Stiftungspräsident Jens Eckhoff mit Jürgen Trittin

Mehr Offshore wagen

20 Jahre Stiftung Offshore Windenergie: Gut für Klima, Industrie, Jobs und Resilienz

Die Zukunft der Stromversorgung, klimaneutral und atommüllfrei: So schnell kann es gehen. Vor 20 Jahren gab es keine Offshor-Produktion. Heute liefern deutsche Windparks in der Nord- und Ostsee 25 Terrawattstunden, sparen 20 Millionen Tonnen Treibhausgase und geben 50.000 Menschen Arbeit. Die dadurch drastisch gesunkenen Stromkosten haben weltweit den Boom der Erneuerbaren möglich gemacht. In der neuen Blockkonfrationen zwischen Petrostaaten und Elektrostaaten verschaffen Erneuerbare Resilienz. Deshalb gilt heuter erst recht: Mehr Offshore wagen.

Dear Cathrin Boyd,
Lieber Jörg Kuhbier,
sehr geehrter Herr Präsident, lieber Jens,
Sehr geehrte Frau Prall,
sehr geehrte Frau Würtz,
Moin!

Ich danke für die Einladung zu 20 Jahre Stiftung Offshore Windenergie.

1 Energiewende

In einem längeren politischen Leben muss man mit den Folgen des eigenen Handelns leben. Das ist mir im Sommer 2024 passiert.

Ich fuhr mit dem Halunderjet auf der Elbe von Hamburg Richtung Helgoland. Backbord lag das stillgelegte Atomkraftwerk Stade. Dort hatte ich 2003 eine Abschaltparty gefeiert – zehn Jahre vorher waren wir in der niedersächsischen Landesregierung mit der Stilllegung von Stade noch gescheitert.

Kurz darauf kam steuerbord Brokdorf – ebenfalls stillgelegt. Dort hatte meine Generation 1977 mit Seilen versucht, den Bauzaun einzureißen. Brokdorf lag genauso still da wie Brunsbüttel. Vor Brunsbüttel drehte sich schon lange ein Windrad.

Als wir auf die Nordsee kamen, hatten wir die Vergangenheit der deutschen Stromerzeugung hinter uns gelassen. Kurz hinter Helgoland erwarteten uns die großen Offshore-Parks.

Wir blickten auf die Zukunft der Stromversorgung, klimaneutral und atommüllfrei.

Die Reise nach Helgoland war zu einer Tour de Energie geworden, bei der die Energiewende erfahrbar wurde. Dank an Martin Skiba und das World Forum Offshore Wind dafür.

2 Von 0 auf 300

Wer hätte das gedacht, als vor 20 Jahren die Stiftung Offshore Windenergie startete. Special envoy des Ministeriums war damals ein ehemaliger Verwaltungsrichter. Ich freue mich heute Abend Udo Paschedag hier zu begrüßen. Er hat die eigentliche Gründungsurkunde wieder ausgegraben. Es ist die von ihm gezeichnete Ministervorlage über den „Sachstand der Gründung der Offshore-Stiftung“vom 27. Juli 2005. Sie wurde von mir mit „Zusage“ in grün am 08. August abgesegnet.

Damals gab es in Deutschland keinen Strom aus Offshore-Anlagen. In Dänemark und Großbritannien gab es 2002 eine Kapazität von 0,3 GW.

2023 Jahre später liefern 25 Windparks in der deutschen Außenwirtschaftszone 25 TWh. In Europa sind es gerade auch Dank unserer Gastgeber heute 130 TWh aus einer Kapazität von 34 GW.

Der Ausbau der Offshore-Industrie ist eine industrielle Erfolgsgeschichte.

Sie hat Milliardeninvestitionen ausgelöst. Aktuell werden in Europa pro Jahr 20 Mrd. € in neue Offshore-Anlagen investiert. Für die Erreichung der EU-Klimazielen werden 800 Mrd. € zu investieren sein.

