Der Putsch

Die Rückkehr der Deutschnationalen

Nein, um Grenzkontrollen nach Österreich geht es schon lange nicht mehr. Es geht um den Sturz der Angela Merkel im 13. Jahr ihrer Kanzlerschaft. Das Angebot des Horst Seehofer für Mittwoch lautet schlicht: Merkel muss weg. Was sonst nur die fanatisierten Rechtsaußen von der AfD grölen, ist Seehofers sehnlichster Geburtstagswunsch zum 69sten.

Doch Seehofer ist nicht allein. Er vollzieht das Schlusskapitel einer seit Wochen laufenden Kampagne zum Sturz von Merkel.

Trotz anhaltender Kriege in Syrien und Libyen, der Fortsetzung der Diktatur in Eritrea, der höchsten Zahl ziviler Toter in Afghanistan ist die Zahl der Flüchtlinge, die nach Europa zurück kommen massiv rückläufig. In Italien kamen 77 % weniger an als im Vorjahr.

Offensichtlich funktioniert die Abschottung Europas – in der Ägäis und jetzt auch vor Libyen mit seinen zur Küstenwache verklärten Milizen, die Menschen in die Folterlager zurückbringen. Dass erneut Hunderte von Menschen im Mittelmeer ertranken wurde nur noch beiläufig zur Kenntnis genommen.

Sollte dennoch die Flüchtlingsfrage für den Sturz Angela Merkels genutzt werden, musste eine Atmosphäre der Dringlichkeit erzeugt werden. Dieser Aufgabe stellte sich die Bild unter Julian Reichelt und mit dem Segen des Springer Chef Mathias Döpfner nur zu gerne.

Es war der gleiche Döpfner, der nach der Flucht Christian Lindners aus den Jamaika-Verhandlungen diesem bescheinigte für „Frische Luft“ gesorgt zu haben. Gemeint war Lindners Entscheidung, erst dann wieder in eine CDU-Regierung einzutreten, wenn die Kanzlerin nicht mehr Merkel heißt.

Über die letzten Wochen gab es kaum einen Tag, an dem die Bild nicht mit einem Titel zu Asyl, Straftaten von Flüchtlingen und „skandalöse“ – sprich von Gerichten verhinderte – Abschiebungen wetterte. Der Höhepunkt war erreicht, als Bild zusammen mit dem zum „Helden“ erklärten Chef der Bundespolizei – ein „Judo-Kämpfer“ mit der Figur eines Sumo-Ringers – den mutmaßlichen Mörder von Susanna am Auswärtigen Amt und der irakischen Regierung vorbei nach Deutschland verbrachte.

All das hatte nur ein Ziel: Jene Atmosphäre der Dringlichkeit zu erzeugen, die Seehofers Masterplan legitimierte. Dieser erhielt dann in Punkt 27 genau die Passage, die Merkel nicht akzeptieren konnte.

Sie sollte nicht nur ihre 2015 auf Bitten Ungarns und Österreichs getroffene Entscheidung rückgängig machen. Das hatte sie schon lange getan. Sondern die Freizügigkeit in Europa sollte durch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen beendet werden. Grenzen in Deutschland hätten eine Kaskade weiterer Grenzschließungen zur Folge gehabt.

Es half Merkel nichts, dass sie auf dem Europäischen Rat ganz Europa auf Kurz-Kurs in der Flüchtlingsfrage brachte. Faktisch gilt die Genfer Flüchtlingskonvention hier nicht mehr. Doch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen konnte und wollte Merkel nicht liefern. Deshalb stellt Seehofer nun die Frage: Sie oder ich.

Ob ihm das gelingt oder ob er sich zu seinem 69sten verzockt hat, ist offen. Doch selbst wenn er verliert, sind wir Zeuge eines Putschversuchs, der die politischen Koordinaten der Bundesrepublik massiv nach rechts verschiebt.

Teile der wirtschaftlichen Elite, eine Mehrheit der CSU und mehr als ein Drittel der CDU wollen aus dem Zwang raus, lagerübergreifende Koalition machen zu müssen. Sie wollen, dass eine Politik der Mitte nicht länger alternativlos ist.

Was vorgeblich dem Überflüssigmachen der AfD dient, soll in Wahrheit Koalitionen mit den radikalisierten völkischen Nationalisten vorbereiten. Es ist der österreichische Weg, auf den Seehofer und Söder, Döpfner wie Lindner die Union drängen wollen.

Setzen Sie sich durch, ist das das Ende der CDU wie wir sie kennen. Gegründet als gemeinsame Partei des katholischen wie evangelischen Christentums gingen die Mitglieder aus Zentrum und Deutsch Nationaler Volkspartei in ihr auf. Heute läuft die Trennungslinie zwischen einer proeuropäischen Volkspartei und einer im Zweifel nationalistischen Richtungspartei. Spaltet sich die Union ist das die Rückkehr einer Deutschnationalen Partei.

Damit wird klarer, was Dobrindt meinte, als von einer „konservativen Revolution“ sprach und dabei bewusst den Begriff eines der Vordenker der alten Rechten, Armin Mohler, verwandte. Es geht nicht nur um Rückabwicklung der 68er. Es geht um die Rückabwicklung Helmut Kohls, seines europäischen Erbes, wonach es im deutschen Interesse ist, sein Schicksal untrennbar mit Europa zu verknüpfen und dafür Europa zu vertiefen.

Von diesem Konsens hat man sich zur Rechten, bei der Mehrheit der CSU, bei Teilen der CDU, in der FDP – aber auch bei Teilen der Wirtschaftselite verabschiedet.

Angela Merkel kann darauf nur mit der Vertrauensfrage antworten. Erst wenn die scheitert, wird – bei Neuwahlen oder nach Koalitionsverhandlungen – die Frage zu beantworten sein, ob es in Deutschland noch eine Mehrheit für ein gemeinsames Europa gibt. CDU und CSU stehen vor der gleichen Krise, die die SPD noch nicht überwunden hat.

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2 Kommentare

  1. Ulrich Starke

    Ja zu allem Gesagten. Außerdem wird das unsägliche wieder aussprechbar . Söders „Asyltourismus“ ist nur EIN Beispiel. Diese Propaganda macht mir mehr Angst als Seehofers kaspertheater…

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