Etwas zu verändern ist eine Frage des politischen Willens

Mein Name ist Rosa und ich bin Jugendreporterin beim Tierschutzverein Berlin. Ich habe vom mutigen Entschluss Jürgen Trittins gelesen, die Tätigkeit für den Sport-Verein Werder Bremen, als Botschafter „Lebenslang umweltbewusst“, einzustellen.

Der Grund dafür war die Entscheidung von Werder Bremen, sich für „Wiesenhof“ als Sponsor zu entscheiden. Das fand ich richtig gut und habe um ein Interview gebeten. Dieses bekam ich dann auch und hatte ein tolles Gespräch mit Herrn Trittin, in seinem Büro, im Jakob Kaiser Haus.

Der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert. Wie kann es dann sein, dass es immer wieder zu Skandalen kommt, wie zum Beispiel bei „Wiesenhof“?

Im Grundgesetz stehen allgemeine Regeln, an die sich jedoch nicht immer alle halten und es gibt ganz wenige Bereiche, wo dies richtig kontrolliert wird. Deshalb gibt es neben dem Grundgesetz noch andere Gesetze, wie z.B. das Tierschutzgesetz. Lange Zeit war nicht klar, was denn eigentlich Tierquälerei ist. Umstritten ist auch, ob es Quälerei ist, so viele Tiere auf so engem Raum zu halten und ihnen regelmäßig Antibiotika zu verabreichen, auch wenn sie nicht krank sind. Im Grunde geht es bei dem Streit darum, wie dieser Artikel im Grundgesetz zu verstehen ist.

Wie hat Werder denn reagiert, als Sie sich für den Rücktritt als Botschafter entschieden haben?

Ich hätte mir gewünscht, dass Werder mich vorher fragt, ob ich es richtig finde, Wiesenhof als Sponsor zu nehmen. Sie haben mich ja auch gefragt, welchen Gutachter sie für ein Energiemanagement im Stadion bestellen sollen. Aber so konnte ich mich nur mit dem Ergebnis auseinandersetzen. Gern hätte ich versucht, sie zu überzeugen, es nicht zu tun. Mir blieb nichts anderes übrig, als aus folgenden drei Gründen nein zu sagen. 1. Man kann diese Form von Tierproduktion nur betreiben, wenn man massenhaft Futtermittel, z.B. aus Südamerika, importiert, welche häufig in abgeholzten Regenwaldgebieten angebaut werden. Dadurch schädigt man das Klima, da Regenwälder abholzt werden, die CO2 speichern. 2. In diesen Anlagen werden so viele Tiere gehalten, dass die Fläche mit den Abfällen nicht klar kommt. 3. Dies geht häufig mit tierquälerischen Haltungsformen einher. Fairer Weise muss man sagen, dass dies nicht für alle Wiesenhofprodukte gilt.

Tja, Werder war traurig, musste meine Entscheidung aber akzeptieren.

Gab es von Wiesenhof eine Reaktion?

Ich habe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gelesen, dass Wiesenhof dies anders sieht aber ich finde die Fakten offensichtlich.

Was ist so schlimm an billigem Fleisch ?

Ich habe nichts dagegen, dass Fleisch billig ist, aber es ist ja nicht wirklich billig. Wir haben das Problem, dass in dieses Fleisch der Preis für die Belastung unseres Wassers eingehen müsste, auch das, was wir für die Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen unternehmen oder für die Nahrungsmittelhilfe, welche wir nach Afrika liefern, weil wir den Landwirten dort die Lebensgrundlage kaputt gemacht haben. Dies sind alles Dinge, die sich im Preis nicht widerspiegeln. Es geht nicht um „billig“, sondern darum, ob der Preis für uns alle Kosten wiedergibt. Und dies ist bei Billigfleisch nicht der Fall.

Welche Auswirkungen hat die Massentierhaltung auf die Natur und die Menschen?

Wir haben zunehmende Gewässerverschmutzung, wir haben Monokulturen, den Verlust von Artenvielfalt bei Vögeln und Insekten, also der Verlust an biologischer Vielfalt in intensiv landwirtschaftlich genutzten Räumen. Der Mensch ist ein Allesfresser aber kein „nur Fleischfresser“. Wenn man
dies im Übermaß tut, erhöhen sich die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Krankheiten, z.B. Übergewicht und daraus folgend Diabetes, Verkalkung der Gefäße und daraus folgend die Gefahr von Schlaganfällen, auch die Gefahr von Herzinfarkten steigt. Gesund ist dies also alles nicht. Wenn ein Tier krank ist, muss man immer den ganzen Bestand schlachten, deshalb werden Antibiotika in der Zucht flächendeckend eingesetzt. Dies vermehrt wiederum die Keime, die gegen bestimmte Antibiotika resistent sind und wir haben in Kliniken zunehmend ein Problem mit resistenten Keimen, die ein gefährliches Risiko darstellen und bis zum Tode führen können. Wenn wir Menschen krank sind verschreibt der Arzt ein Medikament, welches man dann vom Apotheker bekommt. Beim Tiermediziner ist das anders. Dort ist der Arzt gleichzeitig der Apotheker und da es für Tiere keine Krankenkassen gibt, muss der Bauer alles selbst bezahlen. Der Arzt verdient natürlich umso mehr, je mehr Medikamente ihm abgenommen werden.

