Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Wir haben am vergangenen Montag der Reaktorkatastrophe von Fukushima und der vorweggegangenen Flutwelle gedacht. Wir gedenken auch heute der fast 19 000 Opfer dieser Flutwelle, und wir gedenken der Opfer der Atomkatastrophe. Als Folge dieser Katastrophe mussten Hunderttausend Menschen ihre Heimat verlassen, weil Böden, Luft und Wasser radioaktiv verseucht sind. 57 000 Japanerinnen und Japaner konnten bis heute nicht zurückkehren. Sie sind aus ihrer Heimat vertrieben. Diese Katastrophe hat uns gezeigt: Die Risiken der Atomtechnologie sind nicht beherrschbar. Die Welt muss aus dieser Hochrisikotechnologie aussteigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Es ist bitter, dass die neue japanische Regierung gegen den Willen von mittlerweile zwei Dritteln der japanischen Bevölkerung versucht, diese Technologie wieder zum Laufen zu bringen. Hier ist die besondere Verantwortung für Deutschland: Es ist unsere Verantwortung, zu beweisen, dass es möglich ist, dass eine Industrienation seine Stromversorgung ohne Atomenergie und ohne Rückgriff auf klimazerstörende Kohle realisieren kann. Das ist die globale Verantwortung, vor der dieses Land steht. Das, lieber Herr Altmaier, ist die Hausaufgabe dieser Regierung, die Sie zu erfüllen haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben mit manchen Schülern gemein, dass Sie sich mit den Hausaufgaben schwertun.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Jetzt kommt der Oberlehrer! Das ist die Rolle, die er am besten versteht!)
Lange Zeit haben Sie gar nicht verstanden, was Ihre Hausaufgabe ist. Jahrelang glaubten Sie, Ihre Aufgabe bestünde darin, alles zu blockieren, was nach Energiewende aussah. CDU, CSU und FDP waren gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie waren gegen den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie.
(Christoph Poland (CDU/CSU): Alles kalter Kaffee!)
Der Altmaier Peter hat es sogar als eine historische Entscheidung bezeichnet, die Laufzeiten von maroden Altmeilern zu verlängern.
(Manfred Grund (CDU/CSU): Die hätten abgeschaltet werden müssen, wenn sie marode sind! Das hätten Sie sofort fordern müssen! Marode müssen sofort abgeschaltet werden!)
Unsere Hauptaufgabe in dieser Zeit bestand eigentlich darin, Ihren Unsinn abzuräumen. Das haben wir mit einigem Erfolg gemacht: Nach einem Jahrzehnt erzeugen wir heute 25 Prozent unseres Stroms durch die Nutzung erneuerbarer Energien. Das gibt 400 000 Menschen in diesem Land Arbeit. Nach einem Jahrzehnt schien es so zu sein, als wenn CDU und CSU ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Plötzlich waren auch Sie für das von Ihnen vorher bekämpfte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei der Atomenergie haben Sie noch ein bisschen länger gebraucht. Da bedurfte es der mehrfachen Kernschmelze von Fukushima, bis bei Ihnen die Erkenntnis eintrat: Atomkraft ist nicht beherrschbar.
Haben Sie Ihre Hausaufgabe jetzt verstanden? Haben Sie verstanden, dass der Kern darin besteht, dass derjenige, der die Energiewende wirklich will, nicht nur entschlossen und konsequent aussteigen muss, sondern auch in die Nutzung erneuerbarer Energien einsteigen muss?
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Was habt ihr eigentlich gemacht?)
Nein, Sie haben es nicht verstanden. Sie steigen nicht konsequent aus. Zu einem konsequenten Ausstieg würde zum Beispiel eine Umorientierung der Forschungspolitik gehören. Nach wie vor wird ein Drittel der Mittel in Höhe von 2,7 Milliarden Euro für die Forschung im Bereich der Reaktortechnologie genutzt.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ja, die gibt es
noch!)
Nur ein kleiner Teil geht in die Endlagerforschung.
