Die verlogene „Technologieoffenheit“ der fossilen Lobby

Das fossile Imperium schlägt zurück. Getrieben von der politischen Rechten geraten Klimaschutz und Energiewende global in die Defensive. Das trifft auch die Wissenschaft. Meine Rede am 26. Juni 2025 auf der Beiratsitzung des IKEM in Meisenheim:

1 Der Rat vom Beirat

Liebe Mitarbeitende und Freunde des IKEM,
lieber Markus Pape,

Ich habe eine schlechte Nachricht für Euch. Der Vorsitzende des Beirats, Christian Held, hat mich gebeten, Euch vom Abendessen abzuhalten.

Da konnte ich nicht Nein sagen.

Der Beirat des IKEM hat heute schon in den AGs an den Empfehlungen zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung mitgearbeitet. Wir Beiräte sollen aber- so steht es auf er Homepage – das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität auch in der strategischen Ausrichtung beraten.

Die Arbeit des IKEM findet in einem fundamental veränderten strategischen Umfeld statt.

Klimaschutz ist kein Konsens mehr.1

Hieß es bis vor Kurzem selbst bei den dreistesten Vertretern fossiler Interesse gerne Selbstverständlich sind wir für Klimaschutz, aber mit Vernunft und effizient – so wird auf diesen Schönsprech mehr und mehr verzichtet. Offen wird nicht nur beim BDI für eine fossile Laufzeitverlängerung, für eine Abkehr von Europas und Deutschlands Klimazielen geworben geworben. Vornweg die ehemalige Gas-Lobbyistin und -Managerin Katherine Reiche, jetzt Ministerin für Wirtschaft und Energie.2

Klimaschutz ist zu einem polarisierenden Thema geworden. Die Energiewende wird offen angegriffen – nicht nur in Deutschland.

Global schlägt das fossile Imperium zurück.

Der Verlust gesellschaftlicher Diskurshoheit hat Auswirkungen auf Arbeitsweise aber auch Ausrichtung wissenschaftlicher Arbeit und Forschung. Darüber müssen wir uns im IKEM Klarheit verschaffen.

2 Trumps Rache an der Wissenschaft

Was das für Wissenschaft heißt, erleben wir gerade in den USA. Der globale Rechte hat drei Feindbilder: „Neger“ „Transen“ „Ökos“. Gemeint sind Black and Indian People of Colour, Diversität und Klimaschutz.

Lassen wir den Rassismus hier einmal außen vor. Der Kampf gegen die Wokeness steht zur Rechten ganz oben. Die Idee mit anderen Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Orientierung achtsam umzugehen, wurde als „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ denunziert. So erfolgreich, dass sich selbst der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ähnlich vernehmen ließ.

Heute werden Universitäten und Unternehmen in den USA und in Europa von der Trump-Administration gezwungen, ihre Diversitätsprogramm zu streichen. Auch Deutschlands SAP aus Walldorf buckelte eilfertig vor Trump.

Genderstudies verloren jede Förderung. Wer aber gedacht hatte, der Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit beschränke sich auf die Sozialwissenschaften irrte.

Trumps Angriff auf die Wissenschaft trifft besonders die harte Naturwissenschaft.

In den USA wird die staatliche Förderung für Geowissenschaften, für Weltraumforschung, für Meteorologie, kurz für die Grundlagen der Klimaforschung zusammengestrichen. Auch auf die Gefahr hin, dass die USA künftig blind in kommende Naturkatastrophen stolpern.

Eine Regierung, die angetreten ist, die Wissenschaftsfreiheit vor der Wokeness zu retten, macht naturwissenschaftliche Grundlagenforschung unmöglich.

Es gibt dafür einen einfachen Grund. Trump hat ein Verbot für den Bau neuer Off-Shore-Windparks verhängt, 300.000 Arbeiter der Solarbranche zittern um ihren Job. Er will lieber nach Öl und Gas bohren als im Pariser Klimaschutzabkommen zu bleiben. Dem orangen Fossil passen die Forschungsergebnisse nicht.

Während Peter Thiel und Elon Musk im Wissen um die Folgen einer Klimakatastrophe autonome Gemeinschaft auf der Erde und dem Mars für Reiche vorbereiten, gilt für Trump:

Weil mir die Botschaft nicht passt, halte ich den Menschen die Ohren zu.

Das fossile Geschäftsmodell darf nicht durch unbequeme Erkenntnis gefährdet werden. Es ist sehr fraglich, ob Forschung in Europa den Wegfall der US-Geowissenschaften zur Klimaforschung auch nur annähernd kompensieren kann.