Dies muss beendet werden, wer verschreibt, darf nicht verkaufen.

Was kann jedes einzelne Kind für Tierschutz und Umweltschutz tun?

Ich glaube, dass man schauen und nachfragen sollte, wo das, was wir essen her kommt. Kommt es aus tierquälerischer Haltung oder hat das Schaf sein Leben auf der Weide verbracht. Man sollte auch einfach schon ganz früh die unterschiedlichen Gemüsesorten ausprobieren und nicht gleich sagen: „Das esse ich nicht!“

Also Nachfragen und andere Dinge entdecken ist wichtig.

Müsste nicht in den Schulen viel mehr für Umwelt- und Tierschutz gelehrt werden?

Wir sollten uns an den Schulen Mühe geben, mehr über solche Zusammenhänge zu lehren. Schulen haben meiner Meinung nach auch die Verantwortung, Schülerinnen und Schülern durch eine gesunde, abwechslungsreiche und Freude machende Schulverpflegung dazu zu bringen all diese Dinge zu entdecken. Oft ist Schulspeisung viel zu lieblos und so, dass man sie nicht essen kann.

Können Gesetzen verhindern, dass Tiere so gequält werden, oder müsste nicht jeder einzelne Mensch in seinem Kopf etwas ändern? Viele Menschen kennen ja die Probleme, kaufen aber trotzdem im Supermarkt oder beim Discounter viel und billig Fleisch und Wurst.

Ich glaube, wir müssen etwas ähnliches erreichen, wie bei den frischen Eiern. Durch die Markierung wurde ein erheblicher Rückgang am Kauf von Käfigeiern erzielt.

Deshalb bemüht sich der deutsche Tierschutzbund, zu einer Zertifizierung zu kommen. Aber ich denke, dass wir trotz allem gesetzliche Reglungen brauchen. Wir müssen den Landkreisen das Recht geben, Größenbegrenzungen einzuführen und Betriebe nicht mehr zuzulassen. Bis jetzt gilt hier Gewerbefreiheit und so lange das Emissionsschutzgesetz erfüllt ist, müssen die Anlagen genehmigt werden. Und deshalb ist dies nicht nur eine Frage des Verbraucherverhaltens sondern auch eine Frage von Gesetzen.

Ich bin Vegetarierin, weil mir die Tiere sehr am Herzen liegen und egal wie sie getötet werden, sie werden getötet. Sind Sie Vegetarier?

Nein, ich bin kein Vegetarier, esse aber wahrlich nicht jeden Tag Fleisch. Ich teile und respektiere diese Meinung und kenne viele Kinder und Jugendliche, die Vegetarier sind, auch von meinen Freunden. Wenn sie zu uns zu Besuch kommen, ist dies der Maßstab für das, was wir kochen. Wichtig ist, dass Tiere nicht gequält werden und das nicht zu viele Tiere auf einer Fläche gehalten werden. Für mich gibt es eine ganz einfache Regel: man sollte auf einer Fläche nicht mehr Tiere halten, als sich dort ernähren können und die Fläche aufnehmen kann. Dann hätten wir deutlich weniger Tiere in der Tierhaltung, die Menschen würden deutlich weniger Fleisch essen, welches dann auch teurer wäre und es würden deutlich weniger Tiere getötet werden.

Kann die Politik überhaupt etwas gegen die Interessen der großen Konzerne ausrichten?

Ja, wenn man dies will, kann man es auch. Ich habe gegen vier große Stromkonzerne den Atomausstieg durchgesetzt, ich habe ihnen
inzwischen 25% des Stromerzeugungsmarktes abgenommen. Wenn man will, kann man es also. Deshalb ist dies eher eine Frage des politischen Willens, als der Macht der Konzerne. Sie sind nur so mächtig, wie wir es zulassen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie auf unserer Welt verändern?

Das größte Problem ist der Klimawandel und es wird immer schwieriger und dramatischer dies in den Griff zu bekommen. Dafür müssen die großen Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen mindern, dafür muss man die Entwaldung im Süden stoppen und dafür müssen die Meere wieder instand gesetzt werden.

Ich bedanke mich, dass Sie mir dieses tolle Gespräch ermöglicht haben und wünsche weiterhin viel Erfolg!

Viele Grüße

Rosa Ruminski

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