Gute Lobby – Schlechte Lobby? Vom Eichsfeld in die Kreislaufwirtschaft

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
lieber Clemens Stroetmann,

vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit an diesem stürmischen Tag zu Ihnen zu sprechen. Bei uns in Norden heißt es ja immer, solange die Schafe noch Locken haben, weht es nicht.

1                  Dosenpfand

Meine Mitarbeiter warnen mich immer, ich solle keine Anfragen zum Thema Dosenpfand annehmen.

Ob Dosen-Jürgen oder DJ Dosenpfand manche glauben, sie könnten mich damit ärgern. Doch das hat auf mich als Werderfan ungefähr die gleiche Wirkung, wie der Gesang von Was ist Grün und stinkt nach Fisch

Das klingt nach Kompliment.

In diesem Wahlkampf kam es mehrfach und von Herzen. Auf dem Markt von Wolfsburg ein älterer Mensch auf mich zu und wollte mir unbedingt die Hand schütteln. Er wolle sich bedanken. Mit dem Pfand der von ihm gesammelten Flaschen käme er trotz Hartz4 über die Runden.

Nun ist das Einwegpfand nicht als Ergänzung zur Grundsicherung eingeführt worden. Es soll

  • die Mehrwegquote sichern
  • die Vermüllung der Landschaft mindern
  • Ressourcen schonen
  • Arbeitsplätze und Mittelstand

Der Dank dieses Mannes also gilt meinem Amtsvorvorgänger Klaus Töpfer  – aber vor allem Ihnen, lieber Clemens Stroetmann.

Sie haben die Pfandpflicht erfunden, die ich bloß umgesetzt habe.

2                  Eichsfeld

Seine politische wie berufliche Karriere startete Clemens Stroetmann im unteren Eichsfeld – meinem Wahlkreis. Als guter Katholik aus Hildesheim natürlich in der CDU. Hatte er doch zuvor sein Jurastudium schon in der katholischen Studentenverbindung Sugambria (Jena) Göttingen verbracht.

Damals hätten Sie nicht geglaubt, lieber Clemens Stroetmann, dass Ihnen heute ein ehemaliger Göttinger Hausbesetzer zum Abschied eine Laudatio hält. Der Hausbesetzer aber auch nicht.

Der ehemalige Umweltminister aber hat seine Gründe dafür. Dass Ihre administrative Karriere– erst Vizepräsident des Bundesgesundheitsamtes, dann Staatssekretär im Bundesumweltministerium abrupt endete, hatte eine Ursache.

Was hat Clemens Stroetmann mit Friedrich Merz und Edmund Stoiber gemeinsam?

Politisch nur so viel, dass alle drei Mitglieder der Union sind. Das war es dann.

Aber gemeinsam haben alle drei, dass sie von Angela Merkel abgemeiert wurden.

Dafür mag es bei Merz und Stoiber gute Gründe gegeben haben. Im Falle Clemens Stroetmann aber liegt der Fall anders.

Sie wurden wegen ´“unüberbrückbarer Differenzen“ 1995 entlassen.

Man kann auch sagen:

Gefeuert für Ihr Engagement für die Kreislaufwirtschaft.

3                  Kreislaufwirtschaft unter Druck

Deshalb bin ich gerne hergekommen. Sie haben sich in ihrem Leben – neben vielen anderen Themen – mit dem Einsatz für Mehrweg-Verpackungen, einem Thema verschrieben, das ein ganz zentrales ist: einer modernen, nachhaltigen und ökologischen Industriepolitik.

Einer Industriepolitik, die sich der Verantwortung Ihrer Produktionsweise bewusst ist.

Sie haben der Wegwerf-Logik den Kampf angesagt – und diesen Kampf führten Sie jetzt seit fast 30 Jahren.

Wer so etwas tut, macht sich Feinde. Seine Gegner, sind alle, die von der Externalisierung interner Kosten zu Lasten von Gemeinschaftsgütern wie Klima, Wasser, Boden profitieren.

Sie haben sich so mit mächtigen Interessen angelegt. Und eine schmerzhafte Wahrheit erfahren.

An der Regierung zu sein, heißt Macht zu haben – aber nicht die Macht zu sein.

In Wirklichkeit gibt es die Macht so wenig wie die Politik. Die Machtverhältnisse in Deutschland sind komplex. Macht ist auf viele Akteure verteilt.

