Wohin wir wachsen wollen – Ressourceneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit – Das Rennen um grünes Wachstum

Wohin wir wachsen wollen – Ressourceneffizienz und Wettbewerbsfähigkeit – Das Rennen um grünes Wachstum

Lieber Herr Schulze-Hausmann,

meine Damen und Herren vom Kuratorium der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis,
verehrte Damen und Herren von der Jury,
verehrte Gäste,
Sie haben zum Auftakt dieses Symposiums schon eine spannende Diskussion über das „grüne Rennen“ gehört, das Rennen der Unternehmen im Wettbewerb auf den globalen grünen Märkten.

Ich begrüße das natürlich sehr, macht es doch noch einmal deutlich, was Grüne immer wieder gesagt haben über all die Jahre, es gibt keinen Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie!

Das hat sich in zahlreichen Studien seitdem immer wieder bestätigt, zuletzt in den beindruckenden Zahlen des Green Tech Atlas 2.0 von Roland Berger,

nach denen die deutsche Umweltindustrie alle Wachstumsprognosen weit übertroffen hat,
nach denen sie bis 2020 mit einem Anteil von 14 Prozent am Bruttoinlandsprodukt die wichtigste deutsche Leitindustrie sein wird,
nach denen sich der Umsatz der Umweltindustrien in den kommenden elf Jahren auf 3100 Mrd. Euro mehr als verdoppeln wird,
und nach denen die deutschen Hersteller mit Weltmarktanteilen zwischen 6 und 30 Prozent zu den technologischen Vorreitern gehören,

Es gibt keinen Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie, ökologische Modernisierung ist ein Thema, wo es um Jobs der Zukunft, Unternehmen der Zukunft, Weltmarktanteile der Zukunft geht.

Ich wünschte diese Selbstverständlichkeit würde endlich so nachhaltig in den Köpfen verankert, dass nicht im Oktober 2010 noch industriepolitische Papiere aus Bundesministerien kommen können, in denen Sätze stehen wie:

„Eine Überhöhung umweltpolitischer gegenüber konkurrierenden Belangen … ist … langfristig nicht zielführend.“ S. 23

„Sofern die Politik, … versucht, unternehmerische Tätigkeit zu kanalisieren – beispielsweise durch Proklamation einer „Grünen Wirtschaft“ – läuft sie Gefahr, schlechten Lösungen für irrelevante Probleme zum Durchbruch zu verhelfen.“ S. 17

(Im Fokus: Industrieland Deutschland, BMWI Oktober 2010)

Das ist schon sensationell, aber es ist ja nichts Neues, dass die Wirtschaft weiter ist als der Wirtschaftsminister.

1. Drei Rennen gegen die Zeit

Ich möchte zu Ihnen heute über einen anderen Aspekt dieses Rennens sprechen, zeigen warum wir rennen müssen, nicht nur gegeneinander auf den grünen Märkten, sondern alle gemeinsam gegen die Zeit.

Sie alle wissen um den Zeitdruck, der durch den Klimawandel erzeugt wird, das klimapolitische Rennen gegen die Zeit, in dem grüne Technologien eine so zentrale Rolle spielen.

Immer klarer wird uns allen auch die Problematik der Rohstoffknappheit, der immer schärfer werdenden Konkurrenz einer wachsenden Weltbevölkerung und einer größeren Anzahl dynamischer Staaten um knappe Rohstoffe. Hier müssen wir das grüne Rennen um Innovationen und Technologien vor allem im Bereich der Rohstoffeffizienz anstacheln und befeuern um ein anderes, bedrohliches und potentiell katastrophales Rennen zu vermeiden: Das Rennen um Rohstoffe

Und schließlich brauchen wir das Wachstum grüner Technologien um die Problematik globalen Wachstums selbst überhaupt in den Griff zu bekommen. Sie alle kennen die Dimensionen des Wachstums der letzten Jahre in den Schwellenländern, Sie alle wissen um die Notwendigkeit des Wachstums um Armut zu überwinden und Lebensqualität für alle Menschen zu verbessern. Wir alle wissen aber auch, dass ein
Wachstum nach bisherigen Standards und mit bisherigen Technologien, vor allem den fossilen, uns rapide in den ökologischen Kollaps treiben wird.

Das grüne Rennen, der grüne Wettbewerb ist also für eine globale verantwortungsethische nationale und internationale Politik ein Instrument, ein Instrument um das Wachstum derjenigen grünen Märkte und Technologien zu befördern, die es uns erlauben, ein globales wirtschaftliches Wachstum wie es in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten ist, überhaupt verantworten zu können.

