Hollande und Renzi verteidigen das Erbe Helmut Kohls gegen Merkel

Vom europäischen Deutschland zum deutschen Europa

Am Ende stand ein Kompromiss. Alexis Tsipras kann sich zu Gute halten, dass der von Deutschland geforderte #Grexit abgewendet wurde und endlich eine kleine Perspektive für die Senkung der Schuldenlast Griechenlands besteht. Deutschland kann sich rühmen, Griechenland zu härteren Sparanstrengungen gezwungen und den IWF weiter an Bord behalten zu haben.
Also ein typischer EU-Kompromiss, nach dem alle nach Hause fahren und sich der eigenen Erfolge rühmen können? Nein, in den Verhandlungsmarathon ist etwas kaputt gegangen, im gemeinsamen Europa. Wie – insbesondere Deutschland aber mit ihm viele nord- und osteuropäischer Länder – gegen den Süden Europas vorgegangen sind, da ging es um mehr als den Kampf zweier wirtschaftspolitischer Linien.

Das Deutschland der großen Koalition hat eine dramatische Kehrtwende seiner europapolitischen Grundausrichtung vorgenommen. Zum ersten Mal verlangte eine deutsche Regierung mit dem Plädoyer für einen #Grexit einen institutionellen Rückschritt in einer einst „immer engeren“ (EU-Vertrag) Union – und wollte dafür auch den Bruch mit Frankreich in Kauf nehmen. Es war die Wende von der Idee eines europäischen Deutschlands zurück zu einem deutschen Europa. Ein „herrisches, ein herzloses Deutschland“  (Reinhard Bütikofer) inszenierte sich als Zuchtmeister Europas.
Es ist der Beharrlichkeit von Frankreichs Hollande, Italiens Renzi, Österreichs Faymann aber auch des Christdemokraten Juncker zu verdanken, dass das Erbe Helmut Kohls gegen eine deutsche Bundesregierung mit Mühe verteidigt werden konnte.
Die Europäische Union hat großen Schaden erlitten. Nicht nur, weil die deutschen Krisenrezepte im Rest der Welt  nur Kopfschütteln auslösen. Sie können bis heute die Staatsverschuldung wie die Arbeitslosigkeit auch in Spanien und Irland nicht eindämmen – was die Legitimation Europas in Frage stellt.
Zerstörerisch aber ist nicht der wirtschaftspolitische Dissens zwischen Nord und Süd in Europa. Zerstörerisch ist die Ansage, solche Konflikte nicht mehr in der Union sondern im Zweifel durch Rausmobben zu lösen. Es ist die Absage an die europäische Grundüberzeugung, dass wir auf diesem Kontinent zu unserem Vorteil vereint sind.

Ich habe mich an diesem Wochenende für mein Land, für diese Regierung, geschämt.

Die Revision der deutschen Europapolitik der letzten Jahrzehnte wurde am Bundestag vorbei inszeniert. Über den deutschen Plan zum #Grexit informierten Merkel und Schäuble zwar Gabriel, aber leugneten ihn auch auf Nachfrage in den zahllosen Unterrichtungen der Ausschussobleute.
Am Ende wird man zu diesem Kompromiss zwischen dem erpresstem Tsipras und  dem zum Glück bremsenden Hollande nicht Nein sagen. Die Alternative wäre noch weniger Europa. Es ist aber an der Zeit, den Kampf um die Grundlagen dieses, unseres gemeinsamen Europas aufzunehmen. Gegen jene Parteien, die mit dem Erbe von Adenauer und Kohl wie Brandt und Schmidt so geschichtsvergessen umgehen.

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