Irrweg Protektorat: Zeit für eine politische Lösung in Afghanistan

Es ist vergleichsweise einfach, einen Krieg zu beginnen. Unendlich schwieriger ist es, einen begonnen Krieg zu beenden. Und noch schwieriger ist es, einen Krieg zu beenden, bei dem die Ziele nicht oder nur teilweise erreicht wurden. Die Rede ist von Afghanistan.

Neue Kriege

Es gelang der Internationalen Gemeinschaft, mit einem Mandat der Vereinten Nationen die Taliban-Regierung zu stürzen und so diese Bedrohung durch Terrorismus zu mindern. Gescheitert ist man daran, eine Demokratie nach westlichen Muster zu errichten. Ein durchaus typischer Verlauf für die asymmetrischen Konflikte, die die Kriege unserer Zeit sind.

„No victors – no vanquished“ so formulierte Barack Obama den üblichen Ausgang solcher Kriege. Keine Sieger, keine Besiegten. Am Ende steht ein politisch verhandelter Kompromiss. Der ist in Afghanistan noch nicht erreicht.

Dort hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Die Taliban haben sich ausgebreitet – stellt ein Bundeswehr-Report fest.[1] Und das obwohl seit einem Jahr die Afghanen selbst für ihre Sicherheit verantwortlich sind und sie von NATO-Einheiten nur beraten und ausgebildet werden, die seit nunmehr 14 Jahren im Lande sind. Die Ausbildungsmission Resolute Support hatte 2014 den Kampfeinsatz ISAF in Afghanistan abgelöst – und sollte die militärische Präsenz 2016 geordnet beenden.

Auf Irrwegen

Dieser Weg war schon lange beschlossen worden. Als der Bundestag das Mandat dazu im letzten Jahr beriet, hieß es aus den Reihen der CDU/CSU noch, man sei in Afghanistan auf „dem richtigen Weg“.[2] Doch dieser Weg erweist sich mehr und mehr als Sackgasse.

Außenminister Steinmeier versicherte damals, Afghanistan sei vor dem Chaos bewahrt. Von dem Land ginge „keine terroristische Gefahr“ mehr aus. Anders als ISAF sei Resolute Support deshalb „kein Kampfeinsatz“.[3]

Wir Grüne haben damals gewarnt: „Hier droht das Abrutschen auf einer schiefen Ebene in einen erneuten längerfristigen Einsatz in Afghanistan ohne Exitstrategie“.[4] Die Bundesregierung hingegen redet die Lage im Lande schön. Noch letzten Monat behauptete Frau von der Leyen, in den afghanischen Städten sei „ein weitgehend normales Leben“ möglich.[5] Mit der Begründung wollten und wollen sie und Thomas de Maizière Flüchtlinge dorthin abschieben.

Jetzt kommt die 180 Grad-Wende. Jetzt will die Bundesregierung nicht nur länger bleiben, sondern wieder afghanische Truppen in die Kampfeinsätze begleiten dürfen. Es stimmt: Die Mission Resolute Support hat ihre Ziele nicht erreicht. Aber jetzt den Einsatz zu verlängern ist falsch. Den vereinbarten Abzugsplan auszusetzen ist ein Akt der Verzweiflung – ohne Strategie und Plan.

Politische Lösung statt Protektorat

Woran fehlt es? Es fehlt nicht an militärischer Stärke, es fehlt nicht an ausgebildeten Soldaten. Es fehlt an politischer und militärischer Führung. Es gibt nicht mal einen Verteidigungsminister. Die afghanische Regierung leistet sich zwischen dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten lähmende interne Machtkämpfe.

Und das wird sie solange tun, wie im Zweifel amerikanische und deutsche Soldaten für sie die Kohlen aus dem Feuer holen. Erst wenn sie wirklich und nicht mehr nur formell für die Sicherheit im Lande verantwortlich ist, wird sie diese Unverantwortlichkeiten beenden. Ein Ende von Resolute Support gibt auch die Verantwortung an die gewählte afghanische Regierung zurück.

Vor allem, und hier ist die internationale Gemeinschaft mitgefordert, gilt aber: Es fehlt an einem Plan, wie das Land endlich zu Frieden kommen kann.

Das kritisiert zurecht der Bonner Politikwissenschaftler Conrad Schetter. Er ist der Ansicht, dass es an der Zeit sei, mit politischen Verhandlungen den Friedensprozess voranzutreiben. Das habe man viel zu lange versäumt.[6] Diese politischen Verhandlungen aber werden durch die dauerhafte Anwesenheit ausländischer Truppen in Afghanistan nicht leichter, sondern schwerer. Deshalb wurde der Abzugstermin 2016 vereinbart.

Wer das einfach über den Haufen wirft, der schafft im besten Fall ein dauerhaftes Protektorat am Hindukusch. Was Verteidigungsministerin von der Leyen klammheimlich zugibt, wenn sie von einem `noch Jahre andauernden´ Einsatz spricht.[7] Selbst in der CDU – Fraktion rechnet man mit mindestens 5 Jahre Verlängerung des Einsatzes.[8] Was dabei verschwiegen wird: in fünf Jahren, und damit fast 20 Jahre nach Beginn des Einsatzes, wird die Sicherheitslage in Afghanistan nicht besser sein. Deshalb ist das Mandat für einen neuen, größeren Afghanistan-Einsatz falsch.

Der Weg ins Protektorat ist ein Irrweg. Die NATO ist in Afghanistan nie an zu wenig Militär gescheitert – sondern am Willen zu einer politischen Lösung.

[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/sicherheitslage-am-hindukusch-bundeswehr-report-zeichnet-duesteres-afghanistan-bild-13951468.html

[2] http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18074.pdf

[3] http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18074.pdf

[4] http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18074.pdf

[5] http://www.bild.de/politik/inland/ursula-von-der-leyen/keine-kampftruppen-nach-afghanistan-43375740.bild.html

[6] http://www.dw.com/de/was-l%C3%A4uft-schief-in-afghanistan/a-18903754

[7] http://www.sueddeutsche.de/news/politik/konflikte-von-der-leyen-afghanistan-einsatz-dauert-noch-jahre-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-151207-99-155338

[8] http://www.zeit.de/news/2015-12/09/deutschland-otte-afghanistan-einsatz-dauert-noch-rund-fuenf-jahre-09050202

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