12 Jahre Karo Linnert

Grüne Finanzpolitik: Starke Frauen

Liebe Alexandra,
lieber Hermann,
liebe Maike,
liebe Freundinnen und Freunde,

ich danke für die Einladung zur heutigen Landesmitgliederversammlung. Heute bin ich als Vegesacker gerne in die Neue Vahr Süd gekommen.

Das war nicht immer so. Da, wo heute das Polizeipräsidium ist, stand einst die Lettow-Vorbeck-Kaserne. In der musste ich bis zu meiner erfolgreichen Klage vor dem Bremer Verwaltungsgericht bei der Bundeswehr Dienst tuen. Eine Erfahrung, die ich mit Sven Regner teile.

Heute aber bin aus gutem Grund hier. Ich bin nämlich wegen Dir hier, liebe Karo. Als Dietmar Strehl anrief und fragte, ob ich zu Deiner Verabschiedung auf dieser – manche würden sagen historischen – Landesmitglieder-versammlung etwas sagen würde, habe ich sofort zugesagt.

Denn ich finde, Du hast unser aller Dank verdient – der Bremer Grünen wie der Bundesgrünen.

1 12 Jahre Finanzsenatorin

Du warst die erste grüne Finanzsenatorin. Andere Finanzministerinnen – Monika Heinold in Kiel und Edith Sitzmann in Stuttgart – folgten Dir später.

Aber schon an den Namen erkennt ihr: Grüne Finanzpolitik beruht auf starken Frauen – und die erste starke Frau warst Du.

Du bist angetreten in einem Land, dass strukturell klamm ist – und in dem die vorherige schwarz-rote Koalition zuvor das Geld mit beiden Händen über den Deich geworfen hatte. Du wusstest, Finanzsenatorin in Bremen – das ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Aber wenn es einfach gewesen wäre, warum hättest Du es machen sollen?

Heute steht Bremen besser da als vor zwölf Jahren. Das hat nicht nur mit größerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, einer lange guten Konjunktur zu tun. Zwar sind die strukturellen Probleme eines Stadtstaates, der die Infrastruktur für mehr als ein Million Menschen vorhalten muss, aber nur 600 000 Bürger hat, nicht gelöst. Aber mit der Neueinigung auf einen Länderfinanzausgleich hat Bremen nun eine kalkulierbarere Basis. Das ist stark Karos Verdienst. Denn hier ging es nicht nur darum die Bayern in ihre Schranken zu verweisen.

Die Vorstellungen von Winfried Kretschmann hierzu waren urschwäbisch. Motto: Mir gäbe nix. Das durchzustehen, auch in nächtlichen G-Länder-Runden dazu bedarf es Karos Hartnäckigkeit. Gelöst wurde dieser Konflikt am Ende sehr föderal: Geber- und Nehmerländer einigten sich darauf, dass der Bund zahlt.

Über die Spielräume für den Bremer Haushalt wird weniger in der Bürgerschaft als in Berlin entschieden. Und hier bedurfte es der Hartnäckigkeit einer Karo Linnert – sei es bei den Kosten für die Integration Geflüchteter, bei der Erbschaftssteuer oder zuletzt bei der Grundsteuer.

Immer mussten die Interessen Bremens gegen die Haltung der Union im Bund durchgesetzt werden. Und immer nölte die CDU Bremen am Verhandlungsergebnis herum.

2 Sind Schulden links?

Vor zwölf Jahren fragten viele – warum ausgerechnet Finanzen? Man kann Verwaltung auch bürgerfreundlich umgestalten. Den Staat umbauen als Dienstleister für die Bürger*innen. Das hat Karo getan. Doch der Kern der Antwort ist einfach.

Nach dem Regierungschef ist das Finanzressort das wichtigste Ressort in einer Regierung. Weswegen die Bremer Grünen auch die Finanzen verantworten wollen. Ich höre mit meinem langjährigen Schatzmeister und heutigem Staatsrat Dietmar Strehl. Ich muss Euch warnen, Dietmar ist durchsetzungsstark. Ihn haben auch zwei BDK-Beschlüsse nicht aufhalten können, die Bundesgeschäftsstelle im Regierungsviertel und nicht in Kreuzberg anzusiedeln. Worüber heute alle froh sind.

Vor zwölf Jahren glaubten viele, im Zeitalter knapper Finanzen könne fortschrittliche Politik im Finanzressort nichts gewinnen – schon gar nicht in Bremen. Da will ich mal einem Vorurteil entgegentreten: Es ist nicht links – besonders viel Schulden zu machen. Im Gegenteil.

Wenn der Staat zentrale Aufgabe nicht mehr über Einnahmen finanzieren kann, wenn er sich dafür von den Reichen, die zu viel haben, Geld leihen muss, dann stimmt etwas nicht.

Die strukturelle Unterfinanzierung unserer Bildung, unserer Infrastruktur hat eine Ursache darin, dass in Deutschland nicht nach der Leistungsfähigkeit besteuert wird.

Ja, es gibt Steuerdumping in Europa. Steuerdumping für Holdings in Holland, für Großkonzerne in Irland und Luxemburg. Aber es gibt auch Steuerdumping in Deutschland.