Ich bin Bremer. Ich habe erlebt, wie die Werftindustrie bei der AG Weser beim Bremer Vulkan zusammenbrach. In dieser Industrie verdiente mein Onkel Kurt als Schmied sein Geld. Von den Werften blieb der Spezialschiffbau für die Marine, der Jachtbau für Oligarchen und Scheichs bei Lürssen und der Kreuzfahrtschiffbau im Binnenland bei Meyer Papenburg – inzwischen verstaatlicht.

Die Windenergie brachte die Industrie an die Küste zurück.

Allein in der deutschen Offshore-Industrie arbeiten heute 50.000 Menschen. In Europa sind es 300.000 Menschen.

Alls dies geht auch auf das Wirken der Stiftung Offshore Wind zurück. Sie haben das Wissen, die Risikobereitschaft wie die Mittel gebündelt, diesen Prozess auf den Weg zu bringen.

Das war eine große klimapolitische Leistung. Offshore-Wind sparte 2023 20 Millionen Tonnen Treibhausgase ein – Tendenz wachsend. In Europa waren es fast 100 Millionen Tonnen.

Vor allem aber hat die Stiftung die Lernkurve mitorganisiert, die zu einer Kostensenkung sondergleichen führte. Vor 20 Jahren lagen die Kosten noch bei gut 20 Cent für die Kilowattstunde – also ungefähr, der Preis für den ein neues Atomkraftwerk Strom liefern könnte.

Größere Anlagen, höhere Volllaststunden, zuverlässigere Technik haben die Kosten drastisch sinken lassen. Heute liegen sie bei 4 – 8 Cent die Kilowattstunde. Damit sind sie niedriger als in neuen Kohle-, Öl, und Gaskraftwerken.

Ihre Pionierleistung hat Erneuerbare wettbewerbsfähig gemacht und die Kosten für Strom gesenkt.

Das hatte globale Folgen.

3 Fossile auf der Verliererstraße

Ich war neulich in Basel. Dort steht über einem der Tore: „Gut vorgehen macht gut folgen“. Das ist die Antwort auf den zur Rechten beliebten Spruch, Deutschland wäre nur für 2 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich – da würde niemand es merken, wenn wir Klimaschutz betrieben.

Tatsächlich hat die vor 25 Jahren in Deutschland begonnene Energiewende durch ihre Kostendegression Erneuerbare weltweit wettbewerbsfähig gemacht.

Sie als Stiftung sind dabei gut vorgegangen. Andere sind ihnen gefolgt.

Inzwischen sind global 75 GW Offshore installiert. Die lieferten Ende 2023 über 300 TWh Strom.

Grundlage dafür waren die in Deutschland ausgelösten Kostensenkungen. Diese haben einen globalen Markt für Erneuerbare geschaffen, für Strom aus Sonne und Wind, Onshore wie Offshore.

Dieser Markt floriert. Das ist in den Statistiken der Internationalen Energie Agentur wie der Irena nachzulesen. Im Jahr 2024 gingen 585 GW erneuerbare Stromerzeugungskapazität weltweit ans Netz. Das waren 92,5 Prozent aller neuen, globalen Stromkapazitäten. Heute teilen sich Kohle, Öl, Gas und Uran eine Marktnische von 7,5 Prozent.

Zum ersten mal war der Zubau erneuerbarer Kapazitäten höher als die weltweit wachsende Stromnachfrage. Elektrifizierung ist der Weg um Wärme und Mobilität klimaneutral zu machen. Dekarbonisierung führt über E-Autos, Wärmepumpen und grünem Wasserstoff.

Die Energiewende hat die Grundlage zur Dekarbonisierung der Welt geliefert.