Meine Antwort auf die Frage „Wohin wir wachsen wollen“ wird Sie kaum überraschen, wir brauchen eine globale Energiewende hin zu erneuerbaren Energien, wir müssen wesentlich effizienter mit Energie umgehen, und wir müssen wesentlich effizienter mit allen wichtigen Rohstoffen umgehen.

Diese Wende ist aus ökologischen, ökonomischen und friedenspolitischen Gründen unabdingbar.

2. Warum Effizienz Friedenspolitik ist

Schauen wir uns die globale Situation mit Blick auf Energie und Rohstoffe an. Wenn die Technologien der Erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und der Rohstoffeffizienz nicht schnell genug wachsen, dann steuern wir auf ein Zeitalter katastrophaler Konflikte zu.

Das moderne Leben, die heutigen Städte und Megastädte, der Wohlstand der reichen und der steigende Lebensstandard der Schwellen- und Entwicklungsländer, die Ziele und Hoffnungen der Menschen, all das hängt ab von Energie und es treibt die hektische Konkurrenz um Energie und die Rohstoffe zu ihrer Erzeugung an.

Der Wettlauf ist in vollem Gange. Es geht um Macht, Einfluss und Pipelines. Sei es Chinas Engagement in Afrika oder die Zentralasienstrategie der EU, sei es der Kampf ums Öl oder um die Seltenen Erde, das Ziel scheint klar: Wir wollen uns die letzen Gas-, Öl- und Uranreserven des Planeten sichern.

Immer wieder ertönen die national-egoistisch gedachten Rufe nach Rohstoffsicherung, nach harter Interessenspolitik, auch hierzulande. Doch wenn alle so denken, dann kommt es zu dem, was wir heute schon in manchen Regionen etwa des afrikanischen Kontinents erleben, zu einem Wettlauf um Ressourcen, bei dem am Ende alle verlieren. In diesem Bereich gilt: Gegeneinander war Gestern.

Betrachten wir die vier Hauptrisiken, die den globalen Frieden bedrohen, hat jedes dieser Risiken einen Bezug zur Frage der Energie:

Klimawandel – Seine Ursache liegt in der übermäßigen Nutzung wie Verschwendung fossiler Energie sowie einer zunehmenden Entwaldung
Rohstoffkonkurrenz – Bei Öl, Gas und zunehmend auch Kohle stehen wachsende Nachfragen begrenzten Ressourcen gegenüber. Das gleiche gilt für äußerst seltene Stoffe wie Coltan, Metalle wie Kupfer ebenso wie für Lebensmittel. Das jüngste Beispiel betraf die sogenannten Seltenen Erden, plötzlich durch gedrosselte Exportquoten Chinas ins Licht der Öffentlichkeit geraten.
Armut und Ausgrenzung – Die Förderung von Energie kann Armut zwar verstärken, aber ohne Überwindung der Energiearmut gibt es keine Überwindung der globalen Armut.
Massenvernichtungswaffen – Auch hier gibt es einen energiepolitischen Hintergrund. Was lässt energiereiche Staaten wie Brasilien, Iran oder Libyen nach Atomkraftwerken, Anreicherung und Wiederaufarbeitung streben? Unter dem Deckmantel der Energiesicherung findet hier Aufrüstung statt – ganz nach dem Vorbild der alten Industriestaaten.

Aus dem Zusammenwirken dieser Risiken können manifeste Bedrohungen entstehen. Sie lassen Staaten zerfallen. Sie befördern Bürgerkriege und Terrorismus, ethnische Vertreibungen und räuberische Angriffskriege.Globale Energiesicherheit ist eine Grundvoraussetzung zur Sicherung des Friedens.

Schauen wir uns die Zahlen zur Energie an:

Die Zahlen des World Energy Outlook 2010 der Internationalen Energieagentur alarmieren. Selbst bei konservativen Schätzungen des Wirtschaftswachstums in Indien und China prognostiziert die IEA für den Fall, dass keine rasche und konzertierte Kursänderung
eingeleitet wird, eine Zunahme des Weltenergiebedarfs bis 2035 um 44%. 93 Prozent des erwarteten Anstiegs entfallen dabei auf Nicht-OECD Staaten. Die Stromnachfrage wird sich allein in China bis 2035 verdreifachen.

Dabei ist die Basisbelastung gerade durch die Industrieländer zu berücksichtigen. Auf die Industrieländer (OECD), in denen rund 15% der Weltbevölkerung leben, entfallen rund 56% des Erdölverbrauchs, circa 60% des Erdgasverbrauchs und circa 50% des Verbrauchs anderer beschränkter Ressourcen.

