Ökonomie und Ökologie – zwei Seiten einer Medaille

Rede beim 12. Union Stahlforum in Bremen am 2. Juni 2016

Den Stillstand bei Klimawandel und Ungleichheit überwinden

Moin,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Liebig,

vielen Dank für Ihre Einladung.

Globalisierung damals und heute

Für uns Bremer ist die Globalisierung nichts Neues. Im Mittelalter hieß das Hanse. Wir sind aufgewachsen dann mit der Geschichte der Hanse und dem Wissen um die Ehrbaren Kaufleute.

Deshalb sind wir Bremer schon immer für Handel gewesen. Allerdings wurde einer der berüchtigsten Hedgefondmanager von damals, ein gewisser Klaus Störtebeker nicht von uns, sondern den Hamburgern geköpft.

Damals war Globalisierung vor allem Handel – auch wenn der Handel Auswirkungen auf die Produktion hatte. Ohne die Hanse, ohne uns Bremer gäbe es weder Bordeaux-Weine noch Bockbier.

  • Der Handel erzwang neue Konservierungsformen – in luftdicht verkorkten Flaschen und mit lagerfähigen Traubensorten.
  • Er führte zu höheren Alkoholgraden im Bier  – um Transportkosten zu sparen.

Heute ist Globalisierung umfassend geworden.

Es wäre zu kurz gegriffen, Globalisierung nur als Globalisierung des Handels, nur als  Globalisierung von Wirtschaft oder eines globalisierten, Finanzmarktes zu sehen.

Umfassende Globalisierung heißt Globalisierung der Kulturen, der Information, der Begrenzungen der Erde, der Migration – aber auch Globalisierung der Risiken.

Gerade im Zusammenwirken dieser Faktoren entstehen neue Herausforderungen:

  • Ein islamistischer Terror, der in Molenbeek, den Banlieues um Paris wie im Sauerland und in Raqqa herausbildet, wäre ohne die umfassende Globalisierung im Bereich der Information nicht möglich. Aber so globalisiert sich eine djihaddistische Jugendkultur.
  • Klimawandel führt zu Dürren wie Überschwemmungen häufig gerade dort, wo die Treibhausgase nicht emittiert wurden. Zusammen mit dem wachsender Nachfrage begrenzter Ressourcen und einer durch bad governance beschleunigten Ungleichheit lassen Klimawandel und Ungleichheit Staaten zerfallen und befördern Krisen und Kriege.

Klimawandel und Ungleichheit sind die beiden großen historischen Herausforderungen unserer Zeit. Sie verlangen nichts weniger als eine große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.

Nur wenn wir die wachsende Ungleichheit angehen, nur wenn wir den Klimawandel bekämpfen, wird es uns auch künftig gut gehen. Nur dann kann es unseren Kindern und Enkeln gut gehen. Von ihnen haben wir diese Erde nur geborgt.

Wir leben zwar in hektischen Zeiten. Europa ist von Krisen und Kriegen umgeben. Es steht vor der Herausforderung der Flüchtlingsbewegungen. Die weltweite Finanzkrise ist nicht überwunden.

Aber dennoch bevorzugt die Bundesregierung bei der Bekämpfung von Klimawandel und Ungleichheit gepflegtes Nichtstun. Sie hat Angst vor der – von ihren eigenen Sachverständigen geforderten – großen Transformation.

Das führt zum Stillstand Made in Germany. Den können wir uns nicht länger leisten.

Ungleichheit

Ich sprach von der Hanse und dem Ehrbaren Kaufmann. Hört sich altertümlich an – ist aber hochaktuell.

Es ist sogar Gesetz:

Die Industrie- und Handelskammern haben…[ ] … für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“ – so steht es auszugsweise im §1 des IHK – Gesetzes.

Zum ehrbaren bremischen Kaufmann gehörte auch sein Engagement für den sozialen Frieden. Nicht nur aus Gründen der Moral – sondern aus Eigeninteresse.

Hier in Bremen hieß sozialer Frieden das Bündnis zwischen Arbeitern und Pfeffersäcken.

Der ehrbare Kaufmann war natürlich immer bestrebt ein reicher Pfeffersack zu werden. Der ehrbare Kaufmann wusste aber, dass sozialer Ausgleich entscheidend ist.

Zuviel Ungleichheit ist auf Dauer schlecht für das Geschäft.

Wohlstand für wenige

Also sprechen wir über Ungleichheit.

Ungleichheit zeigt sich, wenn die 85 reichsten Milliardäre so viel besitzen, wie die 3,5 Mrd. Menschen, die die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung bilden.