Was die Besteuerung von Erbschaften und Vermögen angeht, ist Deutschland ein Steuersumpf.

Das ist einer der Gründe für die wachsende Vermögensungleichheit, auf die Rezo in seinem Video gut begründet hinwies. In keinem Land Europas außer Österreich ist das Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. 45 Reiche besitzen so viel Vermögen wie die untere Hälfte der Deutschen. Diesen Steuersumpf trocken zu legen, dafür hat Karo immer gekämpft.

Zu Recht. Wir brauchen eine angemessene Erbschafts- und Vermögenssteuer, denn eine wachsende Vermögensungleichheit untergräbt unsere demokratische Gesellschaft. Erben ist leistungsloses Einkommen. Sozusagen das Modell Lenke Steiner. Mutter Gabi hat es verdient, Lenke bekommt es übertragen und wird Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmen und kommt ins Präsidium der sogenannten Familienunternehmer.

Ich finde das Kapitaleinkünfte genauso besteuert werden müssen wie Arbeitseinkommen – und leistungsloses Einkommen darf nicht faktisch steuerfrei sein. So gesehen geht Karo zu früh aus dem Amt.

Als Senatorin wirst Du es nun nicht mehr erleben, dass das Bundesverfassungsgericht auch die letzte Regelung zur Erbschaftssteuer für verfassungswidrig erklären wird. Aber kommen wird das.

3 Generationen gerecht?

Bremen unter Rot-Grün war weiser als andere Länder. Hier wurde neben der Schuldenbremse auch eine Privatisierungsbremse in die Verfassung aufgenommen. Öffentliche Infrastruktur muss in demokratischer Kontrolle bleiben. Das war nach den Jahren der Verschleuderung öffentlichen Vermögens durch SPD und CDU überfällig.

Neuerdings wird die Schuldenbremse attackiert. Nein, nicht von den Genoss*innen der Linkspartei. Sondern vom Institut der Deutschen Wirtschaft. IW-Chef Prof. Hüther nennt die Schuldenbremse „nicht mehr zeitgemäß“.

Ich lese hier keine BDI-Zitate von vor 10 Jahren vor. Sondern verweise nur darauf, dass Karo bereits vor fünf Jahren darauf hingewiesen hat, dass Sonderbelastungen – wie etwa für die Integration von Geflüchteten – nicht mit einer schematischen Anwendung der Schuldenbremse zu bewältigen sind.

Die neue Diskussion um die Schuldenbremse aber hat einen einfachen Grund. Anhaltend niedrige Zinsen. Selbst zehnjährige Bundesanleihen haben aktuell negative Zinsen. Dreißigjährige Anleihen notieren bei null.

Wenn ich also die Investition in den Erhalt einer Brücke, in den Ausbau eines Fahrradnetzes, in die Schaffung von Mietwohnung innerhalb der Abschreibungsfrist Kapitalkosten von Null finanziert bekomme – warum soll ich diese unterlassen? Generationengerechtigkeit verbietet es unseren Kindern und Enkeln einen Haufen Schulden zu hinterlassen. Generationengerechtigkeit verbietet es aber auch ihnen eine verrottete Infrastruktur zu hinterlassen. Zumal die Instandsetzung heute billiger ist, als später, wenn die Brücke endgültig rott ist.

4 Karo

Liebe Karo. Du hast in den letzten 12 Jahren gezeigt, dass Grüne unter schwierigen finanziellen Bedingungen gestalten können. Mit Deinem Hintergrund als ehemalige Fraktionsvorsitzende hast Du Dich auch in anderen Fragen klar positioniert – etwa in den Haltungen Bremens zur Flüchtlings- und Asylpolitik.

Wenn es in meiner Bundestagsfraktion Ärger über grüne Länder gab – dann war das kein Ärger über Bremen.

Die Bürgermeisterin Karo Linnert steht für ein weltoffenes solidarisches Bremen. Ich kann sagen: So ist meine Heimatstadt.

Wenn heute über einen Koalitionsvertrag mit mehr grün diskutiert und entschieden wird, dann ist das nach 12 Jahren auch ein Verdienst grüner Kontinuität in Bremen. Dazu hast Du in diesen 12 Jahren viel beigetragen. Oft auch in schwierigen Zeiten, die Dich persönlich extrem forderten.

Ich war bei vielen Wahlkämpfen in Bremen. Aber die Haltung, mit der Du 2015 den Wahlkampf nach dem Tod Deines Helmut durchgestanden hast, war tief beeindruckend und unendlich berührend. Ich werde das nie vergessen.

Ich weiß nicht, was Du nun machen wirst – vielleicht weißt Du es auch nicht. Eines aber braucht Du nicht mehr zu machen – von Bielefeld nach Bremen gehen.

„Weißt du was?“ sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh mit und lasse dich auch bei der Musik annehmen.

Du bist all da – hier in Bremen.

Also schlag die Laute oder hau auf die Pauke -aber mach Dir ein schönes Leben.

Herzlichen Dank – und alles, alles Gute.

Tschüss Karo!

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