Verbote treffen nicht nur die Wissenschaft. Fonds, Institutionelle Anleger oder Versicherungen wie Blackrock, die Allianz oder MunichRe wird die Propagierung nachhaltiger Geldanlagen untersagt Ihnen drohen aufsichtliche Maßnahmen. Die Unternehmen mussten die von ihnen mit gegründete „Net-Zero Insurance Alliance“ verlassen.3

Im letzten Jahr sind bei Zweidrittel der 65 größten Banken der Welt die ausgereichten Kredite und verbürgten Anleihen für fossile Projekte der zum ersten Mal wieder angestiegen.4

Alles ist Folge von brutalen Eingriffen in den Markt. Der Generalangriff auf Klimaschutz und die Erneuerbaren steht auf Kriegsfuß mit Wettbewerb und Marktwirtschaft.

Fossile mangelt es an Wettbewerbsfähigkeit.

Die Bilanz dazu hat die IEA veröffentlicht. Im letzten Jahr gingen rund 560 GW Erneuerbare Kapazitäten ans Netz. Nur halb so viele waren es an fossilen Kapazitäten. Von den wenigen GW AKW Nischentechnologie ganz zu schweigen.5

Über die Hälfte dieser Investitionen erfolgte in China. Dort erfolgt heute schon der Umstieg von Öl auf Strom im Massenmarkt der Mobilität. Die USA wollen diesen Umstieg bremsen. Auch in Europa wird zunehmend auf Laufzeitverlängerung für Öl und Gas gesetzt.

Für Klimaschutz und Erneuerbare ist China in Wirtschaft und Wissenschaft künftig eher Kooperationspartner als die USA.

Doch ob Europa den Weg des Klimaschutzes weiter gehen will, ist offen.

3 Europa dreht zurück

Die vorletzte Europäische Kommission hatte mit dem Green New Deal einen historischen Schritt nach vorne gemacht: mit verbindlichen Ausbauzielen für Erneuerbare, dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050, dem Verbrennerverbot, mit der Einführung des Emissionshandels 2.

Der Green New Deal steht massiv unter Druck. Ursula von Leyens Zauberwort heißt nicht mehr Klimaschutz, sondern Entbürokratisierung. Gemeint ist – wie bei Musks Behördenkahlschlag in den USA der Abbau von Klima- und Umweltstandards.

Die neue EU-Kommission unter der alten Präsidentin setzte die Strafgelder für die deutsche Autoindustrie wegen des Verfehlens ihrer Einsparpflichten aus. Wer glaubt, dass dies die Autoindustrie besänftige, irrt Inzwischen fordert der VDA eine Ende des Verbrennerverbots. Man halte Hildegard Müller den kleinen Finger hin und sie reißt Dir den Arm ab.

Bürokratieabbau wird in Europa und Deutschland zum Synonym für die Rückabwicklung des Green New Deal.

Um das durchzusetzen, kooperieren Konservative immer öfter mit den Faschisten im Europäischen Parlament.

Ob dagegen aus den Mitgliedstaaten nennenswerter Widerstand kommt, ist mehr als fraglich. In Frankreich gab es jüngst eine rechte Mehrheit in erste Lesung für ein Verbot von Wind- und Solarparks. Mit ihnen sollte der wachsende Strombedarf durch E-Autos-Wärmepumpen und in der Industrie gedeckt werden.

Selbst im Atomkraftland Frankreich glaubt niemand daran, vor 2039 neue AKWs am Netz zu haben. Der wachsende Strombedarf ist dann nur durch mehr Gasimporte zu decken. Das erhöht die Abhängigkeit Frankreichs von Autokraten diesseits und jenseits des Atlantiks. Prompt will Macron jetzt das Klimaziel 2040 kippen – womit auch 2050 Makulatur würde.

Es untergräbt Europas Souveränität.

Was lehrt uns das für unsere Arbeit? Zwei Sätze sollten wir künftig zurückweisen:

1. Wir haben gleiche Ziel, aber müssen auf Weg dahin flexibel sein.

Wer so redet, will das Ziel auf dem Weg verdursten lassen.

2. Wir brauchen Technologieoffenheit.

Technologieoffenheit meint fossile Laufzeitverlängerung.

Die fossilen Propagandisten sind kein Stück technologieoffen.

4 Reiches Retro Lobby

Womit wir bei der Black-Rot-Koalition und Katherina Reiche wären. Die neue Wirtschafts- und Energieministerin, ehemalige Gas-Lobbyistin und -Managerin ist das deutsche Gesicht des fossilen Imperiums. Das mit dem Bock, der jetzt Gärtner ist, gender ich jetzt mal nicht.

Ähnlich Frankreich soll der von Robert Habeck beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren abgebremst werden. Angeblich brauchen wir nicht so viel Strom – dafür soll es nun eine neue Studie geben. Die wird nicht beim IKEM in Auftrag gegeben. Das kommt von den gleichen Kräften, die jahrelang erzählt haben, es drohten die Lichter auszugehen, wenn nicht drei Alt-Reaktoren weiterlaufen würden.

