10. Grünkohlessen in Springe: Korn ist kein Wein

 

Moin,
sehr geehrter  Schaper;
sehr geehrter Herr Fügmann,
Liebe Kollegen Maria Flachsbarth und Mathias Miersch,
lieber Hauke Jagau, sehr geehrter Herr Höptner,

Ich danke für die Einladung zum 10. Grünkohlessen.

Braunkohl ist nicht Grünkohl

Das ist ja heute eine Art interkultureller Dialog. Ein gebürtiger Bremer im Hannoverschen. Man könnte sagen Bremer Knipp trifft auf Calenberger Pfannenschlag.

Das Grünkohlessen ist ja eine schöne Tradition – Nicht nur in Niedersachsen. Wir Bremer pflegen sie schon 470 Jahre.

Die Unterschiede sind nicht zu übersehen. Das Gemüse heißt im einst preußisch besetzten Hannover Grünkohl. Wir freien Hansestädter sprechen richtiger Weise von Braunkohl. Heben die Hannoveraner auf die Farbe auf dem Acker ab, benennen wir die Kolorierung nach der mehrstündigen Zubereitung.

Doch darin erschöpfen sich die Unterschiede nicht. Nimmt man es genau, gilt:

  • Grünkohl ist nicht Grünkohl.
  • Braunkohl ist nicht Braunkohl.
  • Manchmal ist Grünkohl Braunkohl.

Also, was bei uns Braunkohl ist, heißt in Oldenburg Grünkohl. Doch dieser Grünkohl hat nichts mit Ihrem Grünkohl zu tun. Oldenburger Grünkohl ist Bremer Braunkohl.

Der aber hat nichts mit Braunschweiger Braunkohl zu tun. Ist klar, dass der in Braunschweig Braunkohl heißt. Doch Braunschweiger Braunkohl ist Hannoverscher Grünkohl.

Dass Grünkohl nicht Grünkohl und Braunkohl nicht Braunkohl ist, liegt nicht am Gemüse. Es liegt an der Pinkel. Die ist nämlich in Oldenburg und Bremen dabei.

In Hannover nicht. Hier gibt es Bregenwurst.

Deshalb ist manchmal Grünkohl Braunkohl. Die Wurst macht’s.

Und wegen der Wurst gibt es eben nicht ein niedersächsisches Nationalgericht sondern zwei – und das auch unter zwei verschiedenen Namen.

Tornados ins Chaos

Ich bin von Ihnen, Herr Zett, gebeten worden, ein paar „launig-geistreiche Anmerkungen“ zu machen.

Launig ist in diesen Zeiten nicht einfach. Am letzten Freitag, hat der Bundestag gegen die Opposition entschieden, in einen weiteren wohl viele Jahre währenden Krieg einzusteigen. Ab Januar fliegen deutsche Tornados über Syrien.

Krieg? Ja, Krieg.

„Nur weil das Wort vom Krieg vermieden wird, ist der Krieg schließlich noch nicht vermieden“ schrieb am Freitag die kluge Carolin Emcke in der Süddeutschen. Und sie fährt fort:

 „…legitime Motive wie Solidarität und Beistand mögen eine notwendige Voraussetzung für einen Krieg sein, eine hinreichende sind sie nicht unbedingt. Es braucht auch eindeutige operative Standards, angemessene Mittel und vernünftige Perspektiven, wie der Krieg zu gewinnen und die Zukunft Syriens zu gestalten sei.“

Und

 „Was den gegenwärtigen Diskurs über einen Krieg in Syrien so fragwürdig macht, ist keineswegs die Dominanz militärischen Denkens, sondern die geradezu spektakuläre Abwesenheit militärischer Argumente.“

Auf das heutige Thema runtergebrochen ist die Koalition gegen den IS eine Gruppe von Köchen die versuchen nach eigenem Rezept gemeinsam Braunkohl zu kochen:

  • Die einen tun den Zucker nach dem Glasieren der Zwiebeln dran, die anderen kurz vor dem Servieren
  • Die einen schwören auf Pinkel, die anderen auf Bregenwurst.

Und beide übersehen beim heftigen Rühren im gleichen Topf, dass wenn die Pinkel erstmal geplatzt ist, sie sich nicht mehr von Kohl trennen lässt. Man kriegt sie nicht mehr raus.

Die Koalition gegen den Terror steht formal unter dem Kommando der USA. De Facto fliegen die deutschen Tornados in Absprache mit den Russen, die über Syrien die Lufthoheit haben.

Und die sogenannte Koalition der Willigen verhält sich wie unsere Köche. Sie haben alle unterschiedliche Rezepte. Vor allem haben nicht alle den gleichen Feind.

