Ansicht Moskau

Wenn Grüne eine Reise tun…

… ist die BILD-Zeitung garantiert zur Stelle, um aus dem Nichts einen Skandal zu konstruieren. So geschehen gerade erst bei Claudia Roths und Frithjof Schmidts Reise zu den von der Klimakrise am meisten betroffenen Regionen. Und jetzt hat es die Reise der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe getroffen.

Statt auf Fakten, Fakten, Fakten,  setzt die BILD von Julian Reichelt auf Fake News. Dazu gehört: gezieltes Weglassen, Spekulieren statt Nachfragen und faktenfreie, aber markige Kommentare.

Deshalb hier die Fakten:

  1. Die Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestages existieren seit 1957 und gehen auf eine Initiative der Interparlamentarischen Union (IPU) zurück, in der die Bundesrepublik Deutschland seit 1951 vertreten ist. Aktuell gibt es 47 Parlamentariergruppen (https://www.bundestag.de/europa_internationales/parlamentariergruppen/allgemein-244832 )
  2. Die Mitgliedschaft in den Parlamentariergruppen wird von den Abgeordneten selbst gewählt. Der Vorsitz aber wird im Ältestenrat bestimmt – durch ein Zugriffverfahren unter Berücksichtigung des Größenverhältnisses der Fraktionen. Eine Wahl oder Abwahl der Vorsitzenden ist nicht möglich. In der letzten Wahlperiode war Bernhard Kastner (CDU) Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag bis zur Neukonstituierung der Gruppen war ich amtierender Vorsitzender. Jetzt ist es durch die Entscheidung des Ältestenrates Robby Schlund (AfD). Die Stellvertreter sind Ingo Gädechens (CDU/CSU), Doris Barnett (SPD), Michael Georg Link (FDP), Gregor Gysi (Linke) und ich für die Grünen.
  3. Die Reise der deutsch-russischen Parlamentariergruppe von 17.6. bis 21.6.2019 nach Moskau und Kaluga ist der offizielle Gegenbesuch der Gruppe zu dem bereits erfolgten Reise der russischen Seite. Eine solche Reise findet einmal in der Legislaturperiode statt. Das Programm wurde von allen stellv. Vorsitzenden und dem Vorsitzenden in Kenntnis der Wünsche der russischen Seite vorbereitet. Verschiedenste Programmpunkte wurden im Vorfeld sehr strittig besprochen. Gegen den expliziten Wunsch der russischen Seite und teilweise auch des Vorsitzenden wurden von den stellv. Vorsitzenden aus CDU, SPD, FDP, Linken und Grünen gemeinsam durchgesetzt:
  4. Gespräch mit den deutschen politischen Stiftungen vor Ort – darin eingebettet ein ausführliches Gespräch mit der kriminalisierten russischen Zivilgesellschaft und Menschrechtsorganisationen.
  5. Gespräch mit Pawel Grudinin, erfolgreichster Gegenkandidat zu Putin bei der Präsidentschaftswahl 2018
  6. Teilnahme am Pressefest der deutschen Botschaft, zu dem auf unseren Wunsch hin auch oppositionelle Medien wie Meduza und deren Reporter Iwan Golunow eingeladen werden (auch wenn seine Teilnahme aus bekannten Gründen eher unwahrscheinlich ist). Die Delegation will sich so einen Eindruck den Bedrohungen für Presse, Journalist*innen und Blogger*innen machen.
  7. Unser expliziter Wunsch, dass die Pressekonferenz bei der Nachrichtenagentur TASS stattfinden solle, wurde von der russischen Seite abgelehnt. Ein Besuch in den Redaktionsräumen von Russia Today wurde von uns abgelehnt. Die jetzt beim Medienhaus Rossija Segodnya geplante Pressekonferenz wird deshalb ohne Beteiligung der stellvertretenden Vorsitzenden stattfinden.
  8. Alle Fraktionen sind bei der Reise vertreten – darunter fast alle stellvertretenden Vorsitzenden.
  9. Außerdem standen auf dem Programm u.a. Gespräch mit der russischen Delegation der russisch-deutschen Parlamentariergruppe, dem Auswärtigen Ausschuss der Duma, dem stellv. Russischen Außenminister Titow und der Besuch des VW-Werkes in Kaluga sowie auf expliziten Wunsch der russischen Seite ein Besuch bei der Moskauer Niederlassung von Gazprom auf dem Programm.

Gerade in schwierigen Zeiten und bei angespannten Beziehungen, in denen sich unsere Länder wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem aggressiven militärischen Vorgehen Russlands in der Ostukraine befinden, in dem die Spielräume für die Zivilgesellschaft in Russland immer enger werden, ist Sprachlosigkeit gefährlich. Wir haben als Parlamentarier immer daran festgehalten, dass Dialog möglich sein muss – denn nur so kann Kritik auch direkt eingebracht werden.

Die von der BILD aufgeworfene Frage, warum wir überhaupt in einer Delegation unter dem formellen Vorsitz eines AfD-Abgeordneten nach Moskau reisen, hätte ich der Redaktion gerne beantwortet – allerdings hat sie nie gefragt.

Aber die Antwort ist klar: wären alle stellvertretenden Vorsitzenden bzw. weiteren Mitglieder der Parlamentariergruppe zu Hause geblieben, hätte die Reise des Vorsitzenden trotzdem stattgefunden. Allerdings ohne Treffen mit Stiftungen, unabhängige Medien und Opposition – und mit mindestens einem Auftritt bei Russia Today. Das zu verhindern war die klare Übereinkunft aller weiteren Mitglieder der Delegation.

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2 Kommentare

  1. Irina

    2016 gab es in Russland keine Präsidentschaftswahl. Sie meinten wahrscheinlich 2018, wo Grudinin wirklich gut abgeschnitten hat.

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