Subventionsabbau: Wann, wenn nicht jetzt

Warum im niedrigen Ölpreis auch eine Chance für den ökologischen Umbau steckt

Seit 2014 kennt der Ölpreis nur eine Tendenz – nach unten. Kostete der Barrel im Jahresdurchschnitt noch 52 $ liegt er aktuell eher um 33 $. Die Deutschen – Haushalte wie Industrie – sparen enorm viel Geld. Allein die Kerosinkosten der Lufthansa sind im letzten Jahr um 1,1 Milliarden Euro gesunken. Der Deutsche Autofahrer hat durch die gesunkenen Preise im letzten Jahr ca. 10,5 Milliarden Euro eingespart.

Doch jede gute Nachricht hat ihre schlechte Seite. Ein niedriger Ölpreis ist eine schlechte Nachricht für den Kampf gegen die Klimakrise. Investitionen in Erneuerbare, Energieeffizienz und Energieeinsparung brauchen nun länger, um sich zu rentieren. Umso erstaunlicher ist, dass trotz niedrigem Ölpreis mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten ans Netz gingen. Tendenz wachsend.

Der weltweite Boom erneuerbaren Stroms wurde möglich aufgrund der durch die deutsche Energiewende ausgelösten Kostenreduktion bei der erneuerbaren Stromerzeugung. Erneuerbare boomen, weltweit, obwohl sie unfairer Konkurrenz ausgesetzt sind. Denn trotz des niedrigen Ölpreises werden fossile Energien gewaltig subventioniert. Weltweit mit 500 Milliarden $ jährlich.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) sind fossile Subventionen gut dreimal so hoch, wie alle Subventionen für Erneuerbare Energien. Die Erneuerbaren sind also doppelt benachteiligt: „Das ist wie ein 100-Meter-Lauf, bei dem die fossilen Brennstoffe an der 50-Meter-Marke starten“ – so der Chef der IAE, Birol.

Angeblich werden die Fossilen aus sozialen Gründen subventioniert. In Wahrheit kommen von der halben Billion ganze 8 Prozent bei den Ärmsten an.

Fossile Subventionen sind nicht nur wenig sozial. Sie schädigen das Weltklima. Wenn der Temperaturanstieg deutlich unter 2 °C bleiben soll, wie es sich die Weltgemeinschaft in Paris vorgenommen hat, dann müssen zwei Drittel der heute bekannten fossilen Ressourcen im Boden bleiben.

Es ist also höchste Zeit aufzuhören, das Verbrennen von Öl, Kohle und Gas mit jährlich einer halben Billion Steuergeldern zu subventionieren. Und genau dafür bieten die niedrigen Ölpreise nun eine echte Chance.

Wann, wenn nicht jetzt ist die Gelegenheit mit dieser klimaschädlichen Geldverschwendung aufzuhören?

Manche Länder haben damit begonnen. In Asien werden Subventionen aufs Benzin gestrichen. Doch in Deutschland passiert nichts. Hier wird zwar sonntags dem Subventionsabbau das Wort geredet. Über die Woche macht die Große Koalition das Gegenteil. Zuletzt beschloss sie neue Subventionen ausgerechnet für die Braunkohle anstelle eines Klimabeitrags. Braunkohlebagger graben nun weiter umlagebefreit die Lausitz um, während der Fotovoltaik-Besitzer für seinen selbst genutzten Strom EEG-Umlage zahlen muss.

Dabei sind die Folgen falscher Subventionen unübersehbar – gerade für den Industriestandort Deutschland. Zehn Jahre haben die großen Energieversorger RWE und E.ON am global boomenden Markt Erneuerbarer Energien vorbei investiert. Massive Kursverluste und Finanzierungsprobleme sind die Folge – und bedrohen nun Zehntausende von Arbeitsplätzen.

Ähnliches droht in der Autoindustrie. Jahrelang hat die Subventionierung des Diesels durch die KfZ-Steuer in Höhe von 7 Mrd. € jährlich sie ermuntert, auf diese Technologie für PKWs zu setzen. Dabei wurde forsch ignoriert, dass der Diesel im PKW auf den größten Automärkten der Welt – in den USA, in China, in Japan, in Brasilien – bloß eine Nebenrolle spielt.

Als dennoch ambitioniertere Verbrauchs- und Schadstoffwerte nicht zu erreichen waren, wurde kurzerhand die Software manipuliert. Dieselgate war geboren. Heute steht Volkswagen – und möglicherweise Daimler – vor dem Scherbenhaufen seiner Dieselstrategie. Die Innenstadt-Autos von morgen in einer sich verstädternden Welt werden teil- oder voll elektrisch sein. Vor allem, sie werden keine Diesel sein. Und da sind die deutschen Autohersteller ziemlich blank. In der E-Mobilität und der Batterietechnologie liegt das Autoland Deutschland ein Jahrzehnt zurück.

Jetzt streitet die Bundesregierung zum wiederholten Mal über eine Kaufprämie – bisher mit dem gleichen Ergebnis wie bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Sie geben nichts. Gäbe es doch 5000 € wäre ihre Wirkung sehr eingeschränkt. Denn die Subventionierung des Diesels läuft ja weiter.

Es wäre so wie bei der Abwrackprämie der letzten großen Koalition – man wirft Geld aus dem Fenster, ohne wirklich umzusteuern.

Dabei ist die Gelegenheit günstig wie nie. Der Liter Diesel kostete 2013 1,42 €. 2014 lag er bei 1,35 €. Ende Januar fiel er auf 96,5 €. Das ist mehr als das doppelte jener 18 Cent, die die Dieselsubvention im Schnitt heute ausmacht. Das Geld könnte genutzt werden, um die Kaufprämie für E-Autos zu finanzieren. Selbst wenn man im Gegenzug die höhere KfZ-Steuer für Diesel senkt, bliebe reichlich Geld übrig.

Wichtiger aber wäre ein anderer Effekt. Weder Produzenten wie Käufer würden weiter in dem Irrglauben leben, dass der Diesel-PKW die Mobilitätsprobleme von morgen löst. Es wäre lohnend in die Elektromobilität einzusteigen – höhere Stückzahlen würden die Kosten runterbringen. So könnte aus dem Tesla für Filmstars ein echter Volkswagen werden.

Es ist nicht nur gut fürs Klima. Es gibt gute industriepolitische Gründe umweltschädliche Subventionen abzubauen. Das gilt für die Energiewirtschaft, für die Autoindustrie, aber auch für die Chemische Industrie.

Die Chemie basiert heute zu Dreiviertel  auf Öl als Ausgangsstoff. 10 % des weltweiten Öls landen in der Chemie. Und das in Deutschland komplett steuerfrei. Die nichtenergetische Mineralölverwendung wird gar nicht besteuert. Der Staat subventioniert die Chemieindustrie so mit jährlich über 1,5 Mrd. €. Am Ende aber landet der Kunststoff in der thermischen Verwertung. Das CO2 wird frei gesetzt. Chemie aus nachwachsenden Rohstoffe, stoffliche Verwertung, mehr Recycling – all das muss gegen diese Subvention ankämpfen.

Besonders beim Recycling führt der niedrige Ölpreis schon jetzt zu einem Schritt zurück ins letzte fossile Jahrhundert. Rund 30 Kilogramm Verpackungsmüll pro Einwohner landen in Deutschland in gelber Tonne und gelbem Sack. Ein großer Teil wird durch Recycling zu neuen Verpackungen. Doch beim derzeitigen Ölpreis lohnt sich dies nicht mehr. Die Industrie kauft jetzt wieder Plastik aus frischem Öl – eine besonders unsinnige Art der Umweltverschmutzung und eine Gefahr für einen nachhaltigen Wirtschaftszweig. Ein Abbau der Steuersubvention aufs Öl würde Arbeitsplätze retten – und das Klima schützen.

Wer es ernst meint mit Klimaschutz, Ressourcensicherheit, Kreislaufwirtschaft muss diese Subvention angehen. Das war lange schwierig, wegen der Angst um Marktanteile und Arbeitsplätze. In den letzten zwei Jahren ist der Ölpreis um 66 % gesunken. Die Chemieindustrie bekommt ihren Rohstoff heute zu einem Drittel der Kosten.

Wann, wenn nicht jetzt wäre es an der Zeit einzusteigen in einen Abbau dieser Subvention?

Subventionen für fossile Rohstoffe sind „der Feind Nummer eins für das Wachstum von erneuerbaren Technologien und Energieeffizienz“ sagt IEA-Chef Fatih Birol zutreffend. Die niedrigen Ölpreise sind eine Chance hiergegen etwas zu tun. So wären sie eine Chance für den ökologischen Umbau.

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