  • Für die von Deutschland großzügig mit Waffen ausgestatteten Saudis und Golfstaaten ist Assad der Hauptfeind.
  • Die Türkei hat bis vor kurzem IS-Kader noch gesund gepflegt. Über Ihre Grenze geht ein Großteil des Öl- Waffen- und Geldschmuggels aus und in das Kalifat. Lieber als den IS bombardiert die Türkei die Kurden, auch diejenigen, die gerade die Yeziden im Sindschar gerettet haben.
  • Unseren treuesten Alliierten, die Peshmergas im Nordirak, stellt Deutschland Waffen und Ausbildung. Jetzt müssen sie sich des Vorwurfs erwehren, hinten rum am Ölschmuggel mit dem IS zu verdienen. Als Landsturm für die alliierte Luftwaffe fallen sie aus. Sie werden den IS nicht außerhalb ihres Gebietes, etwa in Raqqa, bekämpfen.
  • Russland will vor allem das Assad-Regime stabilisieren. Und deshalb werden neben dem IS noch Turkmenen oder die Freie Syrische Armee
  • Und der türkische NATO-Verbündete schießt im syrischen Luftraum russische Flugzeuge ab – die sich wiederum mit den Amerikaner absprechen, wer wann wo fliegt.

Soviel zum Chaos unterschiedlicher bis gegensätzlicher Feinde und Freunde.

Am Sonntag hat Vizekanzler Sigmar Gabriel in der BamS zugegeben, dass es für den Einsatz deutscher Soldaten in Syrien kein ausreichendes völkerrechtliches Mandat gibt. Der Einsatz von Soldaten in Syrien – so Gabriel„bedürfe eines viel klareren UN-Mandats.“

Völkerrecht und Verfassungsgericht unterscheiden nicht zwischen Soldaten in und über Syrien.

Die fehlende rechtliche Grundlage ist keine Petitesse. Sie ist ein militärisches Problem.

Warum gibt es kein UN-Mandat? Weil die Koalition gegen den Terror sich nicht einig ist, wen sie bekämpfen will. Oder wie eine Nachkriegsordnung für Syrien aussieht.

In ein solches Chaos schickt man keine Tornados.

Wenn wir den Terror bekämpfen wollen, lenkt der Blick in den Nahen Osten eher ab. Wir sollten uns viel mehr fragen, wie es passieren konnte, dass in Europa geborene und aufgewachsene Franzosen und Belgier mit wohl in Baden-Württemberg erworbenen Kalaschnikows in Paris über 130 Menschen abschlachten konnten.

Paris ist da kein Ausnahmefall. Die Anschläge in der Londoner U-Bahn, in Madrid, die Sauerland-Bomber, sie alle waren Home-Grown Terrorists. Sie wuchsen in unseren Gesellschaften heran. Sie kamen nicht von außen.

Terrorbekämpfung ist eine Frage der Prävention, eine Frage guter Polizeiarbeit und kluger Aufklärung.

Ja, man muss den Terroristen ihre Rückzugs- und Ausbildungsräume in Syrien und dem Irak nehmen. Doch der „Krieg gegen den Terrorismus“ droht sich genau darauf zu reduzieren.

Dieser Krieg ist so nicht nur nicht zu gewinnen. Über ihn droht man das Notwendige zu unterlassen.

Das ist die eigentliche Gefahr.

Es die Fahrlässigkeit im Umgang mit unserer Sicherheit, die starke Symbole an die Stelle wirksamen Handelns setzt, die lieber Tornados als Geld für Polizisten und Prävention auszugeben.

Klimawandel bedroht Grünkohl

Als ich mich auf die Touren dieser Woche vorbereitete, habe ich in den Wetterbericht geschaut. Eigentlich hätte Sie das 10. Grünkohlessen absagen müssen. An keinem Tag der Woche prognostizierte wetteronline.de Frost.

Grünkohl braucht Frost. Und zwar nicht von Bo-Frost oder Iglu. Sondern auf dem Acker.

„besonders die Tätigkeit des Enzyms Phosphofructokinase wird stark gehemmt – der Zuckergehalt der Kohlblätter steigt an. Da diese Traubenzucker-Anreicherung nur bei der lebenden Pflanze stattfindet …, kann der Effekt der späten Ernte nicht durch kurzes Einlagern des geernteten Kohls in der Kühltruhe imitiert werden.“

Die Oldenburger Palme droht zu einem Opfer des Klimawandels zu werden.

Auch deshalb findet zurzeit in Paris die große Klimakonferenz statt.

