und Co. sterben, dann war es Selbstmord mit Ansage.

Wie konnte es soweit kommen?

Der Volksmund weiß: „Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis.“

Oder Sir John Hicks: The best of all monopoly profits is a quiet life”. Kurz gesagt: den vier Großen ging es zu lange zu gut.

Bis zur Liberalisierung des Strommarktes in den 2000er Jahren gab es in Deutschland staatlich regulierte und garantierte Gebietsmonopole. Und da haben sich aus 9 regionalen Energieversorgern die vier großen herausgebildet – und sich in diesen Monopolen gut eingerichtet.

Dabei haben sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Im Gegenteil. Sie haben versucht, sich gegen die Energiewende zu stemmen:

  • Als die Liberalisierung der Strommärkte langsam griff, ignorierten die Herren in den Konzernzentralen das vollkommen. Nur als Beispiel: Die (relativ) freie Wahl der Stromanbieter, seit 1998 Gesetzeslage, hat neue Wettbewerber auf den Markt gebracht – on und Vattenfall reagierten aber erst 2007 bzw. 2008 mit der Gründung von eigenen Vermarktern
  • Atomkraft-Obsession: Die fatalste Fehlentscheidung aber war das Festhalten an der gefährlichsten und auch teuersten Stromquelle, den Atomkraftwerken. Mit massivem Lobbydruck über zehn Jahre hatten die vier Konzerne die schwarz-gelbe Regierung 2009-2013 zu ihrem willfährigen Vollstrecker gemacht:

Obwohl sie den Atomausstieg 2003 selber mit unterzeichnet hatten – es war ja nicht umsonst ein „Atomkonsens“ – begingen sie Wortbruch. Und Angela Merkel war die Sachwalterin dieses Wortbruchs: im Herbst 2010 wurde der Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossen.

Und dann erschütterte am 11. März 2011 ein Ereignis die Welt, das es theoretisch nicht hätte geben dürfen: Das Versagen fast sämtlicher Sicherheitssysteme im Atomkraftwerk Daiichi in Fukushima in Folge eines Erdbebens und des daraus resultierenden Tsunamis  – in dessen Folge sich 3 parallele Kernschmelzen ereigneten.

Das war nicht ein, das waren gleich mehrere Super-GAUs.

Es folgte die 180-Grad-Wende der Bundesregierung. Merkels schwarz-gelbe Koalition kehrte zum vereinbarten rot-grünen Ausstiegskonsens zurück. Die Hälfte der noch laufenden AKWs wurde sofort abgeschaltet, wenn auch – siehe Hessen – auf handwerklich dilettantische Art. Das Kerngeschäft der Energiedinos war passé. Ihre Gelddruckmaschinen standen still.

  • Und der dritte und arroganteste Fehler war: sie ignorierten die Erneuerbaren Energien. Vor 15 Jahren öffneten Wirtschaftsminister Werner Müller und Umweltminister Jürgen Trittin das EEG auch für sie. Vorher waren sie von der Einspeisevergütung ausgenommen. Doch sie weigerten sich über zehn Jahre, diese Möglichkeit zu nutzen. Das angeblich „übersubventionierte“ EEG bot ihnen nämlich nicht die gewohnte Kapitalrendite von 15 %. Sie waren von Kohle und Atom ganz andere Subventionen gewohnt. Die Gier hat ihre Marktposition massiv untergraben.

Der Anteil Erneuerbarer an der Stromerzeugungskapazität liegt bei Vattenfall gerade einmal bei 1,8 Prozent. Bei RWE ist es in Deutschland weniger als 1 Prozent Anteil am gesamten Strombereich des Konzerns.

Etwas besser stehen E.on mit 17 Prozent im Jahr 2015 und EnBW mit 19,1 Prozent da – was aber an der Wasserkraft und weniger an den EEG-Anlagen liegt, EnBW erzeugt knapp 3 % seines Stroms mit EEG-Anlagen.

Deutschlandweit wird aber heute fast ein Drittel des Stroms erneuerbar produziert.

Dieses Drittel ist ziemlich konzernfrei, es gehört Bauern, Bürgergenossenschaften, Stadtwerken und den Einlegern von Fonds.

Wachstum der Energiegenossenschaften

Das EEG wurde zum Einfallstor des Mittelstandes in die Stromerzeugung. Es sorgte für mehr Markt, mehr Wettbewerb und weniger Oligopol.

Das Ergebnis: Die Aktienkurse von RWE und E.on haben sich halbiert, ihre Schulden vervielfacht. Sie haben Milliardenverluste.

Also ziehen sie die Notbremse: Vattenfall versucht aus der Kohle auszusteigen, E.on spaltet sich auf und versucht, die unrentablen Sparten auszulagern – und selbst RWE versucht es mit Restrukturierung, bleibt aber im Kern fossil.