Es führt also kein Weg daran vorbei:

Wir müssen den Nachfragedruck auf Energieressourcen vermindern.

3. Die Alternative

Das gilt insbesondere auch vor dem historischen Hintergrund, dass die Industriestaaten den Klimawandel zum allergrößten Teil verursacht haben, also sowohl klimapolitisch als auch vom Standpunkt des Ressourcenverbrauchs mit einer Drosselung ihrer Nachfrage am Zuge sind.

3.1 Energiewende

Dies geht aber mit mehr Erneuerbaren Energien, mit mehr Energieeffizienz und mehr Energieeinsparung. Diese drei E – Erneuerbar Effizient Energiesparend – sind die Säulen einer nachhaltigen Energiepolitik und sie sind auch die Säulen einer nachhaltigen Energieaußenpolitik.

Ein Gutachten des Ökoinstituts belegt, dass mit einer ambitionierten Klimastrategie bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergie die EU bis 2020 30 % ihrer Treibhausgase und bis 2030 sogar 40 % einsparen könnte.

Diese Klimapolitik würde unsere Abhängigkeit von Energieimporten drastisch mindern. Die Abhängigkeit Europas von Öl-, Gas-, Uran- und anderen Energieimporten würde von 74 % auf 49 % sinken. So entsteht durch Klimaschutz Versorgungssicherheit. Und: Energieeffizienz und Energiesparen wirken sich dabei natürlich positiv auf die Kosten aus der Betriebe aus.

In vielen Betrieben und Firmen wird Strom verschwendet. Ob es um Computer und Server oder um den Einsatz von Elektromotoren und die Erzeugung von Druckluft geht: Energieverbrauch, Energieeffizienz und Energiesparen spielten bisher kaum eine Rolle. Hier sind aber erhebliche Potentiale vorhanden.

Das Bundesumweltministerium schätzt, dass bis zum Jahr 2020 bis zu 40 Prozent des Energieverbrauchs der Industrie durch Effizienzmaßnahmen eingespart werden könnten. Allein durch den Einsatz von energieeffizienten Motoren und regelbaren Antrieben könnten in Deutschland 38 Milliarden Kilowattstunden Strom eingespart werden. Das entspricht einer Einsparung von gut 3 Mrd. Euro.

Um dieses Potential zu heben sind Investitionen notwendig, die Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Trotz notwendiger Investitionen profitieren aber vor allem die Firmen selbst durch eine niedrigere Stromrechnung.

3.2 Nachwachsende Rohstoffe

Auch bei der Ressourceneinsparung hat sich in der Vergangenheit hat sich bereits viel getan. Die Wirtschaft greift aber nach wie vor auf nicht nachhaltige Rohstoffe zurück, auch wenn es Alternativen gibt. Bei steigenden Rohölpreisen wird aber die Frage nach Ersatzstoffen an Bedeutung gewinnen.

Bereits heute gibt es Joghurtbecher und Getränkeflaschen aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Automobilindustrie setzt ebenfalls vermehrt auf solche Materialien. Bisher ist dies nur ein Nischenthema, dass aber in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Nur diejenigen Unternehmen werden sich langfristig auf dem Markt behaupten können, die nachhaltig und energieeffizient produzieren und effiziente langlebige Produkte anbieten

Wir Grüne haben in unserer Regierungszeit als ein zentrales Element die Nachhaltigkeitsstrategie installiert und diese Strategie mit Gremien innerhalb der Regierung, des Parlamentes aber auch mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung flankiert. In dieser Nachhaltigkeitsstrategie haben wir als einen der ersten Indikatoren die Ressourcenproduktivität. Uns war schon damals bei der Auflage der Nachhaltigkeitsstrategie klar, dass hier eine der Schlüsselfragen für unseren gesellschaftlichen Wohlstand liegt. Wir
dürfen nicht den Fehler machen auf die Erschließung neuer Rohstoffquellen, wohlmöglich auch noch unter prekären sozialen oder ökologischen Bedingungen oder unter dem Einsatz von militärischen Mitteln zu setzen.

Wir müssen heute viel mehr auf die Kreislaufwirtschaft und die Rückgewinnung der Rohstoffe aus unserem Abfall setzen. Dabei ist es unabdingbar, das wir endlich anfangen schon beim Design der Produkte auf die vollständige Rückgewinnung der eingesetzten Rohstoffe und Komponenten Wert legen.

Meine Damen und Herren,

das grüne Rennen muss weitergehen um das Rennen um Rohstoffe zu vermeiden, um den Klimawandel zu stoppen und um Kosten in den Betrieben zu sparen. So hängen ökologische, friedenspolitische und ökonomische Perspektive zusammen.

