Operation SOPHIA – Mit Kanonen auf Spatzen?

Fast 3.000 Menschen auf der Flucht sind allein in diesem Jahr im Mittelmeer ertrunken. Sie flohen vor schrecklichen Bürgerkriegen und Verfolgung. Sie vertrauten skrupellosen Schleppern, die sie auf maroden Booten Richtung Europa schicken. Aber sie sind auch Opfer einer Abschottungs- und Abschreckungspolitik der Europäischen Union. Der Bundestag stimmt in dieser Woche darüber ab, ob sich die Bundeswehr weiter an der europäischen Militär-Mission EUNAVFOR MED Operation SOPHIA beteiligen soll.

Operation Sophia wurde die Operation getauft – nach dem Namen eines Mädchens, das als Tochter einer Flüchtenden auf einem deutschen Marineschiff geboren wurde. Doch dieser Name führt in die Irre. Ziel des Einsatzes ist, dass Menschen wie Sophia künftig nicht mehr kommen können.

Kein Schlepper weit und breit? Der Einsatz im Mittelmeer

Bis heute haben Soldat*innen der Bundeswehr im Rahmen der Mission EUNAVFOR MED gut 16.000 Menschen aus Seenot gerettet. Dies ist, wie die zahlreichen privaten Initiativen, die im Mittelmeer Menschenleben retten, ein wichtiger Beitrag. Europa schaut heute nicht mehr zu, wenn Flüchtende vor unserer Haustür ertrinken. Doch Rettung ist nicht der Kern der Mission von EUNAVOR MED. Dafür bräuchte man nicht einen Flugzeugträger, sieben Fregatten, drei Seeaufklärer, zwei Korvetten, sechs Hubschrauber, ein Flugzeug und über 1.379 Soldat*innen. Dafür wäre eine gut ausgestattete zivile Rettungsmission besser geeignet. Die Armada soll dafür sorgen, dass weniger Menschen über das Mittelmeer nach Europa fliehen. Ihr eigentlicher Auftrag ist die Abschreckung – und die Schlepperbekämpfung.

Bei der Bekämpfung von Schleppern ist sie aber nicht so richtig erfolgreich. Seit Oktober wurden durch die Mission lediglich 52 Personen festgesetzt, die der Schlepperei verdächtigt werden. Der Bundesregierung ist keine einzige rechtskräftige Verurteilung bekannt. Bis heute ist kein einziges Schmugglerschiff aktiv von Kräften der EUNAVFOR MED aufgebracht worden. Bei allen „Verhaftungen“ ging es um in Seenot geratene Schiffe, bei denen aufgegriffen wurde, wer zuletzt am Steuer gesehen wurde. Die Bundesregierung kann von keinem Fall berichten, in dem eine dieser Personen rechtskräftig wegen Schlepperei verurteilt wurde. Es scheint sie auch nicht besonders zu interessieren. Es geht ihr nicht um die Schlepper, es geht um die Abschreckung von Menschen auf der Flucht.

Gefährlich vage! Die Ausbildungsmission in Libyen

Nun soll der Auftrag von EUNAVOR MED doppelt erweitert werden. Es geht um Ausbildung militärischer Kräfte und die Überwachung des UN-Waffenembargos. Die Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung die libysche Küstenwache ausbilden. Wer genau da ausgebildet wird, wie sichergestellt wird, dass die Milizenstrukturen der Kontrolle der libyschen Regierung unterstehen – dazu schweigt sich die Bundesregierung aus. Es steht zu befürchten, dass hier nur eine der unzähligen Milizen in Libyen gestärkt wird. Der Auftrag ist zudem ein für eine Küstenwache ungewöhnlicher. Statt die Grenze nach außen zu bewachen, soll sie verhindern dass Menschen das Land verlassen.

Gestützt auf ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen soll EUNAVOR MED künftig die Einhaltung des Waffenembargos in Libyen überwachen. Das Waffenembargo ist richtig. Das Mandat aber nur symbolisch. Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate ebenso wie die Türkei und auch Sudan beliefern die mit ihnen verbündeten Milizen auf dem Landweg und nicht über See. Vor dem Hintergrund, dass es verschiedene westliche Staaten mit Spezialkräften in Libyen aktiv sind und mit einzelnen Milizen kooperieren, ist nun der Bock Gärtner.

Abschottung beenden, Aufnahme von Geflüchteten europäisch gestalten

Die Operation Sophia soll ergänzt werden durch Vereinbarungen mit der – zu bildenden – libyschen Regierung, die dafür sorgen soll, dass die Flüchtenden im Land bleiben. Schon heute gibt es Tausende, die in Flüchtlingslagern hausen, zu denen die UN-Organisationen keinen Zutritt haben.

Statt beharrlich und geduldig daran zu arbeiten, dass es in Libyen wieder eine legitimierte Regierung für das ganze Land gibt, drängt Europa auf vermeintlich schnelle Lösungen. Darüber droht Libyen zu zerbrechen. Die Folge werden mehr und nicht weniger Menschen auf der Flucht sein. Wer kurzfristig auf Flüchtlingsabwehr setzt, statt auf nachhaltigen Staatsaufbau, wird die libysche Krise vergrößern und nicht mindern.

Wer die europäische Grenze sichern will, muss legale Möglichkeiten des Asyls und der Zuwanderung anbieten. Nicht über schmutzige Deals und Interventionen, sondern über ein transparentes System, das den Ansprüchen der Genfer Flüchtlingskonvention gerecht wird. Dazu gehört auch eine solidarische Verteilung dieser Menschen in Europa. Und eine Politik, die Geflüchtete nicht als Problem sieht, das abgeschreckt und bekämpft werden muss, sondern als Herausforderung, an der Europa gemeinsam wachsen kann. In diesen Zeiten ist das wichtiger denn je.

Verwandte Artikel

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld