Der Lotse geht von Bord

Mit Helmut Schmidt geht ein Lotse von Bord. Er war der Krisenmanager während der Hamburger Sturmflut, der ersten großen Ölkrise und im „deutschen Herbst“.

Als Bundeskanzler hat Helmut Schmidt internationale Konventionen entscheidend mitgeprägt. Nach der Ölkrise 1973 und dem Zusammenbruch des Wechselkurssystems von Bretton Woods haben Schmidt und sein französischer Amtskollege Valéry Giscard d’Estaing den Weltwirtschaftsgipfel ins Leben gerufen, einen Vorläufer der G7. 1978 hat das Team Schmidt-Giscard d’Estaing das Europäische Währungssystem etabliert und damit der Einführung des Euro den Weg bereitet. Unter Helmut Schmidt wurde die deutsch-französische Freundschaft zum Motor der europäischen Einigung. Der Mann, der Visionen für behandlungsbedürftig hielt, hatte damit eine bis heute aktuelle Vision: wir brauchen mehr Europa.

Aber Helmut Schmidt war – als Antwort auf die Ölkrise – auch lange ein überzeugter Verfechter der Atomenergie, Exporte nach Brasilien eingeschlossen. Seine umstrittene Entscheidung für den NATO-Doppelbeschluss, für die Nachrüstung der Bundesrepublik, hat eine breite Friedensbewegung entstehen lassen. Seine Politik hat wesentlich zur Gründung der Grünen beigetragen. So war er in paradoxer Weise einer der Väter der Grünen.

Nach dem verlorenen Misstrauensvotum 1982 war Helmut Schmidt mehr als dreißig Jahre „außer Dienst“. Er hat sich als elder statesman bei der Bevölkerung und international ein riesiges Vertrauen erarbeitet. Sein Tod ist ein Verlust.

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