Patin des Autokartells

VW und die Oligarchen

Manchmal sagt sogar Christian Lindner die Wahrheit. Es gibt eine zu große Nähe zwischen Politik und Autoindustrie.

Neu ist, dass die FDP die Nähe einer Partei zur Industrie für kritikwürdig hält. Doch darum geht es ihr gar nicht. Die FDP ist gegen das VW-Gesetz. Das Land Niedersachsen soll seine 20 % Anteile und seine Sperrminorität bei Volkswagen aufgeben.

Nach dieser Logik soll die ungenügende Aufsichtsleistung von Stephan Weil und Olaf Lies (SPD) der Grund sein, die Kontrolle des Unternehmens vollständig den Mehrheitsaktionären aus dem Porsche-Piech-Clan und aus Qatar zu überlassen. Das ist ausreichend absurd.

Die Steilvorlage hierzu hat eine gezielte Indiskretion aus dem VW-Konzern geliefert. Diese ließ einen zwei Jahre alten Vorgang zur BamS durchstechen: Stephan Weil hatte seine Regierungserklärung von Volkswagen gegenlesen lassen. Eine Praxis, die schon unter der Vorgängerregierung von CDU und FDP, samt Aufsichtsratsmitglied Jörg Bode (FDP) gang und gäbe war. Was es nicht weniger falsch macht.

Dieselgate ist nicht bloß ein VW-Skandal. Dieselgate ist ein Skandal, den das Autokartell von VW, BMW und Daimler im Zusammenwirken mit Bosch zu verantworten hat. Ihre Wette gegen die Märkte der Welt zielte darauf, die von ihnen dominierte Dieseltechnologie weltweit zu etablieren – auch um den Preis des Betrugs. Diese Wette ist krachend gescheitert.

Das dreiste Zusammenwirken zum Beschiss von Kunden, Aufsicht und Umwelt konnte nur entstehen, weil sich die Kartellisten in Deutschland der Protektion durch den Staat sicher sein konnten.

Ob diese Sicherheit auf Erpressung mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen oder auf dem vorauseilenden Opportunismus von Landes- und Bundesregierungen beruhte, das konnte den Tätern egal sein. Sie waren sich des Schutzes der Regierungen sicher – bei VW, bei Daimler, bei BMW. Und das unabhängig davon, ob diese Regierungen auch noch als Shareholder mit den Unternehmen verknüpft war.

Daimler nötigte zusammen mit Bosch Winfried Kretschmanns Landesregierung, in eine vorher absehbare, krachende Niederlage gegen die Kläger der Deutschen Umwelthilfe zu ziehen. Nach dem Urteil in Stuttgart drohen nun Fahrverbote für Diesel. BMW lieferte die Textbausteine für Seehofers Staatskanzlei, mit denen jüngst das Bundeskanzleramt die Testververfahren in der Europäischen Union zugunsten der Autoindustrie abschwächte.

Überhaupt BMW. Obwohl die Vorstandschefs von Daimler und Volkswagen öfter bei der Kanzlerin waren, erwies BMW sich als sehr effizient bei der Durchsetzung seiner Lobbyinteressen. 2013 wurde in seinem Interesse ein ausgehandelter Kompromiss zu Verbrauchsobergrenzen in Europa verhindert – Frau Merkel hatte eine Sperrminorität organisiert. Im gleichen Jahr spendeten die Großaktionäre von BMW, die Familie Quandt, 690.000 € an Merkels CDU. Sie können es sich leisten. Allein die Quandts entnahmen dem Unternehmen BMW im letzten Jahr rund 2 Mrd. Dividende – Geld, dass für Investitionen für Elektromobilität nicht mehr zur Verfügung steht.

All dies geschah, ohne eine Beteiligung der bayerischen oder der deutschen Regierung an BMW. Die Willfährigkeit gegenüber den Interessen der Großaktionäre der Autoindustrie vollzieht sich jenseits des VW-Gesetzes konzern- und parteiübergreifend.

Vor allem ist sie kein Privileg der SPD. Die eigentliche Patin des Autokartells ist Angela Merkel. Davon lenkt die Debatte ums VW-Gesetz eher ab.