Ungleichheit ist, wenn eine Busbesatzung so viel hat, wie die Hälfte der Menschheit.

Der Gini-Index misst die Verteilung des Einkommens in Gesellschaften. Wenn alle in einer Gesellschaft gleich viel haben, so liegt der Gini-Index bei Null. Hat einer alles, liegt er bei Eins. Je höher der Index, desto größer die Ungleichheit.

Dieser Index der Ungleichheit hat seit Mitte der 80er-Jahre in zwei Dritteln der OECD-Länder zugenommen. In Deutschland war diese Zunahme der Ungleichheit besonders stark, der Index stieg von 0,26 auf 0,30.

Im Klartext bedeutet eine solche Veränderung im Gini-Index, dass die Reichen und Gutverdienenden immer mehr Geld vom Volkseinkommen abbekommen, die untere Mittelschicht und die Ärmsten immer weniger.

Nun könnte man fragen: Was kratzt uns das, wenn wir alle mehr haben als früher, die einen ein bisschen mehr, die anderen eben sehr viel mehr? So ist es aber nicht.

Trotz einer guten wirtschaftlichen Entwicklung und guten Wachstumsraten hat nämlich die große Mehrheit der Bevölkerung in den OECD-Staaten nicht mehr Geld als früher. Anders gesagt:

Das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards gibt es nur noch in Sonntagsreden. Wohlstand für alle – das war gestern.

Aber wo ist denn bloß das ganze verdiente Geld hin?

Diese Frage gilt in Merkel-Deutschland als ungehörig. Doch die Antwort ist nicht so kompliziert.

Die realen Unternehmens- und Vermögenseinkommen in Deutschland sind explodiert. Zwischen 2000 und 2011 zeigt diese Kurve steil nach oben, knickt dann in der Finanzkrise kurz nach unten und steigt dann wieder an.

Gut, könnte man sagen, dann haben die Unternehmen dieses Geld ja sicher gut investiert in die Modernisierung der deutschen Wirtschaft! Wer viel verdient, investiert auch viel. So sagen es jedenfalls BDI, BDA und DIHK.

Stimmt leider nicht.

Genau im selben Zeitraum explodierender Gewinne brachen die Nettoinvestitionen der Unternehmen leider ein.

Im Jahr 1991 reinvestierten die Unternehmen noch über 40 Prozent ihrer Gewinne, im Jahr 2000 immerhin noch rund 25 Prozent. Ab 2001 lag diese Quote unter 10 Prozent.

Die Behauptung, dass steigende Gewinne zu steigenden Investitionen führen, ist ein Märchen der Propagandaabteilungen der Wirtschaftslobby.

Entweder die Gewinne wurden schlicht abgeschöpft oder sie flossen ins Ausland auf den Finanzmarkt, in der Hoffnung auf hohe Rendite.

Die Reichen werden reicher, die Mitte kriecht hinterher. Die Armen haben das Nachsehen, wenn sie nicht sogar weiter verarmen oder sich verschulden.

Das ist kein kurzes Krisenphänomen. Es ist ein langfristiger Trend.

Ungleichheit erzeugt Krisen

Dies ist kein bloß moralisches Problem. Es wird zu einem Problem der realen Wirtschaft.

Was geschieht, wenn die Besitzer hoher Vermögen und die Bezieher großer Einkünfte immer reicher werden, Millionen Privathaushalte und Dutzende Staaten aber klamm sind? Die ersteren leihen den letzteren ihr Geld!

Es ist banal, dass gutbetuchte Leute einen viel höheren Anteil ihres Geldes sparen und anlegen (können) als Normal- und Geringverdiener. Die einen kommen zum Leben gerade mal aus, die anderen wissen nicht, wohin damit. So fließt bei ungleicher Verteilung viel Geld auf den Finanzmarkt. Dort wird es spekulativ und sehr oft unproduktiv angelegt und am Ende nach spekulativer Blasenbildung in Finanzkrisen oft vernichtet.

Auch eine Lösung, könnte man sagen. Die ungerechte Verteilung wird korrigiert, in dem sich die Staaten und die Armen von den Reichen das Geld leihen und es einfach nicht zurückzahlen.

So wäre der Schuldenschnitt die Antwort auf den ungelösten Verteilungskonflikt des demokratischen Kapitalismus.

Es gibt – dezidiert prokapitalistische, neoliberale – Wirtschaftswissenschaftler, die so etwas fordern.

Eine Lösung wäre so etwas nur, wenn diese Prozesse nicht so viel Leid, Chaos und Schicksalsschläge hervorbringen würden. Wenn dabei nicht so viel Kapital vernichtet würde, das doch woanders dringend gebraucht wird. Und wenn nicht auch die Sektoren der Wirtschaft in den Abgrund gerissen würden, und Hunderttausende Menschen arbeitslos würden.

