Dekarbonisierung – jetzt oder zu spät

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Saubere Energien für freie Fahrt

 

Sehr geehrter Herr Vohrer,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für die Einladung zum Brennpunkt Biokraftstoffe.

Wir wollen heute über die Rolle von Biokraftstoffen bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft sprechen.

1                  Bigott

Montag war wieder so ein schöner Tag für unsere Kanzlerin. Frau Merkel nahm die Forderungen der C20 – also der Civil 20, der Zivilgesellschaft der zwanzig größten Volkswirtschaften entgegen.

Laut epd versprach sie dabei, sich für nachhaltiges Wachstum stark zu machen. Ziel müsse ein „kohlefreies Wirtschaften“ sein.

Die G20 sind da die richtige Adresse. Hier wohnen zwei Drittel der Bevölkerung und sie schaffen vier Fünftel der Wirtschaftsleistung der Welt. Aber sie sind auch für drei Viertel der Treibhausgase verantwortlich.

Ohne konsequentes Umsteuern in den G20 wird das nichts mit dem kohlefreien Wirtschaften.

Doch das Deutschland der Großen Koalition taugt nicht mehr als Mahner und Richtungsgeber.

Von Dekarbonisierung reden, heißt noch nicht sie zu machen. Es kann auch heißen sie zu blockieren.

Vorreiter sind inzwischen andere. Auf der Klimakonferenz in Marrakesch haben sich 48 Staaten dazu verpflichtet, bis 2050 komplett auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Nicht aus purer Liebe zur Umwelt. Es ist für diese Länder überlebenswichtig. Sie sind von den Folgen der Klimakatastrophe am stärksten betroffen – denn sie drohen abzusaufen.

In Washington D.C. hat Donald Trump vor einigen Tagen angekündigt, dass die amerikanische Bundesregierung aus dem Pariser Klimaabkommen austreten will. Er sei für „Pittsburgh und nicht für Paris gewählt“ worden.

In einem bayrischen Bierzelt hat sich darauf Angela Merkel über Trump echauffiert und zur Stärkung des Klimaschutzes aufgerufen. Dummerwiese steigen Deutschlands CO2-Emissionen wieder – und die USA sind in den letzten Jahren gesunken. Im Bierzelt wurde verschwiegen, was die eigenen Gutachter der Regierung ins Stammbuch schrieben:

Wenn nicht ganz schnell ganz viel passiert wird Deutschland seine für Paris zugesagten Klimaschutzziele 2020 nicht erreichen.

Es gibt dafür zwei Gründe: Das Festhalten von CDU, CSU, SPD und Linkspartei an der Kohlverstromung und die weiter steigenden Emissionen im Verkehr.

Beides ist politisch gewollt. Es ist mit Vorsatz herbei geführt. Das Anheizen des Klimas wird von Frau Merkel  mit Steuermitteln subventioniert.

  • Anstatt die zwanzig ältesten Kohlekraftwerke sofort abzuschalten und einen planvollen Kohleausstieg im Konsens zu organisieren, hat die Bundesregierung von Frau Merkel 1,6 Mrd. € an Vattenfall und RWE bezahlt, damit die alten Dreckschleudern am Netz bleiben – während China 100 Kohlekraftwerken den Stecker zieht.
  • Und immer noch wird das Fahren von spritfressenden Diesel-SUVs über das Dienstwagenprivileg und die ermäßigt Mineralölsteuer mit bis zu 15 000 € pro Auto Da wundert es sich nicht, dass die Elektromobilität, dass alternative Antriebe in Deutschland nicht vorankommen. Das meist verkaufte E-Auto in Deutschland ist – ein Renault – nein, kein Tesla.

Man weiß nicht, was man schlimmer finden soll:

  • Das bigotte Reden vom Klimaschutz und dagegen handeln der Kanzlerin
  • Oder das hemdsärmelige Leugnen der Klimakrise und die offene Parteinahme für alle fossilen Energien des Donald Trump.

Letzteres erzeugt wenigstens Widerstand und schweißt weltweit neue Koalitionen zusammen.