Gerade letztere, das wäre meine Prognose, werden es sehr schwer haben, sich rentabel und nachhaltig neu aufzustellen. Scheitern nicht ausgeschlossen.

Gerade haben sie ihre Dividendenausschüttung ausgesetzt. Ein Schock für die nordrhein-westfälischen Kommunen, die zu knapp 25% Anteilseigner von RWE sind.

Wie sicher diese Renditen jahrzehntelang waren sieht man daran, dass noch in den letzten Jahren die Stadtwerke Dortmund kreditfinanziert Aktien von RWE gekauft haben – in der festen Erwartung der bisher üblichen 1 Euro Dividende.

Die bzw. der Steuerzahler schaut jetzt in die Röhre. Wie man angesichts der offensichtlichen Krise der Unternehmen derartige Entscheidungen treffen kann, bleibt mir zumindest unverständlich.

Und die EnBW in Baden-Württemberg hat heute ihren Jahresbericht vorgelegt.
Da zumindest sind wieder Gewinne zu verzeichnen.

Die Zahlen im letzten Jahr sprachen aber eine deutlichere Sprache: Die von Stefan Mappus teuer verstaatlichte EnBW machte einen Verlust von 450 Mio. €.

Und es ist nicht die Energiewende schuld, wie der Landessender SWR behauptet. Kostentreiber war das 1,2 Milliarden teure Kohlekraftwerk in Karlsruhe, welches bei den gewaltigen Überkapazitäten auf dem Strommarkt nur noch Verlust macht.

Denn die Strompreise fielen von gut 8 Cent/kWh auf unter 3 Cent/kWh.

Um es kurz zu machen: den Unternehmen geht es alles andere als gut – und ihre Ratings sind mies – kurz vor BB-.

Wenn die Preise für fossile Rohstoffe so niedrig bleiben, werden 10 europäische Energieversorger in den nächsten 90 Tagen runtergeratet. Und es sieht nicht gut aus für sie.

Hinzu kommen die Risiken, die sich aus dem atomaren Erbe ergeben.

Atomare Kosten

Die deutsche Bundesregierung hat angesichts dieser Situation eine Kommission eingesetzt und mich gebeten, sie gemeinsam mit meinen Kollegen Ole von Beust und Matthias Platzeck zu leiten. Die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK)“ soll versuchen sicherzustellen, dass für die anstehenden Aufgaben von Rückbau, Zwischen– und Endlagerung auch die notwendigen Mittel der Verursacher zur Verfügung stehen, wenn sie gebraucht werden.

Sie diskutieren hier, ob sie ihre Altmeiler nicht länger auf Verschleiß fahren sollen. Nicht anderes ist eine Laufzeitverlängerung. In einem Punkt haben Sie in der Schweiz jedoch die Nase vorn:

Bei allen hier berechtigten Zweifeln am Schweizer Modell in dieser Frage muss ich doch sagen: Sie haben einen Entsorgungsfonds, in den bereits Mittel eingeflossen sind. Selbst wenn man den aktuellen Streit um die Höhe der Mittel mal zur Seite lässt, sind Sie in der Schweiz damit einen Schritt weiter.

In Deutschland ist die Situation folgende:

Die Kosten der Atommüllentsorgung, die für Rückbau, Verpackung, Zwischenlagerung und Endlagerung der Hinterlassenschaften des Atomzeitalters anfallen, müssen die Betreiber der Atomkraftwerke durch Rückstellungen sichern.

Bis zum heutigen Zeitpunkt haben die 4 großen Unternehmen E.on, RWE, EnBW und Vattenfall dafür 38,3 Mrd. € zurückgestellt für Kosten, die bei einem Preisniveau des Jahres 2014 auf insgesamt 48,8 Mrd. € geschätzt werden – eskaliert bis 2099 sind das ca. 170 Milliarden €.

Stresstest des BMWi

Das Problem an diesem Modell ist: es gibt zwar eine Aufteilung von Handlungspflichten – also Rückbau und Zwischenlagerung bei den Unternehmen, Endlager als hoheitliche Aufgabe beim Staat. Und es gibt eine Finanzierungsicherungspflicht allein durch die Unternehmen – für alles.

Der Staat kann nur – sehr verkürzt gesagt – hoffen, dass das Geld noch da ist, wenn er es braucht.

Das soll die Kommission jetzt ändern.

Wir sind da auf einem guten Weg – aber noch lange nicht am Ziel.

Die Leitlinie der Arbeit ist ganz klar: das Verursacherprinzip muss gewahrt bleiben.

Das wird aber nur gelingen, wenn man die Kuh, die wir kräftig melken wollen, vorher nicht sich selbst filetieren lässt.

Das heißt es geht um Risikominimierung. Die Zeit für völlige Risikovermeidung ist leider vorbei.

Wir als Grüne und ich als Minister haben schon lange darauf gedrungen, die Mittel für die Atommüllentsorgung besser zu sichern.