Und wenn deshalb Regierungen nicht gezwungen wären, nach Finanzkrisen aus Verantwortung für den zusammenbrechenden Wirtschaftskreislauf bedrohte Banken und ihre Anleger zu retten und aus Bankschulden Staatsschulden machen.

Finanzkrisen sind keine charmante Lösung für das Verteilungsproblem. Sie können uns nicht kalt lassen.

Die Wurzeln der Finanzkrisen liegen in der Ungleichheit. Konzentriert sich das Einkommen bei zu wenigen Leuten, dann fließt das Geld nicht mehr in den Konsum, sondern sucht nach Anlagemöglichkeiten und verursacht Vermögenspreisblasen, die in Finanzkrisen enden.

Im Jahr 1928 kontrollierten die oberen 10% der US-Amerikaner die Hälfte der Einkommen, das obere 1% besaß ein Viertel. 1929 krachte die Börse.

In der Nachkriegszeit bis zum Antritt Ronald Reagans hatten die oberen 10% Prozent nur noch ein Drittel, das obere 1% nur noch ein Zehntel der Einkommen.

Dann die Trendwende: Bis 2006 hatte das obere Prozent der Amerikaner wieder ein Viertel der Einkommen erreicht, die oberen 10% hatte wieder die Hälfte des Volkseinkommens für sich. 2007 krachten die Finanzmärkte.

Von 1980 bis 2007, in den Jahrzehnten der deregulierten Finanzmärkte und der globalen Oberklassen, explodierte das globale Anlagevermögen. 2007 lag es bei 194 Billionen Dollar. Händeringend suchte es nach Anlagemöglichkeiten.

Wo fanden sie die? Unter anderem bei den ärmeren Schichten der Bevölkerung, die leiden schließlich unter schlechten Löhnen und verfügen über kein Vermögen. Oder bei Staaten, die ihre Ausgaben nicht hinreichend über Steuern finanziert bekommen. So konnte eine Weile lang trotz schlechter Einkommensverhältnisse ein massenhafter Konsumboom in den USA die Wirtschaft am Laufen halten: Boom Auf Pump!

Die gesamte Verschuldung der USA, staatlich wie privat, lag 1980 bei 152 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP). 2008 war sie auf 296% angewachsen. Die Staatsschulden machten aber nur 61% des BIP aus. Schulden in Höhe von 98 Prozent des BIP lagen bei den Privathaushalten, die Unternehmen waren in Höhe von 79 Prozent des BIP verschuldet, die Finanzbranche in Höhe von 57 Prozent des BIP.

Bürger, Staat, Unternehmen, Banken, alle Spieler in dieser Gesellschaft sind – bei den Vermögenden im In- und Ausland – so hoch verschuldet, dass das Land drei Jahre seine komplette Produktion abtreten müsste, um die Schulden abzubezahlen.

Auch in den Eurokrisenländern sind die Verschuldungsquoten enorm. Dabei waren etwa in Irland und Spanien die Staatschulden lange kein Problem, aber in ihrem im Privatsektor

Irlands Gesamtschulden summierten sich 2011 auf sage und schreibe 663% des BIP. Auch in Spanien ist nicht der Staat das Hauptproblem, Insgesamt aber ist Spanien in Höhe von 363% des BIP verschuldet. Auch nach dem Crash werden diese Schulden nur langsam abgebaut, beim Staat steigen sie an.

Anders gesagt: Sehr ungleiche Verteilung führt in die Überschuldung. Überschuldung von Gesellschaften führt zu Finanzkrisen. Diese lassen die Staatsverschuldung weiter explodieren.

Und nicht umgekehrt.

Hohe private und staatliche Verschuldung, Konsum auf Pump, einen wachsenden Finanzsektor mit vielen unproduktiven Kanälen erzeugen periodisch wiederkehrende Finanzkrisen.

Dies gefährdet die Realwirtschaft. Bereinigt man den deutschen Aktienindex wie bei anderen Indizes, etwa dem Dow Jones, üblich um die Dividenden, dann sind die deutschen Unternehmen mit einem Index von 5100 2014 immer noch weniger wert als vor Finanzkrise 2007, in der der Index bei 5300 Punkten gelegen hat.

Sehr ungleiche Verteilung bedroht die Stabilität unserer Volkswirtschaften. Nur wenn Schulden abgebaut werden und mehr investiert wird, lässt sich dieser Schweinezyklus mildern. Das aber heißt nichts anderes als:

Wir brauchen mehr Gleichheit. Mehr Gleichheit ist nicht nur gerechter – sie erzeugt nachhaltige Stabilität.

