Zum Abschied von Olaf Tschimpke: Sturmfest und Erdverwachsen

Die Klimakrise bedroht die Artenvielfalt

Liebe Barbara,
lieber Olaf,
lieber Jörg-​Andreas Krüger,
lieber Leif,
liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren.

vielen Dank für die Einladung.

1                  Erfolgsgeschichte

Dass ich 16 Jahre später mal auf Deiner Abschiedsfeier sprechen würde, lieber Olaf, hätten wir beide wohl bei Deinem Amtsantritt nicht vermutet.

16 Jahre warst Du Präsident des heute größten Umweltverbandes Deutschlands. 2003, als Ihr glaube ich noch nicht der größte wart, hattet Ihr nur halb so viele Mitglieder wie heute.

Die Mitgliederzahlen in seiner Amtszeit zu verdoppeln ist eine Leistung, die bleibt.

Und macht viele neidisch – allen voran die Union und die SPD. Wir Grünen versuchen gerade das nachzumachen und sind auf mit 94.000 Mitglieder einem guten Weg – aber weit vom NABU mit seinen über 700.000 Mitgliedern weit entfernt.

700.000 NABU-Mitglieder das sind 700.000 Anwälte der Natur, 700.000 Kämpfer für die biologische Vielfalt – damit auch morgen noch Vögel singen und Bienen summen.

2                  Anwalt der Natur

An Deinem Amtsantritt stand eine neue Herausforderung für Euch. Bekanntlich habe ich Deinen Amtsvorgänger Jochen Flasbarth zum Abteilungsleiter Naturschutz gemacht.

Das haben mir damals einige beim NABU übel genommen. Du hast mal vor ein paar Jahren einer Zeitung gesagt, dass Ihr unter Schwarz-Rot „in gewisser Weise sogar mehr Bewegungsspielraum hättet, als unter Rot-Grün…“ ich weiß nicht, ob Du das heute noch wiederholen würdest angesichts der Bilanz der Großen Koalition bei Klima und Artenvielfalt.

Aber in der Tat verwies der Vorgang Flasbarth auf ein Dilemma – wie ist das Verhältnis zwischen Regierung und Nicht-Regierungs-Organisation?

Vor allem, wenn die Regierung – anders als heute – in die gleiche Richtung will wie die NGOs?

Es gibt dafür ein Beispiel. Mit dem von Rot-Grün  verabschiedeten Naturschutzgesetz hat die Natur Rechte bekommen. Wir haben das bundeseinheitlich geregelte Verbandsklagerechts eingeführt. Die NGOs wurden zu Anwälten, die die Rechte der Natur endlich vor Gericht vertreten verteidigen konnten.

Davon habt Ihr reichlich Gebrauch gemacht. Übrigens auch gegen mich. Leif warf mir wegen der Genehmigung des Windparks Butendiek sogar „Unwissenheiten und Anmaßungen“[1] vor. Und der NABU klagte. In diesem Fall vergeblich – und vor einigen Jahren habe ich den Park eingeweiht.

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass solche Parks bei allen Beeinträchtigung beim Bau unter dem Strich den Schweinswalen eher nutzen – weil in ihnen jene Fischerei nicht betrieben werden kann, die 2.000 Kleinwale in Nord- und Ostsee jährlich das Leben kosten.

Und es finden dort auch keine Munitionssprengungen statt, die jüngst 32 Kleinwale in der Ostsee killten.

Aber die Verbandsklage hat sich zu einem Instrument zur Sicherung der Naturinteressen bei Planvorhaben bewährt. Seine Einführung hat die Zivilgesellschaft ermächtigt und die Artenvielfalt gestärkt.

So kann konflikthafte Kooperation zwischen Regierung und Verbänden funktionieren.

Heute steht das Verbandsklagerecht wieder unter Druck. Und das liegt nicht nur am erfolgreichen Kampf der DUH gegen Dieselstinker.