Anstatt das als Ansporn zu sehen, wird in der Bundesregierung lieber über die Nische der Nische gesprochen. So träumt Markus Söder von neuen Mini-Atom-Kraftwerken. Die Firma Nu Scale hatte solche Kraftwerke versucht zu bauen – bis zu ihrem Konkurs 2023. Sie hatte sogar eine Genehmigung des US-Energieministeriums. Doch der Strom aus diesen Anlagen war dreimal so teuer wie Solar- und Windstrom. Das Ende von Nu Scale kommentierte ihr CEO so: „Sobald man auf einem toten Pferd sitzt, steigt man schnell ab.“1 Söder dagegen möchte den toten Gaul reiten.

Tatsächlich haben nicht nur Atomkraftwerke, sondern auch Kohle- und Gaskraftwerke das Rennen gegen die Erneuerbaren verloren. Sie sind nicht wettbewerbsfähig.

Die fossile Lobby weiß das sehr genau.

Wegen der Wettbewerbsfähigkeit der Erneuerbaren setzt die Bundesregierung auf mehr fossile Subventionen.

Sie will die jährlich gut 60 Mrd. klimaschädlicheren Subventionen vermehren statt abbauen. Während 1000 GW Batteriespeicher in Deutschland auf Anschlusszusagen der Netzbetreiber warten, wollte Katherine Reiche 20 GW Gaskraftwerke für wenige Stunden Dunkelflaute subventionieren. Dank der EU-Kommission bleibt es bei den bereits beantragten 8 GW – wasserstoff-ready. Und Reiche muss den Habeck machen.

Doch Subventionen sind nicht der einzige Weg zugunsten der Fossilen den Markt kaputtzumachen. Merz und Klingbeil schenken profitablen Unternehmen wie Lufthansa und Ryanair 750 Mio..Sie streichen die Luftverkehrsabgabe. In der EU werden Klimaziele aufgeweicht. Der Emissionshandel 2 wird verschoben. Die Chemieindustrie will den vor zwanzig Jahren eingeführten Emissionshandel 1 gleich ganz wieder abschaffen. Donald Trump fordert von der EU, den Kohlenstoffgrenzausgleich CBAM nicht einzuführen.

Zu einem Zeitpunkt, in dem Erneuerbare ihre wirtschaftliche Überlegenheit bewiesen haben, droht in Deutschland, droht in Europa, droht weltweit ein fossiles Rollback.

Das fossile Rollback forciert sich gerade wegen der Erfolge der Erneuerbaren.

Das führt in einer neuen Blockkonfrontation.

4 Elektrostaaten vs. Petrostaaten

Petrostaaten versus Elektrostaaten lautet die neue geopolitische Auseinandersetzung.

Nach der Ölkrise 1973 dachte man bei Petrostaaten an Scheichs und die OPEC. Das sind jene, die bei Klimakonferenzen blockieren, eine UN-Konvention gegen Plastik verhindern.

Heute ist Russland ein Petrostaat, dessen gesamte Volkswirtschaft vom Export von Öl und Gas abhängt. Auch die USA sind ein Petrostaat. Sie waren und sind als Swingproducer in der Lage, die Öl- und Gaspreise stärker zu beeinflussen, als es die notorisch zerstrittene OPEC+ schafft.

Die USA wie Russland gründen einen Teil ihrer geopolitischen Macht auf fossile Energien „Energy dominance is not a slogan—it is a cornerstone of national power“ umschreibt die Heritage Foundation die „Strategische Doktrin“ der Trump-Administration.2

Energiedominanz funktioniert so lange, wie andere Länder gezwungen sind, ihre Energie zu importieren. Energiedominanz wird mit allen Mitteln verteidigt.

Trump will mit Gewalt Öl und Gas eine Laufzeitverlängerung gegen den Markt verschaffen.

Deshalb streicht er die Klimaforschung, verbietet Windparks, subventioniert neue Bohrungen nach Öl und Gas. Er erpresst die EU, für 750 Mrd. € Frackinggas zu kaufen. Die 450 Mio. $ die Öl- und Gaskonzerne in seinen Wahlkampf investiert haben, waren gut angelegt. Neun Monate nach Amtsantritt von Trump belaufen sich ihre geldwerten Vorteile gut 45 Mrd. $.