4. Kein nachhaltiges Wachstum ohne Entkopplung

Wir brauchen grünes Wachstum aber noch aus einem anderen Grund, wir brauchen es, um globales wirtschaftliches Wachstum überhaupt weiter verantworten zu können. Die Frage nach den Grenzen des Wachstums kehrt immer wieder. Der Club of Rome Bericht von 1972 gehörte zu den Gründungsimpulsen für grüne Parteien weltweit.

Seitdem sind Weltbevölkerung und Weltsozialprodukt stark angewachsen, absolute Armut und Hunger wurden in manchen Regionen deutlich gemindert, in anderen haben sie sich dramatisch verschärft.

Der Klimawandel ist weiter vorangeschritten, der Verlust an biologischer Vielfalt schreitet ungebremst voran, Material- und Ressourcenverbrauch sind angewachsen.

Gleichzeitig hat es erste Erfolge bei der ökologischen Modernisierung von Produktion, Energieerzeugung, Landwirtschaft und Mobilität gegeben. Dennoch ist die Grundfrage, ob volkswirtschaftliches Wachstum ad infinitum weitergehen kann, genauso relevant geblieben wie die Umweltprobleme ungelöst sind.

Die Frage nach den Voraussetzungen für ein ökologische vertretbares Wachstum ist auf begrifflicher Ebene relativ schnell zu beantworten: Entkopplung!

Materielle Ressourcen und die Belastbarkeit von Natur und Umwelt haben Grenzen, die durch das Ökosystem bereitgestellten Güter und Dienstleistungen sind endlich. Das ist offenkundig. Ob das Wachstum des BIP – als Summe der in Geld gemessenen Güter und Dienstleistungen – Grenzen hat, ist eine andere Frage.

Kann das BIP potenziell unbegrenzt weiterwachsen, während gleichzeitig der Verbrauch an Rohstoffen und Material sowie die klima- und umweltschädlichen Emissionen sinken?

Wir müssen das Wachstum der Rechengröße BIP vom Wachstum des Ressourcenverbrauches entkoppeln. An der Möglichkeit der Entkopplung entscheidet sich die Frage ökologischer Grenzen des volkswirtschaftlichen Wachstums.

Wir haben deshalb in diese Wahlperiode die Bildung einer Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt“ angestoßen. Die Enquete soll sich dabei auch mit dem Aspekt systemischen Wachstumszwangs beschäftigen.

Es gibt derzeit einen strukturell begründeten Zwang zu ständigem Wachstum in unserem Wirtschafts- und Sozialmodell. Dieser Wachstumszwang bestimmt das politische Handeln und verleitet Regierungen dazu, auch ökologisch und sozial schädliches Wachstum zu befördern. Wenn es möglich ist, diesen strukturellen Wachstumszwang durch politische und ökonomische Reformen abzubauen, dann sollten wir das tun. Auch dazu erwarten wir Impulse aus der Enquete.

Eine weitere Frage, die der deutsche Bundestag an die Enquete gestellt hat, ist die nach der Messung von Wohlstand jenseits des BIP. Das BIP kann nicht alleiniger Maßstab für Wachstum und Wohlstand bleiben. Damit wir nicht mehr Umweltzerstörung positiv zählen, gesellschaftliches Engagement aber in unserem Gradmesser wirtschaftlichen Erfolges ignorieren. Ein umfassender Begriff von Wohlstand muss zählbar und benennbar in der Gesellschaft werden, dafür soll die Enquete Vorschläge entwickeln.

5. Schluss

Was auch immer die Ergebnisse der Enquete sein
werden, und wie immer sie den Wert des BIP Wachstumsvielleicht relativieren werden:

Klar ist, dass in der Realität die Weltwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten in erheblichem Umfang weiter wachsen wird. „Nullwachstum“ ist zumindest auf globaler Ebene einfach kein realistisches Szenario.

Schon allein deshalb können wir – während wir grundsätzlich über den Wachstumszwang diskutieren – nicht innehalten, im Versuch der Entkopplung, der Verbesserung von Ressourceneffizienz und Energieeffizienz.

Das grüne Rennen um grünes Wachstum geht weiter, daran besteht kein Zweifel. Und nur wenn wir mit dem grünen Wachstum schnell genug vorankommen, nur dann,

können wir das Rennen gegen den Klimawandel gewinnen
ein kriegerisches Rennen um Rohstoffe vermeiden
und ein nachhaltiges Modell globalen Wachstums schaffen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche ihnen spannende Diskussionen.

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