Klimawandel ist nichts, was morgen erst eintritt. Klimawandel wirkt schon heute:

  • Die Ausbreitung der Wüsten, das Austrocknen des Lake Tschad werden von den Vereinten Nationen dafür mitverantwortlich gemacht, dass allein in diesem Jahr 700 000 Kinder in der Sahel-Zone sterben
  • Die katastrophalen Dürrejahre zwischen 2006 und 2011 haben in Syrien Hunderttausende zur Flucht in die Städte gezwungen und so massiv zur Verschärfung der Krise beigetragen.
  • Die Zahl der Klimaflüchtlinge kann in den nächsten Jahren auf 200 Mio. Menschen steigen – so die International Migration Organisation.
  • Die jetzt schon eingetretene Erwärmung wird den Meeresspiegel so weit steigen lassen, dass Schanghai wie Tokio unter dem Meeresspiegel Klimawandel trifft nicht nur kleine Inselstaaten, sondern wirtschaftliche Zentren mit rund 100 Millionen Menschen.

Klimawandel ist ein Bedrohungsmultiplikator und ein gigantisches ökonomisches Risiko.

Deshalb muss Paris ein Abkommen schaffen, dass den globalen Temperaturanstieg begrenzt.

Die Chancen sind da. Zum ersten Mal haben sich China und USA in einem gemeinsamen Abkommen zu eine Begrenzung ihrer Treibhausgase zusammengefunden.

Die Chancen sind nicht so gut, wie sie sein könnten. Denn aus einstigen Vorreitern des Klimaschutzes sind Bremser geworden. Das gilt für Europa. Und das gilt für Deutschland.

Die Energiewende in Deutschland hat Erneuerbare weltweit konkurrenzfähig gemacht. Dank unseres EEG kostet Photovoltaik heute nur noch 10 %, Windstrom nur noch 20 % von dem, was es mal kostete.

Das hat eine globale Energierevolution ausgelöst.

Letztes Jahr wurden zum ersten Mal mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert – 143 GW.

  • China hat Deutschland als Weltmeister der Windenergie abgelöst.
  • In den USA boomen Photovoltaik und Wind.
  • Apple stellt alle seine Server auf Solarstrom um, zusammen mit der Firma First Solar, die von Merkels Politik aus Brandenburg vertrieben wurde.

Das alles wurde erreicht, obwohl die Internationale Energieagentur festgestellt hat, dass die Kilowattstunde fossiler Energie weltweit viermal so hoch subventioniert wird, wie die erneuerbar erzeugte. Weshalb die IEA zur Paris-Konferenz dazu aufruft, fossile Subventionen zu senken.

Merkel und Gabriel tun das Gegenteil.

  • Statt eines Klimabeitrags zur Beendigung der Kohleverstromung gibt es 1,6 Mrd. neue Subventionen für alte Kohlkraftwerke, 900 Mio. für RWE und 700 Mio. für Vattenfall
  • Statt massiver Förderung für emissionsarme Elektroautos gibt es weiter Subventionen für die dicken Diesel von VW, BMW und Mercedes.

Das ist Industriepolitik mit den Prioritäten von vorgestern. Deutschland verschläft die Märkte von Morgen, und subventioniert die von Gestern.

Wer wissen will, wie sich große Konzerne mit dem Festhalten an alter Technik selbst in die Krise reiten können, schaue auf die Aktienkurse  von RWE und E.on. RWE hat in 10 Jahren 80 % seines Wertes verloren.

Wir in Niedersachsen wollen nicht, dass VW sich das gleiche Schicksal beschert wie RWE.

Wir müssen unsere Anstrengungen beim Klimaschutz verdreifachen – das fordert die eigenen Sachverständigen der Bundesregierung.

Recht haben Sie. Wenn wir so weitermachen wie Gabriel und Merkel, heißt das nichts Gutes für künftige  Grünkohlessen hier im Jagdschloss Springe.

Zwar wird man dann Chardonnay und Cabernet am Deister anbauen können, aber zum 20. Grünkohlessen wird dann nicht mehr unser Nationalgericht serviert, sondern der Nationaleintopf von Mallorca: Col amb Bacalà

Auf Deutsch, Grünkohl auf Kartoffeln mit Stockfisch, Rosinen und Knoblauch. Salute

Wir schaffen das – Braunkohl Halal

Bekanntlich besteht unser Nationalgericht aus einer aus Griechenland und Italien stammenden Kohlart. Gereicht wird es mit Kartoffel  – einer aus Südamerika zugewanderten Migrantin, eingeführt von einem preußischen König der zu Hause nur Französisch sprach, weil dies die Sprache der Aufklärung war.