Wer unter den heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umständen von Macht redet, muss von der Macht des Finanzmarktes sprechen, von der Macht der großen Unternehmen und Konzerne, von der Macht der Verbände und Lobbys, von der Macht der Medien – und der Macht der Zivilgesellschaft.

Im Zusammenspiel all dieser Akteure bilden sich die Machtverhältnisse in Deutschland heute. Und all das ist die Politik von heute.

Diese Vielfältigkeit wird oft unter dem Begriff des Lobbyismus zusammengefasst.

Doch dahinter verbergen sich einseitige Machtverhältnisse – ja eine extrem ungleiche Machtverteilung. Sie kann die demokratisch legitimierte Entscheidung der Mehrheit der Bevölkerung aushebeln.

Denn:

Lobby ist eben nicht gleich Lobby.

Es gibt starke Lobbys, schwache Lobbys. Es gibt gute Lobbys und schlechte Lobbys. Aber oft sind es gerade die wirtschaftlich stärksten Interessen, die sich oft durchsetzen.

Die Bewahrer des Status quo haben einen strukturellen Vorteil. Sie verfügen, ob Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) oder Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) über deutlich mehr Geld und mehr Kontakte als der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace, Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband oder die Deutsche Umwelthilfe oder Stiftung Initiative Mehrweg.

Die Lobbys des Status quo profitieren von der Angst vor jeglicher wirtschaftlicher Veränderung.

Wirtschaftlich kurzfristig orientierte Lobbys werden heute tendenziell stärker, ökonomisch langfristig orientierte werden schwächer.

Doch manchmal gewinnen auch die Vertreter langfristiger Interessen. Zum Beispiel beim Kampf um die Pfandpflicht zur Sicherung von Mehrweg.

Zunächst sah es für die Vertreter der Einweglobby gut aus. Als die gesetzliche Mehrwegquote verfehlt wurde, hat Frau Merkel sieht nicht etwa umgesetzt. Sondern sie hat sich so verhalten, wie Christian Linder bei der Einhaltung der Luftreinhalterichtlinie empfiehlt.

Werden Grenzwerte verletzt – werden diese eben geändert.

Der rheinischen Logik

Was nicht passt wird passend gemacht

haben Sie sich nicht hingegeben.

Als die Einwegindustrie dann auch Merkels abgesenkte Grenzwerte riss, wurde auf preußische Weise Recht und Gesetz umgesetzt. Dagegen gab es über 200 Klagen von großen Handelsunternehmen oder von Brauereien. Die Einweglobby hat alle diese Prozesse verloren.

Das hinderte den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement (damals SPD, heute FDP), nicht daran, noch einmal zu versuchen, mich in einem langen Gespräch zu einem Aussetzen der Pfandpflicht zu bewegen. Er versprach mir ein Papier mit einem Lösungsvorschlag.

Eine halbe Stunde später erhielt ich sein Fax. Allerdings nicht von einem Faxgerät der Landesvertretung NRW, sondern mit der Absenderkennung des Kaufhof am Alexanderplatz, in Berlin gegenüber dem Umweltministerium gelegen. Das Kaufhaus ist Eigentum jener Metro-Gruppe, die damals heftig gegen das Pfand kämpfte.

Am Ende hatte sich die Lobby der kurzfristigen Eigeninteressen nicht durchgesetzt.

Das ist die politische Botschaft. Deshalb können Sie, lieber Clemens Stroetmann sich über Ihre erfolgreiche Arbeit freuen.

Die Bundesregierung hat sich für die langfristigen Interessen und den Mittelstand entschieden.

4                  Lobby

Im Clement-Beispiel kommt der Lobbyismus dilettantisch daher. Mittlerweile aber

  • werden von Pharmalobbyisten komplette Textbausteine für Arzneimittelgesetze
  • Entwürfe zur Regulierung von Banken werden von Anwaltskanzleien gefertigt, deren Hauptmandanten eben diese Banken sind.
  • Ohne Karenzzeit wechselte Staatsminister Eckart von Klaeden vom Kanzleramt direkt auf den Cheflobbyisten-Posten bei Daimler.
  • Sein Kollege bei Volkswagen ist Ex-Regierungssprecher Thomas Steg.
  • Wurde der CDU-Wahlkampf vom ehemaligen Opel-Cheflobbyisten Joachim Koschnicke

Dieses Ausmaß des Lobbyismus ist exzessiv. Es ist so exzessiv, dass es die Demokratie gefährdet. Diesen Befund teile ich mit Hans-Jürgen Papier, dem ehemaligen Vorsitzenden des Bundesverfassungsgerichts.

