Und sie dreht sich doch – 20 Jahre gelebte Energiewende

Liebe Freundinnen und Freunde,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lieber Werner Lamke,

vielen Dank für die Einladung zu diesem freudigen Anlass.

1  Klimakrise

Wir haben heute den 19. August – und hinter uns liegen fast dreieinhalb Monate durchgehender Sonnenschein, Hitze, Dürre und Ernteschäden – selbst am Polarkreis wurden Temperaturen über 30 Grad erreicht.

Hätte ich vor einem Jahr hier gestanden, hätte ich über Dauerregen, das Leine-Hochwasser, abgesoffene Keller und überflutete Straßen gesprochen.

Die Diagnose wird selbst für Skeptiker*innen immer deutlicher: Die Wetterextreme nehmen zu. Wir befinden uns mitten in der Klimakrise. Wir steuern auf eine neue Heißzeit zu.

Was wir heute erleben, ist das Resultat der Emissionen von vor dreißig Jahren.

Vor dreißig Jahren wurde auch der Grundstein für die Energiewende hier in Göttingen gelegt.

Als Antwort auf die Katastrophe von Tschernobyl entstand in der Angerstraße, im Keller, erst ein Blockheizkraftwerk und dann die EVA 1 in Deiderode. Am Ende stand die EVA 2 hier. Sie arbeitet seit 20 Jahren.

Die Energiewende aus der Angerstraße war die Antwort auf eine eingetretene Katastrophe. Einen Unfall, den es angeblich nicht geben konnte, der aber doch stattfand.

Aber ganz nebenbei sind 20 Jahre Windkraft auch aktive Vorsorge – Katastrophenprävention. Für eine Katastrophe, die nicht eintreten darf.

Um den hier erzeugten Strom zu produzieren, würde das Braunkohlekraftwerk Buschhaus in 3 Tagen 33.600 Tonnen CO2 produzieren. Treibhausgase, die die Klimakrise verschärfen.

Für diese Klimaschutzleistung will ich mich bei den Bürger*innen der Energiewende bedanken!

2  Es gibt viel zu tun – warten wir es ab

Mit Ihrem Engagement, Ihren Investitionen unterscheiden Sie sich von der inzwischen dritten Großen Koalition in Deutschland. Die lebt nämlich immer noch von dem Ruf, den Klaus Töpfer – Glückwunsch zum 80sten – und später die rot-grüne Koalition Deutschland einmal verschafft haben.

Damals war Deutschland Vorreiter beim Klimaschutz – mit dem Kyoto-Protokoll, mit der Kreislaufwirtschaft, mit dem Erneuerbare – Energien – Gesetz (EEG), mit dem Emissionshandel, mit dem Deponieverbot.

Mit Projekten wie diesem hier – EVA 1 und 2. Mit Tüftler*innen wie Aloys Wobben, dem wir in der ersten rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen – Anfang der 90er  Jahre –einen Zuschuss gaben, damit er in seiner Garage Windräder zusammenschrauben konnte.

In der Kanzlerschaft Merkel aber stagnieren, ja steigen teilweise die Treibhausgasemissionen. Das gilt für manche Sektoren extrem – für die industrielle Fleischproduktion und den Verkehr.

Hier läuft alles nach dem Motto: Es gibt viel zu tun – warten wir es ab.

Mit durchaus peinlichen Ergebnissen. So musste sich Frau Merkel in den USA anhören, dass, obwohl die USA aus dem Klimavertrag von Paris ausgestiegen sind, ihre Treibhausgase sinken.

Der Grund: Gefracktes Gas sorgt dort für einen beschleunigten Kohleausstieg – allen Ankündigungen von Trump zum Trotz.

Gas übrigens, dass sie gerne nach Europa exportieren wollen und dafür Gas aus Russland verbieten wollen.