Mit der Aufklärung haben manche Deutsche so ihre Probleme. Unter den albernsten Titeln wie Pegida, Thügida oder gar Frigida demonstrieren sie gegen die Islamisierung des Abendlandes. Bevorzugt dort, wo es so gut wie keine Muslime gibt.

In Wahrheit versammelt sich in Dresden, Erfurt  montags ein rechter Mob, der offen seinen Hass auf Schwächere zelebriert. Menschen wie ich werden da unter Anstiftung der AfDler Gauland und Höcke  als „Volksverräter“ beschimpft, die  Deutschland verlassen sollen.

Und es bleibt nicht bei Hassparolen. Es wird offen Gewalt ausgeübt.

  • Journalistinnen werden ebenso angegriffen wie Polizistinnen und Polizisten.
  • Gegen Flüchtlinge geht das Pack mit Baseballschlägern
  • Brandsätze fliegen auf Flüchtlingswohnheime, nicht nur in Salzhemmendorf. Über zweihundert Anschläge zählt dieses Jahr – Aufklärungsquote 4 %.

Das ist eine Schande.

Leider ist die Beobachtung von Volker Zastrow in der FAZ zutreffend. Wir haben es mit einer „völkischen Bewegung“ zu tun:

„Rund um Pegida und AfD hat sich der Nukleus einer Bürgerkriegspartei gebildet. Ihre Gier nach Gewalt ist mit Händen zu greifen.“

Aber das bleibt nicht unwidersprochen. Tausende engagieren sich für Flüchtlinge.

  • Sie helfen in Berlin vor dem LAGESO, wo es der Staat nicht schafft, Flüchtlinge zu registrieren, sie vor Regen zu schützen und ihnen etwas zu essen zu geben.
  • Sie helfen in Bayern, obwohl Söder und Seehofer die Flüchtlinge lieber abschrecken wollen.
  • Sie holen in Göttingen die Flüchtlinge vom Rathaus ab und bieten Deutschkurse an.
  • Oder sie engagieren sich hier in Springe im Runden Tisch Flüchtlingshilfe.

Ihnen will ich danken.

Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einem „dunklen Deutschland“. Doch nicht nur vor dem Hintergrund diesem dunklen Hintergrund leuchtet das Engagement Tausender Freiweilliger umso heller.

Dieser Tage hat ein Shitstorm von rechts Netto gezwungen, die Kennzeichnung von Lebensmittel, die mit den Überzeugungen von Muslimen zu vereinbaren sind, aufzugeben. Muslime sollen sich bei Netto nicht mehr einfach informieren, können welche Nahrungsmittel Halal sind.

Das ist nicht nur verbraucherfeindlich – es ist feige.

Deshalb an dieser Stelle mein Rezept für Grünkohl Halal. Wer meint, man könne am Runden Tisch keinen Grünkohl servieren der irrt:

Versuchen Sie mal die Zwiebeln mit Gänseschmalz anzubraten, Zucker zu karamellisieren, den Kohl mit geräucherter Putenbrust und Rindermettenden hinzuzugeben und lassen oben drauf im Ofen eine Gänsebrust knusprig werden. Und wenn Sie, wie ich, Bremer sind, fügen sie ordentlich Piment hinzu.

Sie werden sehen, dieser Braunkohl ist nicht nur Halal, sondern überaus lecker.

Korn ist kein Wein

Gerade in einer sich verändernden Welt gilt es zu bewahren. Unser Nationalgericht ist nicht nur der Bedrohung durch den Klimawandel aus gesetzt.

Die größte kulturelle Bedrohung kommt, nicht erst mit TTIP – von jenseits des Atlantiks.

Es ist der Grünkohl-Smoothie.

In den USA kannte man lange keinen Grünkohl. Nun aber entdeckte man, was wir in Niedersachsen schon lange wissen. Unser Grünkohl enthält massenhaft Antioxidantien. Auf Deutsch: Grünkohl ist schwer gesund.

Doch was machen die Amerikaner mit der Erkenntnis, dass die Oldenburger Palme healthy ist? Sie werfen ihn mit Ananas, Banane oder Kiwi in einen Mixer, pürieren und trinken ihn.

Das ist wie Veggie-Day mit kalter Küche ohne Fußbodenheizung.

Dabei ist doch die Frage Grünkohl und Getränk geklärt. Es gibt nur ein Getränk zu unserem Nationalgericht.  Und das ist kein Smoothie, sondern Korn.

Das trifft sich. Denn in der 5. Sure bezeichnet der Prophet zwar den Wein zusammen mit dem Glückspiel für „des Teufels“.

Wir aber wissen

Korn ist kein Wein. Prost

Nicht lang schnacken – Kopf in Nacken!

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