Aber auch dort, wo zwischen uns Differenzen bestehen – in einem kannst Du dir sicher sein, lieber Olaf:

Wir werden eine Einschränkung der Beteiligungsrechte und des Verbandsklagerechts für die Umweltverbände bekämpfen.

3                  Deutschland hängt sich ab

Doch bei allen Erfolgen – bei allem Engagement, trotz des Volksbegehrens für Artenvielfalt in Bayern, trotz NABU, trotz Friday for Future:

Der Verlust Biologischer Vielfalt und die Klimakrise schreiten voran. Ihre Auswirkungen sind immer weniger zu ignorieren.

Und es erscheint mir absurd, wenn ausgerechnet die Branche, deren Art zu Wirtschaften dafür verantwortlich ist, dass es in der Großstadt Berlin mehr Vogelarten gibt, als im ländlichen Brandenburg, die gestern Berlin blockierte mit der Forderung, weiter mit Gülle unser Grundwasser zu belasten und Glyphosat einsetzen zu dürfen, sich als Opfer hinstellt.

Ja, es gibt unzählige Bauern, die Opfer der schwarzen Agrarpolitik sind. Sie wurden mit Wachsen oder Weichen in den Konkurs getrieben.Viele sind zu Franchisenehmernvon Wiesenhof und Wesjohann degradiert worden.

Aber von einer Branche, die von jedem Bundesbürger mit 114 € subventioniert wird, darf man erwarten, dass sie so wirtschaftet, dass nicht die Grundlagen unserer Lebens und ihrer eigenen Produktion zerstört wird.

Der Erhalt der globalen Biodiversität wird im nächsten Jahr auf der CBD in China verhandelt.

Aber der Schutz der Artenvielfalt beginnt hier – mit einer anderen Agrarpolitik.

Und dafür hast Du Olaf immer gestritten – ganz Niedersachse – sturmfest und erdverwachsen.

Dafür danke ich Dir.

Die Häufigkeit und die Schärfe der Appelle, endlich etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen nehmen exponentiell zu.

Doch je dringender das Handeln wird, umso passiver agiert unsere Bundesregierung.

Die Bundesregierung wird ihr eigenes Reduktionsziel von -40 % bis 2020 krachend verfehlen.

Die Untätigkeit setzt sich mit dem Klimapäckchen für 2030 fort.

Wir müssen klimaneutral werden. Auch hier wissen wir, wie das geht.

  • Sie will einen CO2-Preis von 10 € einführen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), hat errechnet, dass wir für das -1,5 Grad Ziel einen globalen CO2-Preis von 70 US $ pro Tonne brauchen. Der aktuelle Preis an der Börse beträgt rund 26 €.
  • Wer das Klima schützen will, darf nicht klimaschädliches Verhalten belohnen. Der IWF beziffert die weltweiten fossilen Subventionen mit 5.3 Billionen $. Er fordert den Abbau klimaschädlicher Subventionen. Deutschland befeuert mit 50 Mrd. € jährlich die Klimakrise. Und was macht die Bundesregierung? Sie baut klimaschädliche Subventionen im Klimapäckchen aus. Sie erhöht die Entfernungspauschale.

Alles in allem: So wird das nichts.

Das Klimapäckchen der Bundesregierung ist eine Mogelpackung.

Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen dürften gerade mal ein Drittel der notwendigen Reduktionen bis 2030 erreicht werden.

Völlig scheitern wird Deutschland, wenn Ursula von der Leyen ihre Ankündigung durchsetzt, in den ersten 100 Tagen gesetzlich verbindlich zu beschließen, dass Europa bis 2050 klimaneutral zu sein hat.

Das aber hieße, Europa muss 2030 nicht 40 % reduziert haben, sondern 50 bis 55 %.

Und Deutschland als Großemitter muss dann nicht  55 % – sondern bis 2030 65 bis 70 % reduziert haben.

Deutschland muss also mehr tun.