Es sind ihr ehemaliger Staatsminister Eckart von Klaeden und ihr ehemaliger Vizesprecher Thomas Steg, die heute die Cheflobbyisten von VW und Daimler sind. Der Vorgänger von von Klaeden bei Daimler, Martin Jäger, wurde danach erst Botschafter in Afghanistan, dann Pressesprecher von Wolfgang Schäuble und ist heute Staatssekretär des CDU-Innenministers Strobl von Baden-Württemberg.

Merkels Ex-Kabinettskollege und Duzfreund Matthias Wissmann ist als Präsident des Verbandes der Automobilindustrie deren oberster Lobbyist. Wie Günther Oettinger war auch er ein Mitglied des legendären Andenpakts der CDU. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Oettinger macht heute als EU–Haushaltskommissar gegen einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor Front.

Doch die Autokanzlerin ist nicht nur bei Daimler konzernübergreifend unterwegs. Als CDU-Vorsitzende lässt sie ihre strategische Wahlkampfplanung vom ehemaligen Opel-Cheflobbyisten Joachim Koschninke organisieren. Die Liste ihrer Berater und Mitarbeiter aus den Autokonzernen ist Legion – nachzulesen bei  Greenpeace, im Schwarzbuch Autolobby.

Das Autokartell aus Regierungen und Industrie hat die Autoindustrie in Deutschland mit Vollgas in die Sackgassen gefahren. Ob sie das erkennen und umkehren oder ihnen der Niedergang der deutschen Energiekonzernen bevorsteht, ist eine offene Frage.

Es ist eine ernste Frage. Es ist die Frage nach der Zukunft des Industriestandorts Deutschland und einer seiner drei Schlüsselindustrien.

Die Zukunft des Autos ist elektrisch und digital. Wenn die deutsche Autoindustrie eine Zukunft haben soll, dann muss das Autokartell überwunden werden. Die Autoindustrie gehört mehrheitlich Oligarchen-Clans wie den Piechs, Porsches und Quandts, der Deutschen Bank oder dem Staatsfond von Qatar. Ihre Vorstände haben es zu verantworten, dass Deutschland bei der Mobilität von morgen nicht liefern können. Deswegen musste Merkel in China betteln gehen, damit es keine frühe Quote für Elektroautos gibt. Ein industriepolitischer Offenbarungseid.

Wir müssen politische Rahmenbedingungen schaffen, die diese Anteilseigner zwingt, zu investieren um zehn Jahre Rückstand gegenüber den Wettbewerbern aufzuholen. Und verlorenes Vertrauen für die Konsumenten wiederherstellt.

Deshalb muss eine blaue Plakette ebenso wie eine Pflicht zur Nachrüstung für 8 über Millionen Diesel auf Kosten der Industrie Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung werden. Nur wenn diese Diesel auch auf der Straße die Euro-6-Normen einhalten, lassen sich flächendeckende Fahrverbote verhindern – und nur dann wird das Eigentum der Diesel-Kunden gesichert.

Dafür müssten die Aktionäre auf 9 bis 11 Mrd. verzichten. Nicht viel, um ihre Unternehmen und damit zukünftige Dividenden zu retten. Und es muss massiv umgesteuert werden – weg vom Diesel hin zu emissionsfreien Antrieben.

Dafür muss die Subventionierung des Diesels beendet werden. Dafür ist ein Ende ist ein Enddatum der Zulassung fossiler Verbrennungsmotoren 2030 nötig. Doch dann beginnen die Probleme erst.

So oder so ändern sich die Wertschöpfungsketten im Automobilbau. Die Frage ist nur, ob es sie hier in Deutschland überhaupt noch geben wird. Aber wird es – und soll es sie – in Deutschland geben, dann sind schmerzhafte Standortentscheidungen in allen Teilen der Industrie die Folge. Welche Motorenwerke haben keine Zukunft mehr? Wo werden die Werke für die Batteriefertigung errichtet?

Gerade wenn das ansteht, werden sich Ministerpräsidenten wie Seehofer und Kretschmann noch wünschen, über Minderheitenrechte bei Daimler, BMW und Audi zu verfügen und nicht nur aufs Bitten angewiesen zu sein. Gerade dann erweist sich die Berechtigung des VW-Gesetzes – und einer starken Mitbestimmung.

Das setzt aber einen Teilhaber Land voraus, der selbstbewusst seine Interessen im Konzern vertritt und nicht den Schulterschluss mit den Mehrheitsaktionären aus dem Salzkammergut und Qatar schon für eine Aufsichtsratsstrategie hält.

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