Und in den USA wurde der Untergang der Kohlekraft nicht in Paris besiegelt, sondern in den Fracking-Feldern von Texas und rund um Pittsburgh. Und in den Solarparks in Kalifornien.

2                  Klimakrise und Dekarbonisierung

Die Klimakrise ist real. Daran ändern weder Donald Trump noch der Berliner Kreis der CDU etwas.

Starkwetterereignisse, abschmelzende Polkappen, sich erwärmende Ozeane, die auftauenden Permafrostböden Sibiriens… man kann die Liste der schrecklichen Szenarien sehr lange fortsetzen.

Wenn wir über den Kampf gegen den Klimawandel reden, dann geht es um Verantwortung. Verantwortung für nachfolgende Generationen.

Für unsere Kinder, für meine Enkelin ist der Klimawandel bittere Realität.

Und wer glaubt, dass wir in Nordeuropa ja eher von der Erwärmung profitieren – so nach dem Motto „schwedischer Wein“ und „deutsche Bananen“ hat das Problem nicht verstanden.

Im letzten Jahr sind so viele Menschen im Mittelmeer auf der Flucht ertrunken wie nie zuvor. Sie flohen vor Krieg und Krise.

Die Gründe für die Krisen und Kriegen liegen in Misswirtschaft, in Bad Governance, in Konkurrenz um Rohstoffe und in religiösen Konflikten.

Aber:

Zusätzlich verschärft die Klimakrise die Lage. Steigende Temperaturen machen immer mehr Lebensraum lebensfeindlich.

Laut dem UN Flüchtlingskommissar muss jede Sekunde ein Mensch wegen einer Naturkatastrophe seine Heimat verlassen. Jedes Jahr fliehen 22.5 Millionen Menschen vor Klima- und Wetter-Ereignissen.[1]

Millionen haben bereits jetzt unter der Klimakrise zu leiden und es trifft ausgerechnet diejenigen am härtesten, die die wenigsten Mittel haben, um sich zu schützen.

Das ist eine Verpflichtung zum Handeln!

Rechnet man alle bekannten Vorräte an Gas, Öl und Kohle in CO2 um, dann sind das gut 3.000 Gigatonnen. Die durch Verbrennen in die Atmosphäre zu schicken, können wir uns nicht leisten. Dann steigt die Temperatur um über 4 Grad.

Bei der Begrenzung auf 1,5 Grad, also dem Beschluss von Paris, dürfen absolut noch maximal 565 Gigatonnen in der Atmosphäre gelangen.

Vier Fünftel der bekannten Vorräte von Kohle, Öl und Gas müssen unter der Erde bleiben. Nachhaltiges Wachstum erfordert also neue Investitionsstrategien.

Trump hat das vielleicht noch nicht verstanden – aber große Teile der Wirtschaft schon. 2014 gewannen die Erneuerbaren zum ersten Mal das Rennen gegen die fossilen Energien.

Mit 143 Gigawatt wurden erstmalig mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert.

Kohle, Öl und Gas kamen bloß auf 141 GW. [2]

Und der Trend hält an. Wind, Sonne und Wasser werden immer wettbewerbsfähiger. Sehr konservativen Schätzungen zu Folge sollen die Erneuerbaren 60% der Stromerzeugung im Jahr 2040 weltweit ausmachen. Und zwei Drittel aller Investitionen in diesem Bereich auf sich vereinen.[3]

China hat bereits im 4ten Jahr in Folge seine CO2-Emission stabil gehalten bzw. leicht verringert. Dieses Ziel hatten sie in Paris erst für 2030 versprochen.

Die Richtung lautet: Dekarbonisierung

In Kalifornien arbeiten inzwischen mehr Menschen in den Erneuerbaren Energien als in der ganzen amerikanischen Kohlebranche.

Die Jobs im Zusammenhang mit Bioenergien haben in den USA schon fast die Kohlejobs überholt.

3                  Erfolgsgeschichte Energiewende

Diese Entwicklung ist im Wesentlichen vor über zehn Jahren in Deutschland eingeleitet worden.

Sie war erfolgreicher, als selbst ihre Protagonisten gedacht haben. Ich etwa.