  • Wir brauchen ein Verbot fossiler Verbrennungsmotoren bis 2030.
  • Wir brauchen eine CO2-Steuer, die im Ein-stieg für einen CO2-Preis von 40 € pro Tonne sorgt.
  • Wir brauchen eine soziale Entlastung die die Einnahmen dieser Steuer als (pro Kopf) Energiegeld zurückgibt – im Einstieg mit 400 € für eine vierköpfige Familie.
  • Wir brauchen einen massiveren Ausbau Erneuerbaren Energien.

4                  Wind

An dieser Stelle sehe ich im Raum viel Zustimmung. Und niemand wird mir widersprechen, wenn ich sage:

Die Klimakrise erfordert ein massives Umsteuern.

  • Wir müssen unseren gesamten benötigten Strom emissionsfrei und sauber erzeugen – also erneuerbar!
  • Wir müssen unsere Mobilität – fahren, fliegen, auch transportieren – auf emissionsfrei umstellen.
  • Wir müssen unsere Wärmeerzeugung auf erneuerbar umstellen.

Dann habe ich aber eine unbequeme Botschaft:

Das alles geht nicht ohne Windkraft.

Ohne mehr Windkraft wird nicht einmal der Kohleausstieg 2038 zu realisieren sein – geschweige denn ein früherer.

Wir brauchen Akzeptanz – aber wir brauchen auch die Realisierung neuer Anlagen, wir brauchen Repowering. Wir können uns einen Rückbau nicht leisten. Wir brauchen rund 2 % der Fläche mit Vorrang für Windkraft.

Das führt zu Konflikten. Das ist eine Herausforderung, vor der auch Ihr steht. Vor der Sie, lieber Präsident Jörg-Andreas Krüger, jetzt stehen.

Die Bundesregierung will das Gegenteil. Wer von 5 Gebäuden im Außenbereich 1000 m Abstand verlangt, will den Ausbau der Windenergie stoppen. Kein Wunder, dass die Kanzlerin heute Morgen die Europäische Investitionsbank dafür kritisierte, auch keine Gasprojekte mehr zu finanzieren.

Wer die Windkraft abwürgt, muss auf fossiles Gas setzen – Gas, das gefrackt eine CO2-Bilanz wie Kohle hat.

Der NABU kann das nicht wollen. Und deshalb hätte ich mir gewünscht, dass Ihr wie Greenpeace, wie der WWF, wie Germanwatch, wie die Deutsche Umwelthilfe die 10 Punkte zur Rettung der Windenergie mit getragen hättet.

Denn wahr ist:

Die größte Bedrohung für die Artenvielfalt ist die Klimakrise.

Und die Abstandsregelung der Bundesregierung schützt ja keine bedrohten Arten. Die Vögel vom Schlage NimbyNot in my Back Yard – sind weit verbreitet.

Diese Wahrheit auszusprechen, hindert nicht daran, mitzuhelfen, Konflikte zwischen Naturschutz und der Energiewende zu lösen. Das Kompetenzzentrum des Bundes, eine Idee von Dir, lieber Olaf, ist ein richtiges Instrument dafür.

Aber wir brauchen Klarheit – ohne einen massiven Ausbau der Windenergie werden die Klimaziele nicht erreicht werden.

Naturschützer sind Klimaschützer, Klimaschützer sind Naturschützer.

5                  Alles Gute

Lieber Olaf,

Du wirst Dich in Zukunft mehr mit dem internationalen Naturschutz beschäftigen. Der Dschungel in Sumatra und vieles mehr wird Deine Aufgabe.

Herr Präsident Krüger,

Sie haben ein bestelltes Feld übernommen. Und mit ihnen bleibt der NABU in niedersächsischer Hand.

Vielen Dank für 16 Jahre engagierter Präsidentschaft, Olaf.

Ihnen, Herr Krüger viel Erfolg für die kommenden Jahre!


[1]              http://scharf-links.de/42.0.html?&tx_ttnews[year]=2008&tx_ttnews[month]=09&tx_ttnews[pS]=1251772879&tx_ttnews[cat]=28&tx_ttnews[pointer]=4&tx_ttnews[tt_news]=53162&cHash=99c2413260

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