Doch die Alternative zur Kohle ist nicht Gas. Die Alternative ist erneuerbar – in der Stromerzeugung, in der Wärmebereitstellung, im Verkehr.

Ja, im Verkehr. Jetzt steigen die Durchschnittsverbräuche von Autos in Deutschland wieder, weil immer mehr Geländewagen die Städte blockieren und weil Diesel immer noch subventioniert wird.

Alle Klimaschutzerfolge in Deutschland wurden durch Anstrengungen in der Industrie und vor allem in der Energiewirtschaft errungen – trotz steigender Verkehrsemissionen. Dank EEG.

Das will die dritte Große Koalition, das vierte Kabinett Merkel jetzt ändern.

Nun soll auch in der Stromerzeugung nichts mehr passieren. Die Erneuerbaren sollen ausgebremst werden.

So war es bei der Solarindustrie: Weltweit boomt die Solarindustrie, nur in Deutschland wird sie abgewürgt, per Freiflächenverbot, per Sonnensteuer, per Ausschreibungspflicht.

Stellen Sie sich vor, in der Autoindustrie wären 40.000 Arbeitsplätze verloren gegangen – was da in Deutschland los wäre.

Nun genau diese Zahl an Arbeitsplätzen – 40.000 – hat der einstige Photovoltaik-Spitzenreiter Deutschland verloren.

Die entstehen jetzt woanders. First Solar, ehemals auch in Frankfurt (Oder) in Brandenburg beheimatet, hat gerade angekündigt, die größte Solar-Produktionsfirma der westlichen Hemisphäre in den USA zu bauen…

Bei der Windkraft sieht es nun ähnlich düster aus: Marktführer Enercon hat gerade angekündigt, 800 Arbeitsplätze abzubauen… in Haren, in Aurich, in Magdeburg … Investiert wird künftig im Ausland.

Weil die Große Koalition die Erneuerbaren Energien ausbremst, stehen jetzt Hunderte Menschen auf der Straße.

Diese Arbeitsplätze hat Peter Altmaier auf dem Gewissen. Der Bundeswirtschaftsminister deindustrialisiert Deutschland.

Die von der Großen Koalition dagegen zugesagten Sonderaus-schreibungen bei der Windkraft wurden von Peter Altmaier und der CDU/CSU einfach ausgesessen. Und die Arbeiterpartei SPD und Andrea Nahles sieht dabei einfach zu.

3   Deutschland isoliert sich

Weltweit boomt Windenergie. Die Investitionen werden sich global verdoppeln. Doch in Deutschland wird der Ausbau der Erneuerbaren ohne Not gedeckelt.

Die Merkel-Altmaier-Regierung vernichtet eine Zukunftsindustrie – vor allem im Norden Deutschlands, aber auch in Ostdeutschland.

Dabei hat der Boom der Erneuerbaren einst in Deutschland begonnen.

Die degressive Einspeisevergütung des EEG hat die Kosten für Wind- und Sonnenenergie um gut 90% reduziert.

Erneuerbare wurden so wettbewerbsfähig. Heute ist die globale Referenzgröße für die Kosten einer Kilowattstunde die Windenergie – hart bedrängt von der Photovoltaik.

Die Energiewende in Deutschland hat die Erneuerbaren global billig gemacht.

Deutschland hat so wesentlich dazu beigetragen, dass, nunmehr im sechsten Jahr in Folge, weltweit mehr erneuerbare Kapazitäten ans Netz gingen, als fossile und fissile.

Dieser Boom findet im Öl und Gas reichen Texas statt. Er startet in der Öl-Provinz Alberta. Er prägt China ebenso wie Indien.

Er boomt so, dass die USA den einstigen Marktführer bei Wind, Deutschland, inzwischen überholt haben.

Doch die USA sind nur auf Platz 2, auf Platz 1 steht China. Und demnächst wird Deutschland von Indien auf Platz 4 verwiesen werden.