Deshalb ist auch die von Grünen unter anderem in Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz geforderte Vermögenssteuer richtig.

  • Sie mindert nicht nur Ungleichheit.
  • Sie erhöht die gesellschaftliche Investitionsquote
  • Sie stabilisiert die Wirtschaft.

Sie trifft übrigens nicht mal 1 % der Bevölkerung. Mittelstand und Mittelschicht profitieren von mehr Investitionen und mehr Wertschöpfung.

Klimaschutz und Energiewende

Deutschland war unter Kohl und Töpfer ebenso wie mit Rot-Grün ein Vorreiter beim Klimaschutz. Vom Kreislaufwirtschaftsgesetz über das Kyoto-Protokoll bis zur Energiewende war Deutschland ein aktiver Treiber des Klimaprozesses.

Letztes Jahr bei der Klimakonferenz in Paris war Deutschland Getriebener.

Getrieben von NGOs – das ist normal. Getrieben aber auch von einem Abkommen zwischen den USA und China für den Klimaschutz, die beide massiv auf den Ausbau Erneuerbarer Energien setzen. Das ist peinlich.

Dabei hatten wir die besten Voraussetzungen:

Die Energiewende ist Ausstieg und Einstieg. Ausstieg aus der Atomenergie und Einstieg in Erneuerbare, Effizienz und Energieeinsparung.

Als ich als verantwortlicher Minister das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000 auf den Weg gebracht und im Jahr 2004 novelliert habe, stand im Gesetz, dass 2020 wir 20 % Anteil Erneuerbaren Strom haben wollen. Dafür wurde ich verlacht und verhöhnt, da der Anteil technisch nie über 8% liegen könne.

Bereits im Jahre 2015 produzierten wir fast ein Drittel unseres Stroms erneuerbar. Auch so kann man sich irren.

  • In Deutschland wurden in den letzten Jahren jährlich über 20 Milliarden € in neue Stromerzeugungsanlagen investiert. Das gibt es in keinem anderen Land Europas.
  • In diesen Anlagen werden jährlich gut 15 Mrd. € umgesetzt, davon profitieren Landwirte, Bürgergenossenschaften und Fonds.
  • Entstanden ist eine exportstarke Industrie, in der zeitweilig bis zu 000 Menschen arbeiteten, in Europa sind es 600.000.

Dieses hat globale Auswirkungen. Mit diesen Erneuerbaren Energien wurden 2014 nicht nur gut 151 Mio. t. Treibhausgase eingespart. Vor allem wurden die Erneuerbaren Energien billig und damit wettbewerbsfähig.

Durch die stürmische Entwicklung und die damit verbundene technologische Lernkurve sank der Preis für Strom aus Windkraft um 80 %, für Fotovoltaikstrom sogar um 90 %.

Die Deutsche Energiewende hat die Erneuerbaren global wettbewerbsfähig gemacht.

Mit 143 Gigawatt wurden erstmalig mehr erneuerbare als fossile Kapazitäten installiert.

Kohle, Öl und Gas kamen bloß auf 141 GW.

Und der Trend hält an. In China, in Indien, in den USA überall boomen Erneuerbare.

Besonders bei Windkraft dürfte Sie das freuen, denn so ein Windturm braucht eine ganze Menge Stahl!

Leider droht dies an Deutschland künftig vorbei zu gehen. Hier wird nun versucht, die Energiewende abzuwürgen.

  • 40 000 Arbeitsplätze hat das Verbot von Fotovoltaik in der Freifläche und die Einführung der Sonnensteuer gekostet.
  • Und sie werden mit weniger Stahl handeln können, wenn durch teuren Ausschreibungszwang nun auch die Windenergie ausgebremst wird, nur damit die Fossilen auch 2025 noch mehr 50 % des Stroms liefern.

Dabei geht es nicht um die Kohle. Es geht um Schutz für 4 Konzerne: RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall.

Das ist falsche Industriepolitik.

Falsche Unternehmensstrategie

Die Geschichte der Energiewende in Deutschland hat uns vieles gelehrt, aber vor allem eine Erkenntnis.

Wir können derartiges fundamentales Umsteuern nicht dem Markt und den Unternehmen allein überlassen könne.

Es braucht einen Rahmen aus Regulierung und Anreizen, um innovativen Techniken auf dem Markt zum Durchbruch zu verhelfen.

Auf dem deutschen Energiemarkt gab es lange keinen Markt. Er entstand erst durch das EEG – das Erneuerbare-Energien Gesetz.