Als ich als verantwortlicher Minister das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 auf den Weg gebracht und im Jahr 2004 novelliert habe, stand im Gesetz, dass wir 2020 genau 20 % Anteil Erneuerbaren Strom haben wollen. Damals glaubte man, dass der Anteil technisch nie über 8% liegen könne.

Bereits im Jahre 2015 produzierten wir fast ein Drittel unseres Stroms erneuerbar. Auch so kann man sich irren.

Deshalb war die deutsche Energiewende eine Erfolgsgeschichte.

  • In Deutschland wurden seit Inkrafttreten des EEGs über 150 Milliarden € in erneuerbare Energien investiert. Das gibt es in keinem anderen Land Europas.
  • Erneuerbare machen unabhängig – sie mindern die Exportabhängigkeit tradierter Energie von Uran bis Öl und Gas.
  • In diesen Anlagen wurden jährlich gut 15 Mrd. € umgesetzt, davon profitieren Landwirte, Bürgergenossenschaften und Fonds. Eine neue mittelständische Industrie.
  • Und der Strompreis an der Börse sank in zehn Jahren Energiewende von knapp 8 über 6 auf rund 2,5 Cent.

Und dennoch ist die Grammatik hier wichtig. Die Energiewende war erfolgreich. Sie ist heute akut gefährdet.

  • Entstanden ist eine exportstarke Industrie, in der zeitweilig bis zu 400.000 Menschen arbeiteten, in Europa sind es über eine Million. Aber in Deutschland sind in den vergangenen Jahren 70 000 Arbeitsplätze in den Erneuerbaren der Sonnensteuer, dem Freiflächenverbot und der Deckelung des Ausbaus zum Opfer gefallen.

Den Trend zu sauberen Energien – in Deutschland und weltweit – müssen wir unterstützen und nicht wie die Bundesregierung ausbremsen.

4                  saubere Energien für freie Fahrt

Dies alles war vor allem eine Stromwende. Soll die Stromwende zur Energiewende werden, müssen wir ihre rasante Entwicklung auf andere Sektoren übertragen. Nur dann werden die Klimaziele zu erreichen sein.

Wir brauchen endlich eine Wärmewende – denn allein mit effektiverer Gebäudedämmung lässt sich enorm viel Energiebedarf einsparen.

Vor allem brauchen wir aber eine Wende im Verkehrssektor. Denn während die in anderen Bereichen verursachten CO2-Emmissionen seit 1990 rückläufig sind, steigen sie im Verkehrsbereich an.

Und die Autoindustrie ist weniger mit der Minderung dieser Emissionen beschäftigt als vielmehr mit deren Vertuschung.

Eine erfolgreiche Verkehrswende bedeutet den Einstieg in die Elektromobilität. Und einen Ausstieg aus dem dreckigen Diesel.

Die deutschen Autobauer sind zwar mächtig stolz auf ihre Dieselfahrzeuge. Aber die sind nicht nur schlecht für die Umwelt – die will auch niemand.

  • In den USA machen Diesel-Fahrzeuge gerade mal 3 Prozent des Automobilmarktes aus.
  • In China ist es nur ein Prozent
  • in Japan sogar noch weniger.

Trotzdem subventioniert die Bundesregierung diese Technologie mit Milliarden. Diesel-Subventionen blockieren die Weiterentwicklung der Elektromobilität.

Wir Grüne wollen sie deshalb abschmelzen und ab 2030 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zulassen.

Bei diesem Wechsel von fossilen zu sauberen Energie sind auf Technologien angewiesen, die diesen Wechsel möglichst effektiv und klimafreundlich gestalten.