Es gibt Staaten, die sich anders als die EU nicht einfach erpressen lassen. Sie wollen sich der fossilen Energiedominanz der USA nicht unterwerfen. Vorneweg ist hier China zu nennen. Die Hälfte der Investitionen für die 585 GW neuer Stromerzeugung fand in China statt.

China macht das nicht primär für den Klimaschutz. Allerdings sanken Chinas Treibhausgasemissionen zuletzt. China setzt auf Erneuerbare und E-Autos, auf Batterietechnik und grünen Wasserstoff aus Gründen der Industriepolitik und weil es ihm zu mehr Souveränität verschafft.

Der Ersatz von Verbrennungsprozessen durch Elektrizität für Strom. Mobilität und Wärme ist nicht nur Grundlage für die Dekarbonisierung.

Im Kampf Petrostaaten gegen Elektrostaaten stärken Erneuerbare Chinas Souveränität.

Europa ist in der gleichen Lage wie China. Mangels eigener Ressourcen wird Europa kein Petrostaat werden können. Wir haben nur die Wahl ein Elektrostaat zu werden – oder uns weiter von Autokraten wie Putin oder Trump erpressen zu lassen.

Deshalb müssen wir mehr in Erneuerbare investieren – und dürfen nicht auf die Bremse treten. Deshalb müssen wir den Emissionshandel stärken nicht schwächen, ihn ausweiten statt zu verschieben. Deshalb muss der Hochlauf von E-Autos beschleunigt und nicht gebremst werden. Deshalb braucht es weiter ambitionierte Klimaziele.

Das alles ist gut für den Klimaschutz. Es hält Wertschöpfung und Industrie in Europa. Es schafft Jobs. Vor allem aber:

Es stärkt die Souveränität Europas.

Deswegen müssen wir den Offshore-Ausbau fortsetzen.

5 Mehr Offshore wagen

In den letzten 25 Jahren hat sich die Offshore-Windenergie von einer teuren Nischentechnologie zu einer globalen, wettbewerbsfähigen Schlüsselindustrie entwickelt. Sie ist nicht nur eine Säule des Klimaschutzes und ein Jobmotor.

Offshore liefert einen wichtigen Beitrag, gerade zur Stabilisierung der Netze. Das möglich gemacht zu haben, ist mit Ihr Verdienst in der Stiftung Offshore Windenergie

Deshalb erfüllt es mich mit großer Sorge, dass die letzte Ausschreibung für Wind auf See leer gelaufen ist. Das ist zwar ein Alarmzeichen, aber an sich noch kein Beinbruch.

Das Gleiche geschah schon in Dänemark, zweimal in Großbritannien. Doch anders als hier wurde das in diesen Ländern wenige Monate später nachgeholt – mit Erfolg. Dort gibt es Contracts for Difference.

Laut der Bundesnetzagentur soll die Ausschreibung 2026 wiederholt werden – im Wirtschaftsministerium ist gar von 2027 die Rede. Die notwendige Änderung des Wind-auf See-Gesetzes ist nicht in Sicht.

Es gibt viel zu tun – warten wir es ab ist kein gutes Motto für Energiepolitik.

Zum 20sten der Stiftung Offshore Windenergie empfehle ich ein anderes Motto:

Mehr Offshore wagen.

Das ist gut für Klima, Industrie, Arbeitsplätze und Europas Resilienz.

Vielen Dank.


1                   https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/usa-auftraggeber-stoppt-mini-atomkraftwerk-weil-solar-und-windenergie-guenstiger-sind-a-48acf8f6-5447-4966-bfd4-439315f0ff7c

2                   https://www.heritage.org/energy/commentary/why-american-energy-dominance-strategic-imperative