Wir brauchen klare Karenzzeiten. Und wir brauchen ein verbindliches Lobbyregister.

Und dennoch spreche ich heute auf einem Event eines Lobbyverbandes zum Abschied seines Chefs.

Nochmal: Lobby ist nicht per se gut oder schlecht.

Deutschland verfügt über eine sehr vielfältige Landschaft von Verbänden und Interessensgruppen. Darin organisieren sich Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Religionen, weltanschauliche Gruppen und vieles mehr. Diese Verbände üben Macht aus.

Daran ist nichts auszusetzen, so organisiert sich unsere Gesellschaft. Demokratie ist auf diese Organisationen angewiesen, die Gesellschaft lebt in ihnen, demokratische Entscheidungsfindung muss sich mit der selbstorganisierten Gesellschaft verzahnen, sie einbeziehen. Verbände, Gewerkschaften, Initiativen, ja Lobbys gehören zur Demokratie.

Doch nicht überall wo Lobby drauf geklebt wird, ist auch Lobby drin.

Versucht wird etwa, den Begriff negativ gegen weltanschaulich getriebene Verbände zu wenden, dann redet man von der „Umweltlobby“ oder der „Tierschutzlobby“.

Dabei ist es hilfreich zu unterscheiden. Organisationen, die für bestimmte ethische Werte kämpfen, sind keine Lobbys.

Lobbys vertreten Interessen, nicht Werte. Deshalb sind Tierschützer keine Lobbyisten. Die Verbände der erneuerbaren Energien betreiben sehr wohl Lobbyismus die Deutsche Umwelthilfe (DUH) macht beides – wertegeleiteter Verband und Interessenvertretung von Verbrauchern wie Mittelständlern.

Und ja, auch die Stiftung Initiative Mehrweg vertritt Interessen. Sie ist ein Lobbyverband.

Woran man merkt: Man erkennt nicht an der Anwesenheit eines Lobbyisten, ob ein Anliegen richtig oder falsch ist.

Ihrem Anliegen stimme ich zu: Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft – das schafft regionale Wertschöpfung und Arbeit.

Und des halb geht es auch nicht um die Umwelt gegen die Wirtschaft. Die Wirtschaft gibt es gar nicht.

Selbstverständlich sind die Interessen von Windkraftunternehmen nicht deckungsgleich mit denen von RWE oder E-on. Und die von Wacker-Chemie sind nicht identisch mit denen von BASF.

Die Rede von der Wirtschaft dient dazu, die Machtverhältnisse in den großen Industrieverbänden zu verschleiern. Der Komment in diesen Verbänden wird von den großen Unternehmen – und hier in der Regel von den langsamsten der großen Unternehmen bestimmt.

Die größte Lüge des deutschen Wirtschaftslobbyismus ist die Behauptung, den deutschen »Mittelstand« zu vertreten. Mit diesem Begriff ist weder die Mittelschicht noch der wirkliche Mittelstand gemeint.

Dieser Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Rund zwei Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in seinen kleinen und mittleren Unternehmen. Sie erwirtschaften rund 40 Prozent aller Umsätze.

In den großen Wirtschaftsverbänden aber, die sich mit dem beliebten Mittelstand schmücken, in den großen Verbänden des BDI gibt nicht der Mittelstand, da geben die großen Konzerne den Ton an.

Und selbst in der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer, die sich scheinheilig als Die Familienunternehmer vermarkten, wird peinlich vermieden, eine Grenze zu ziehen zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen und Großunternehmen. So kann dann ein mehrfacher Milliardär als Mittelständler kostümiert durch die Talkshows ziehen und niemand lacht ihn aus.

Die Stiftung Initiative Mehrweg aber ist eine wirkliche Lobby des Mittelstandes – gegen die Metros, die Coca Colas, die Warsteiners.

Bei

Gute Lobby – schlechte Lobby

Steht sie auf der richtigen Seite. In ihrem Anliegen – aber vor allem in ihrer Transparenz.

5                  Dank

Das ist auch und wesentlich Ihr Verdienst, lieber Clemens Stroetmann.

Wenn ein erfahrener Kämpfer wie Sie das politische Parkett verlässt, ist diese Lücke nur schwer zu schließen.

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