Besonders im Verkehrssektor werden hier auch Biokraftstoffe eine Rolle spielen – weniger im Kfz-Bereich.  Aber hier:

  • Aber was ist mit dem dreckigen Schweröl im Schiffsverkehr? Hier wären massiv Treibhausgase einzusparen – und es wäre ein Luftreinhaltungsprogramm für die Hafenstädte der Welt.
  • Wie ersetzen wir Kerosin im Flugverkehr? Der Übergang zu anderen Antriebsarten etwa Wasserstoff bis zum Jahre 2050 hinzubekommen ist sicherlich ambitionierter als die Substitution von Kerosin durch Biotreibstoff.
  • Und wenn der LKW noch nicht völlig elektrifiziert ist, wie bekomme ich ihn dennoch CO2-neutral? Sowohl im öffentlichen Personenverkehr wie im Gütertransport bei just-in-time-Produktion dürfte die Elektrifizierung eine starke Rolle spielen. Hier ist das Potential nicht ausgeschöpft. Aber im Übergang dazu und in besonderen Anwendungen werden wir auf Biokraftstoffe angewiesen sein.

Dabei muss vor alter Euphorie gewarnt werden. „Die Bauern werden die Ölscheichs von morgen“ – mit dieser Parole sind wir Grüne vor zehn Jahren für Biokraftstoffe in die Bresche gesprungen.

Das war falsch.

Gleich an zwei Stellen erzeugen Biokraftstoffe eine Konkurrenz, die eine nachhaltige Wirtschafts- und Klimapolitik in Bedrängnis bringen.

Zum einen eine Konkurrenz zwischen dem Acker und dem Teller. Und zum anderen ein Konkurrenz zwischen Bodenqualität und den energetisch erfolgreichen Pflanzen.

Anbauflächen, die für Biokraftstoffe statt Nahrungsmittel genutzt werden, können zum Problem beim Kampf gegen Hunger und Unterernährung in der Welt werden. Und riesige Monokulturen sind eine Bedrohung für Artenvielfalt und langfristig fruchtbare Böden.

Bei aller Differenziertheit und Kritik bieten Biokraftstoffe aber eine CO2-arme Alternative zu fossilen Kraftstoffen.

Auch wenn wir diese Elektrifizierung und Automatisierung des Autos erfolgreich vorantreiben, bleiben andere Verkehrssektoren, die nicht über Elektrifizierung dekarbonisiert werden können.

Hier können neue Biokraftstoffe ihren Beitrag leisten.

Das Versprechen, dass in naher Zukunft Biokraftstoffe der 2. Generation aus biogenen Rest- und Abfallstoffen in großen Mengen kostengünstig produziert werden könne, hat sich noch nicht bewahrheitet.

Wettbewerbsfähige Biokraftstoffe der 2. Generation sind die entscheidende Voraussetzung wollen wir Biokraftstoffe im Schiffs- und Flugverkehr einsetzen.

Hier muss nicht nur Forschung intensiviert werden. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen. Hierzu gehört etwa, dass auch tierische Fette einbezogen werden können.

5                  Jetzt oder zu spät

Wir wollen die Wirtschaft dekarbonisieren. Wir machen Ernst mit dem Kohlefreien Wirtschaften.

Doch wenn wir nicht in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr eine echte Energiewende schaffen, dann wird Deutschland auch 2030 seine Ziele verfehlen.

Damit wäre eine Umsetzung von Paris akut gefährdet.

Wenn wir nicht jetzt mit einer konsequenten Verkehrswende beginnen, ist es zu spät.

Zu spät für unsere Wirtschaft, die jetzt die Chance hat massiv von den weltweiten Veränderungen im Zuge der Dekarbonisierung zu profitieren.

Und zu spät für unser Klima. Deshalb brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Teil der Verkehrswende werden auch Biokraftstoffe der 2. Generation sein müssen. Sie werden ihren Beitrag für einen CO2-neutralen Schiffs- wie Flugverkehr leisten. Sie werden im LKW-Verkehr eine Rolle spielen.

Dafür bedarf es mehr Forschung und besserer Rahmenbedingungen.

Und dazu bedarf es solcher Tagungen wie dem Brennpunkt Biokraftstoffe, die die Agentur für Erneuerbare Energien heute hier ausrichtet. Ich wünsche Ihnen dabei produktiven Streit.

Vielen Dank.

 

 

[1] http://www.unhcr.org/climate-change-and-disasters.html

[2]              http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-04-14/fossil-fuels-just-lost-the-race-against-renewables

[3]              http://www.bloomberg.com/company/new-energy-outlook/

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