Obwohl wir nicht so viel Strom brauchen, sollen in Süddeutschland, zwanzig neue Gaskraftwerke gebaut werden – die nicht mehr Wasserstoff-ready sein müssen. Dafür aber sollen sie aus Steuergeldern subventioniert werden, weil es sich nicht rechnet, für 5 von 365 Tagen im Jahr bereitzustehen.

Subventionierte Gaskraftwerke sind weder technologieoffen noch binnenmarktskonform. Sie halten den Strompreis hoch.

Technologieoffenheit hieße, die Kapazitätsleistung zur Sicherung der Stromversorgung offen auszuschreiben. Dann könnten sich auch große Batteriespeicher oder Pumpspeicher darauf bewerben.

Binnenmarktkonform auszuschreiben hieße, dass in Europa jeder sich auf die Erbringung dieser Kapazitätsleistung bewerben könnte. Das aber scheint der selbst ernannten Ordnungspolitikerin Reiche zu viel der Marktwirtschaft zu sein.

Wer auf Gas in der Stromversorgung setzt, hält den Strompreis hoch, weil die Kostensenkungen der Erneuerbaren durch den Merit Order Effekt ausgebremst werden. Dazu passt der Wortbruch, die Stromsteuer für die Verbraucher nicht zu streichen. Es gib kein Klimageld und keine Strompreissenkung.

Black-Rot ist eine Gaskoalition.

Noch ist es nicht so weit, dass sich die Befürworter einer Wiederinbetriebnahme von NordStream 2 in der Union durchgesetzt hätten. Doch SPD und CDU wollen die fossile Gas-Reserve aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlen. Das kostet ein Fünftel der 10 Mrd. neu zur Verfügung gestellten Mittel für Klimaschutzinvestitionen.

Eine Rolle rückwärts beim Klimaschutz gefährdet mehr als die wieder 350.000 Arbeitsplätze in der Erneuerbaren Industrie. Die deutschen Heizungsbauer erleben gerade, was die auf die Lügen aufgebaute Kampagne von BILD und der Gaslobby gegen das Gebäudeenergiegesetz für Folgen für sie hat: Investitionsattentismus.

Konzentriert sich die deutsche Autoindustrie weiterhin darauf schwere SUV-Hybrid als Ökoautos anerkannt zu bekommen, geht es ihr ähnlich. Es wird die Elektromobilität nicht aufhalten. Nur dass die Unter- und Mittelklasseautos dann in China entworfen, in Ungarn gebaut und von BYD statt VW verkauft werden.

Reiches Retro Lobby ist eine Gefahr für den Industriestandort Deutschland.

5 IKEM: Fakten gegen Ideologie

In diesem strategischen Umfeld wird IKEM arbeiten müssen. Einem Umfeld, in dem Fakten weniger zählen, ja unter Verdacht gestellt werden.

Dennoch muss das alte Focus-Motto unsere Leitlinie bleiben:

Fakten, Fakten, Fakten

Aber es wird darauf ankommen. Schwerpunkte zu setzen. Soll der Diskurs gegen Klimaschutz und Erneubare durchbrochen werden, gilt

Wir müssen stärker ökonomisch argumentieren.

Wir müssen zu einer Regulierung arbeiten, in der negative Strompreise genutzt werden, Wasserstoff zu erzeugen und Batteriespeicher zu füllen.

Wir brauchen für eine klimaneutrale Stahlerzeugung Instrumente wie CBAM.

Wir brauchen mehr und nicht weniger europäisches Netz.

Gerade zu Fragen der Regulierung hat das IKEM viel zu bieten.

Doch vor der Arbeit kommt der Genuss.

Und so schlimme Botschaften kann ich gar nicht verbreiten, dass Markus Papes Küche sie nicht vergessen lässt – zumindest bis morgen früh.

Vielen Dank.


1                   Nur 54 % fanden Umwelt und Klimaschutz 2024 „sehr wichtig“, in der Wichtigkeit landeten sie auf Platz 7 der wichtigen Themen. Vergl. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/ubs24_chartbook_0.pdf

2                   https://www.welt.de/wirtschaft/article256301048/tag-der-industrie-und-dann-stellt-die-neue-wirtschaftsministerin-das-klimaziel-2045-infrage.html

3                   https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/versicherer/rueckversicherer-muenchener-rueck-tritt-aus-klima-allianz-aus-kartellrisiken/29073244.html

4                   https://www.bankingonclimatechaos.org/wp-content/uploads/2025/06/BOCC_2025_FINAL2_WEB_spreads.pdf

5                   https://www.iea.org/reports/world-energy-outlook-2024/executive-summary?ref=aussienomics.com&language=de