Dafür haben wir schon vor Jahren einen Öffentlichen-Rechtlichen Fonds vorgeschlagen. Ein entsprechender Gesetzentwurf für einen Zweckverband zur Entsorgung wurde von uns ausgearbeitet.

Damals wäre es für die Unternehmen ein Leichtes gewesen, dieses zu tragen.

All diese Vorschläge wurden von den Betreibern, aber auch unserem damaligen Koalitionspartner SPD blockiert. Diese verlorene Zeit ist nicht rückgängig zu machen.

Im Übrigen für beide Seiten: sowohl der Staat als auch die Unternehmen stünden heute mit einem geringeren Risiko da, hätten wir uns vor 10-15 Jahren auf diesen Weg geeinigt.

Soweit zu den historischen Irrtümern, die man später bereut.

Die Diskussion ist also noch nicht abgeschlossen. Für einen neuen Entsorgungskonsens bedarf es noch schwieriger Gespräche auch mit den Unternehmen.

Eines aber ist offensichtlich: Die wohl schwierigste Situation für die Unternehmen entsteht, wenn es nicht zu einem neuen Entsorgungskonsens kommt.

Anhaltende Unsicherheit über die Atommüllentsorgungen wird den Zugang der Unternehmen zu den Finanzmärkten ebenso weiter erschweren  – wie auch ihre notwendige Neuaufstellung auf den neuen Energiemärkten.

Die Folge wäre, dass die materielle Basis für die Realisierung des Verursacherprinzips weiter erodieren würde. Das ist es wohl, was man klassischerweise als Lose-lose Situation bezeichnet.

Über den Tellerrand schauen

Die Atomkraftobsession scheint noch nicht überall vorüber zu sein. Schauen wir nur nach Großbritannien, wo die letzte EU-Kommission noch an ihrem letzten Amtstag eine Ausnahmegenehmigung für Hinkley Point – C erteilt hat.

Die britische Regierung will dort über 35 Jahre eine Abnahmegarantie in Höhe von 11 Cent pro KWh zahlen. Das sind fast 3 Cent mehr, als Sie im Moment für Fotovoltaikstrom auf der Freifläche in Deutschland bekommen. Und fast 4mal so viel wie der aktuelle Marktpreis. Gesamtsubventionen: 22 Milliarden €.

Das ist neoliberaler Staatskommunismus.

Doch selbst der rechnet sich nicht mehr: gebaut werden soll dieses AKW ja zu zwei Dritteln vom französischen EDF-Konzern und zu einem Drittel vom chinesischen General Nuclear Power Corporation (CGN) finanziert werden.

Die Kollegen aus Frankreich haben aber sehr große Probleme, diese Investitionssumme aufzubringen.

Unter anderem so lassen sich die – Verzeihung – Wahnsinnsdebatten der französischen Regierung zur Verlängerung der Laufzeiten von AKWs wie Fessenheim erklären.

Die Weltgemeinschaft hat in Paris beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 ° zu begrenzen. Dafür müssen Vier Fünftel der heute bekannten Kohle-, Öl und Gasvorräte unter der Erde bleiben.

Aber daraus wird nichts, wenn man auf eine Energie setzt, die viermal so teuer ist, wie der Markt und nur mit Milliarden an Subventionen überleben kann.

Und für diese Zukunft hilft es auch nicht statt umzusteuern Altanlagen mit 70er Jahre Technologie verzweifelt am Netz zu halten.

Weltweit boomen erneuerbare Energie. Sie haben Grenzkosten, die gegen Null gehen.

Investitionen in Erneuerbare Energien

Investitionen in Erneuerbare Energien

Dieser Boom findet global statt. Europa hinkt eher hinterherWar die Atomenergie vorher schon nicht wettbewerbsfähig so wird sie es immer weniger.

Das ist der Grund warum ihr Anteil an der Stromerzeugung sinkt und sinkt.

Globale Investitionen in Erneuerbare Energien

Globale Investitionen in Erneuerbare Energien

Wer auf nicht auf die Anti-AKW-Bewegung hört – den bestraft der Markt.

Wer SchumpetersSchöpferischer Zerstörung“ entgehen will muss rechtzeitig geordnet aussteigen.

Sonst endet er schrecklich.

Eine Ende – kein Schrecken

Wer dem entgehen möchte muss sich aufmachen. Aussteigen aus Atom und einsteigen in die Erneuerbaren.

Das ist der Weg den wir in Deutschland gegangen sind:

  • Ausstieg in einem geordneten Verfahren
  • Mit gleichzeitigem Umsteuern hin zu Erneuerbaren Energien
  • Raus aus Ewigkeitssubventionen mit einer degressiven Förderung zur Marktetablierung

Das Ende der Atomenergie ist dann kein Schrecken mehr. Sondern ein Schritt in eine lichte und helle Zukunft.

Brüder zur Sonne zu Freiheit statt Glückauf der Steiger kommt.

Vielen Dank!

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