Energiewende ja, aber ehrlich

Die Energiewende ist die zentrale wirtschafts- und klimapolitische Aufgabe unserer Zeit, für deren Umsetzung es Enthusiasmus, Überzeugungskraft und nachhaltige Entschlossenheit braucht. Sie ist kein Selbstläufer, aber allen Unkenrufen zum Trotz eine Erfolgsgeschichte. Fast ein Viertel des Stroms wird Erneuerbar erzeugt und zwar zu Preisen, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar waren. So kostet der mit Solarzellen auf dem Hausdach erzeugte Strom nicht mehr 40 Cent sondern nur noch 15 Cent pro Kilowattstunde. Am Spotmarkt liegt der Preis inzwischen bei unter vier Cent und damit nur halb so hoch wie 2008. Diese Erfolgsgeschichte war nur durch einen klugen staatlichen Rahmen möglich – das EEG. Diese kluge Regelung war zum Glück stärker als die ideologische Fixierung jener FDP-Wirtschaftsminister Brüderle und Rösler, die in den letzten vier Jahren alles daran gesetzt haben, die Erfolgsgeschichte Energiewende auszubremsen.

Wenn Brüderle und Rösler in ihrem Beitrag vom 12. Juli feststellen, dass die Energiewende jetzt gefährdet ist, geben wir ihnen recht: Sie selbst sind die Gefahr. Sie haben mit einer exorbitanten Ausweitung der Ausnahmen bei der EEG-Umlage aus dem EEG eine planwirtschaftliche Subventionsmaschine gemacht, bei der der Wirtschaftsminister dafür sorgt, dass Hähnchenschlachtereien und Zementwerke ihren Strom für unter 10 Cent erhalten, während Mittelstand und Bürger mehr als 25 Cent bezahlen müssen. Bereits 2010 erhielten Unternehmen Befreiungen von der EEG-Umlage in Höhe von fast 2 Milliarden Euro, Tendenz seitdem weiter steigend.
Dabei sollten die Erneuerbaren jeden Wirtschaftsminister freuen: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise klagten alle Branchen über Auftragseinbrüche, Kurzarbeit oder gar Entlassungen. Nur eine Branche boomte weiter, es waren die Erneuerbaren. Brüderle und Rösler haben diesen Zukunftsmarkt wider besseres Wissen vorsätzlich beschädigt. Die Deindustrialisierung, vor der Brüderle und Rösler warnen, haben sie selbst vorangetrieben, zum Beispiel bei der Solarindustrie in Ostdeutschland. Sie haben dafür gesorgt, dass immer größere Teile der EEG-Umlage nicht mehr dafür genutzt werden, Solarzellen zu kaufen und Windräder zu installieren. Stattdessen fließt immer mehr Geld in die Taschen der Agrarindustrie, der Schwerindustrie oder in die von findigen Unternehmern. Dieser Klientelismus schadet mehrfach: Den Stromkunden, dem Klima und der Wirtschaft.

Die großen Energieversorger haben neue Kohle- und Gaskraftwerke investiert, statt in Erneuerbare und in den Netzausbau. Und nun beklagen sie, dass sie schlecht gewirtschaftet haben und wollen Hilfe vom Staat. Für derartigen Protektionismus steht der selbsternannte Marktwirtschaftler Rösler gerne parat – nur mit Marktwirtschaft hat das rein gar nichts zu tun. Auch wenn Brüderle und Rösler dies in ihrem Beitrag behaupten bleibt es falsch. Marktwirtschaft ist nicht Protektionismus für Großkonzerne sondern gleiche Chancen für alle Marktteilnehmer. RWE. E.on und Co profitieren aber nach wie vor von der staatlich organisierten Planwirtschaft die es bis Mitte der neunziger Jahre in Deutschland gab. Wir brauchen aber dringend echten Wettbewerb auf dem Energiemarkt.

Der Plan, das EEG abzuschaffen und einen Kapazitätsmarkt für alle fossilen Kraftwerke einzuführen, würde nur zu einer Kostenexplosion und zu einem Stopp des Ausbaus der Erneuerbaren führen. Das ist Planwirtschaft – zum Nutzen von Eon und RWE. Rösler und Brüderle wollen Subventionen für Unternehmen, die auf Technologien der Vergangenheit gesetzt haben. Wir stehen dagegen für die Schaffung von Arbeitsplätzen in einer Zukunftsbranche,
in der in den letzten Jahren bereits 400.000 neue Jobs entstanden sind.

Ja, die Energiewende braucht eine bessere Koordination. Sie darf nicht von einem Minister koordiniert werden, der ihr Scheitern will. Wir haben ein Konzept vorgelegt, wie die Energiewende funktionieren kann. Dazu müssen die zahlreichen Privilegien für Unternehmen, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen, bei der EEG-Umlage, bei den Netzentgelten und bei der Stromsteuer abgeschafft und insgesamt wieder auf ein gerechtes Maß zurückgeführt werden. Dies würde die EEG-Umlage und den Strompreis deutlich entlasten und die Kosten für Bürger und Mittelstand senken. Darüber hinaus muss der Emissionshandel wieder in Fahrt kommen. Ursprünglich wurde mit einem Zertifikatspreis von mindestens 30 Euro gerechnet. Dieser liegt aber zur Zeit bei unter fünf Euro und hat daher keine Lenkungswirkung mehr. Das beschlossene Backloading reicht nicht aus. Wirksam wäre ein Set-Aside, also eine Verknappung der Zertifikate, sowie ambitionierte Reduktionsziele bis 2030.

Darüber hinaus müssen wie im EEG vorgesehen alle Boni auf den Prüfstand und die Vergütungssätze bei der Windkraft an die Standorte angepasst werden. Damit kann man die Überförderung an besonders windreichen Standorten verhindern und durch leichte Anhebung an windarmen Standorten den Ausbau in Süddeutschland ohne zusätzliche Kosten fördern.
Wir brauchen ein Strommarktdesign, das sich an den Erneuerbaren Energien orientiert, für einen weiteren Ausbau sorgt und gleichzeitig hochflexiblen und effizienten fossilen Kraftwerken die Rentabilität sichert. Dazu kann auch ein fokussierter Kapazitätsmarkt beitragen. Die Energiewende braucht keinen „Neustart“, wie Brüderle und Rösler ihn fordern, sondern den ehrlichen Willen zur Umsetzung. Wir sitzen nicht auf irgendwelchen Barrikaden, sondern stehen dafür in den Startlöchern.

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