Einfach und wirksam

Einfach und wirksam

Einen Frisbee zu fangen ist schwierig. Andrew Haldane, verantwortlich für die Finanzmarktstabilität bei der Bank of England, hat dies wunderbar erläutert. Man muss dazu eine Vielzahl physikalischer und atmosphärischer Faktoren berücksichtigen. Wenn ein Physiker die Regeln aufzuschreiben hätte, würde er ein kompliziertes Traktat verfassen. Dennoch gelingt es den meisten Menschen, einen Frisbee zu fangen. Banken krisensicher zu machen, ist ebenfalls schwierig. Man muss dazu eine Vielzahl finanzieller und psychologischer Faktoren berücksichtigen. Wenn ein Jurist dazu die Regeln aufzuschreiben hätte, würde er ein kompliziertes Traktat verfassen. Genau dies ist im Turm zu Basel geschehen, mit dem Regulierungsansatz von Basel II und jetzt auch Basel III. Haldane schätzt, dass die Umsetzungsrichtlinien über 60.000 Seiten umfassen werden.
Diese Regulierung führt zu hohen bürokratischen Kosten: für die Verwaltung und für die Compliance-Abteilungen in den Banken. Kleine Institute geraten unter Konsolidierungsdruck. Diese Regulierung führt ferner zu Scheinsicherheit und zu einem Wettrüsten zwischen Finanzindustrie und Aufsicht. Extreme Ausmaße hat dies bei den Eigenkapitalvorschriften angenommen. Die Deutsche Bank weist eine Quote von 17,1 Prozent regulatorischem Eigenkapital aus. Trotz der Bilanzsumme von über zwei Billionen Euro sind aber nur 54 Milliarden Euro Eigenkapital (2,7 Prozent) vorhanden. Der Grund ist, dass Eigenkapital auf risikogewichtete Aktiva berechnet wird.
Die Deutsche Bank nutzt zur Berechnung dieser Risiken Modelle aus dem Bereich der Wahrscheinlichkeitstheorie. Um diese Modelle nutzbar zu machen, müssen vereinfachende Annahmen getroffen werden. Die Genauigkeit der Modelle von 99,98 Prozent gilt aber nur unter Einschränkung der gewagten Annahmen. Finanzaufsicht BaFin und Bundesbank tragen diese Vorgehensweise mit und haben im Jahr 2012 sogar geholfen, die Eigenkapitalquote der Bank durch großzügigere Risikogewichtung zu verbessern. Kein Mensch außerhalb von Finanzaufsicht und Deutscher Bank versteht, warum wir uns immer noch auf theoretische Annahmen in Modellen verlassen, nachdem diese in der Finanzmarktkrise auf schärfste Weise widerlegt wurden.
Die Antwort auf komplexe Finanzmärkte sind nicht komplexe Regulierungen. Ziel muss es sein, die Komplexität der Finanzmärkte zu reduzieren. Eine harte Eigenkapitalquote auf die ungewichtete Bilanz – leverage ratio genannt– ist der zentrale Baustein einer solchen Strategie. Nur Eigenkapital kann im Zweifel unerwartete Verluste auffangen. In der europäischen Umsetzung von Basel III ist diese Verschuldungsgrenze jedoch lediglich als Beobachtungskennziffer vorgesehen.
Eine „leverage ratio“ wirkt als Schuldenbremse für Banken, reduziert die Schuldenaufnahme im Finanzsektor, verringert damit Ansteckungseffekte und macht den Sektor stabiler. Wir brauchen einen Umbau des Finanzsystems mit Banken, die den Staat nicht länger erpressen können. Anders als die Bundesregierung und viele in der Branche meinen, liegen die entscheidenden Schritte noch vor uns. Ziel müssen einfachere, aber striktere Regeln sein.

Dieser Gastbeitrag von Gerhard Schick und Jürgen Trittin erschien am 29.5.2013 im Handelsblatt

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