So werden die Menschen in Deutschland um den Lohn ihrer Mühen gebracht. Denn es sind die deutschen Stromkunden, die die EEG-Umlage finanzieren und die globalen Innovationskosten schulterten bzw. immer noch schultern.

Und es sind Bauern, Genossenschaften wie hier, Bürger*innenfonds, und nicht die RWEs, die Milliarden in diese Technologie investiert haben. Sie haben dafür gesorgt, dass 40% des erneuerbaren Stroms in Deutschland heute immer noch weitgehend konzernfrei sind.

Global boomen Erneuerbare – nur Deutschland, das Land, das dies ermöglicht hat, steht abseits.

4  Raus aus der Kohle

Dabei könnten wir Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien mehr als gut gebrauchen.

Doch die Bundesregierung kümmert sich lieber um andere Industrien. Sie sorgt nicht der Klimawandel, sie sorgen nicht die Arbeitsplätze der Zukunft. Schwarz-Rot kümmert sich lieber um das Geld der Kohle-Konzerne. Sie sollen vor einem „Strukturwandel“ geschützt werden.

Dabei ist die Kohleverstromung dafür verantwortlich,

  • dass Deutschlands Pro-Kopf-Emissionen immer noch ein Drittel höher sind, als im Durchschnitt Europas.
  • dass unsere Netze verstopft sind und wir regelmäßig gegen Geld emissionsfreie Windräder abschalten müssen.

Nur wenn wir zügig aus der Kohle aussteigen, wird Deutschland seine Klimaschutz-verpflichtungen von Paris einhalten können.

Das ist keine Frage von Arbeitsplätzen.

  • In der Kohle arbeiten rund 20.000 Menschen.
  • In den Erneuerbaren arbeiten noch 360.000: Trotz Arbeitsplatzabbau arbeiten heute in jedem Bundesland mehr Menschen in den Erneuerbaren, als in der Kohle.
  • Der Kohleausstieg kann ohne betriebsbedingte Kündigungen umgesetzt werden.
  • Die Blockade der Erneuerbaren aber gefährdet ein Vielfaches mehr an Jobs, als heute in der Kohle vorhanden sind.

Wir brauchen dringend einen konsequenten und zügigen Kohleausstieg.

Die Allianz, der Rückversicherer Munich RE, viele Fondsgesellschaften sind schon aus der Finanzierung der Kohle ausgestiegen. Wir dürfen nicht warten, bis hier der letzte das Licht ausmacht.

5  Für Wind und Sonne

Was wir brauchen ist neuer Wind für die Energiewende:

  • Sonderausschreibungen für neue Windkraftkapazitäten on- wie offshore, jetzt sofort. 
  • Weg mit dem Ausbaudeckel für Erneuerbare Energien. Wir brauchen jede Kilowattstunde saubere Energie, wenn wir der Klimakrise Einhalt gebieten wollen.
  • Weg mit allen Behinderungen für die Sektorkoppelung. Erneuerbare im Verkehr, in der Wärme und Speicher haben nur so eine Chance.
  • Und in Niedersachsen: Ein Ende des pauschalen Verbots von Windkraft im Wald. Monokulturen und Plantagen vertragen Windturbinen und Anwohnerkonflikte werden so gemindert.
  • Einen CO2 Mindestpreis. Klimaschädliche Energie zu produzieren muss teurer sein, als sauberer Strom.

Lassen wir die Energiewende wieder strahlen:

  • Mit einem Ende der Sonnensteuer.
  • Mit mehr Freiflächenphotovoltaik.

Hören wir auf Wind und Sonne zu blockieren. Nutzen wir sie.

Mit Wind und Sonne bekommt die Bürger*innen-Energiewende wieder eine Chance.

Nur so können wir den globalen Temperaturanstieg stoppen – und nur so können wir zukunftsfähige Arbeitsplätze erhalten und schaffen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns, dass sich EVA 2 noch lange dreht!

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