Sie müssten sich, wenn Sie konsequent aus solchen Vorhaben aussteigen wollten, von solchen Wahnsinnsprojekten wie das namens ITER verabschieden.
(Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Vogel-Strauß-Politik ist das! Nichts anderes!)
Vor allen Dingen müssten Sie, meine Damen und Herren, aufhören, anderswo den Bau von Atomkraftwerken zu subventionieren, indem Sie Exporthilfen dafür geben, dass in Erdbebengebieten Atomkraftwerke errichtet werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dorothée Menzner (DIE LINKE))
Sie scheitern schon bei der ersten Herausforderung. Bei der zweiten sind Sie mittlerweile zu der Position zurückgekehrt, die Sie vor zehn Jahren eingenommen hatten. Statt für einen zügigen Ausbau erneuerbarer Energien zu fairen Preisen zu sorgen, spielen Peter Altmaier und Philipp Rösler lieber im Glashaus Fußball, und die Kanzlerin steht daneben und verdreht die Augen.
Früher gab es noch daran erinnere ich mich einen Konflikt zwischen Umweltminister und Wirtschaftsminister. Heute sind sich beide einig: Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland muss ausgebremst werden. Das ist der Konsens zwischen Rösler und Altmaier. Herr Altmaier beziffert die Kosten der Energiewende mit „Fantastilliarden“-Summen.
Lieber Herr Altmaier, das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnet Ihnen vor, was alles Sie falsch gerechnet haben: die Effekte der Preissenkungen an der Strombörse, die Degression der Förderung und die Kosten für Investitionen in Kohle- und Gastkraftwerke. Sie nennen die Autoren per Twitter unseriös. Peinlich für Sie ist, dass sich die Autoren auf die Zahlen Ihres eigenen Ministeriums berufen. Wollen Sie behaupten, dass das Bundesumweltministerium unseriöse Zahlen liefert? Das wäre eine neue Erfahrung, die wir hier zu machen hätten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Es ist dreist, meine Damen und Herren, anderen vorzuhalten, sie würden ihre Hausaufgaben nicht machen. Es ist Aufgabe des Umweltministers, für den Ausbau erneuerbarer Energien zu fairen Preisen zu sorgen. Nicht Ihre Aufgabe, Herr Altmaier, ist es, die Agrarindustrie zu subventionieren und Banken von Stromkunden bezahlen zu lassen. Es ist Aufgabe des Umweltministers, für mehr Klimaschutz zu sorgen; aber es ist nicht Ihre Aufgabe, durch Billigzertifikate für CO2 Kohlekraftwerke zu subventionieren. Weiter ist es die Aufgabe des Umweltministers, dafür zu sorgen, dass wir letztendlich 100 Prozent erneuerbare Energien bei Strom, Mobilität und Wärme erreichen. Es ist aber nicht Aufgabe, sondern Verfehlen der Aufgabe eines Umweltministers, gar eine Ausbaubremse zu initiieren, die am Ende dazu führen wird, dass südlich von Ostfriesland kein einziger Windpark mehr errichtet wird und Zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr geraten. Das sind nicht Ihre Aufgaben, sehr geehrter Herr Altmaier.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Sie machen lieber das Gegenteil. Ausbauziele für erneuerbare Wärme sind aufgegeben worden. Die Gebäudesanierung dümpelt dahin und wird zusammengespart. Der Emissionshandel wurde auf der Grundlage Ihrer gemeinsamen Haltung in dieser Regierung konsequent ruiniert.
Ich sage Ihnen: Sie können Energiewende nicht, weil Sie sie nicht wollen. Sie sind nicht in der Lage, die Konsequenzen aus dem Reaktorunfall von Fukushima zu ziehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Ausstieg aus der Atomenergie geht nur mit konsequentem Einstieg in die Erneuerbaren, mit mehr Energieeffizienz und mehr Energiesparen. Offensichtlich geht Ausstieg nicht mit der Merkel-Koalition. Das zu ändern, ist jetzt unsere Hausaufgabe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
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