Dieses Drittel ist ziemlich konzernfrei, es gehört Bauern, Bürgergenossenschaften, Stadtwerken und den Einlegern von Fonds.

Das EEG wurde zum Einfallstor des Mittelstandes in die Stromerzeugung. Es sorgte für mehr Markt, mehr Wettbewerb und weniger Oligopol.

Der deutsche Energiemarkt wurde jahrzehntelang von einem Macht-Quadropol der vier großen Energieriesen dominiert: Vattenfall, E.on, RWE und EnBW.

Diese vier Energieriesen hatten im Jahr 2002 noch einen Marktanteil von 87%.

Heute beträgt der Marktanteil bei den Großkunden nur noch 34 Prozent, bei den KMUs und Haushalten knapp 40 Prozent. 2007 besaßen die großen vier noch mehrheitlich über 85 Prozent der konventionellen Stromerzeugungskapazitäten –  im Jahr 2013 war ihr Anteil schon auf 68 Prozent geschrumpft.

Sie haben einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Im Gegenteil. Sie haben versucht, sich gegen die Energiewende zu stemmen:

  • Als die Liberalisierung der Strommärkte langsam griff, ignorierten die Herren in den Konzernzentralen das vollkommen. on und Vattenfall reagierten erst 2007 bzw. 2008 mit der Gründung von eigenen Vermarktern
  • Atomkraft-Obsession: Die fatalste Fehlentscheidung aber war das Festhalten an der gefährlichsten und auch teuersten Stromquelle, den Atomkraftwerken. Trotz Atomkonsens von 2001 setzte sie auf Laufzeitverlängerung. Und dann kamen die Super-GAUs von Fukushima. Es galt wieder mein Ausstiegsgesetz. Das Kerngeschäft der Energiedinos war passé. Ihre Gelddruckmaschinen standen still.
  • Und der dritte und arroganteste Fehler war: sie ignorierten die Erneuerbaren Energien. Vor 15 Jahren öffneten Wirtschaftsminister Werner Müller und Umweltminister Jürgen Trittin das EEG auch für sie. Doch sie weigerten sich über zehn Jahre, diese Möglichkeit zu nutzen. Das angeblich „übersubventionierte“ EEG bot ihnen nämlich nicht die gewohnte Kapitalrendite von 15 %. Sie waren von Kohle und Atom ganz andere Margen gewohnt. Die Gier hat ihre Marktposition massiv untergraben.

Das Ergebnis: Die Aktienkurse von RWE und E.on haben sich halbiert, ihre Schulden vervielfacht. Sie haben Milliardenverluste. Im letzten Jahr ist ihr Eigenkapital noch einmal um 10 Mrd. reduziert worden.

Also ziehen sie die Notbremse: Vattenfall hat gerade seine komplette Braunkohlesparte in der Lausitz vermutlich verschenkt und noch 1,7 Milliarden oben drauf gelegt, E.on spaltet sich auf und versucht, die unrentablen Sparten auszulagern – und selbst RWE versucht es mit Restrukturierung.

Gerade letztere, das wäre meine Prognose, werden es sehr schwer haben, sich rentabel und nachhaltig neu aufzustellen. Scheitern nicht ausgeschlossen.

Sie sehen, es lohnt sich, die Zeichen der Zeit rechtzeitig zu erkennen – und mutig anzugehen!

Ich möchte, dass Deutschland ein erfolgreicher  innovativer Industriestandort bleibt! Dafür braucht es mehr nicht weniger Ökologie.

Ökologie als bessere Industriepolitik

Vor uns steht eine neue Stufe von Vernetzung. Wir erleben mit Google, Facebook oder Uber neue Geschäftsmodelle, die sich von den alten Großkonzernen grundlegend unterscheiden. Das ist mit dem Schlagwort vom Internet der Dinge nur unvollständig beschrieben.

Dies trifft die deutsche Industrie in ihren Kernbereichen.

Und das Problem ist: Im Moment verliert Deutschland in Zukunftsbranchen immer mehr an Boden.

Was heißt es eigentlich für ein Land wie Deutschland, wenn große Industriebetriebe, die jahrzehntelang entweder Monopolisten oder Weltmarktführer waren, die Zeichen der Zeit ignorieren?

Und was heißt es für einen Autohersteller, wenn seine Marke nicht mehr mit deutscher Gründlichkeit und Zuverlässigkeit in Verbindung gebracht wird, sondern mit Tricksereien und dreckigen Antriebsmotoren – egal, ob das jetzt in allen Fällen auch den Tatsachen entspricht?

Und vor allem – wie konnte es soweit kommen?

Automobilindustrie

Weil Erfolg träge macht.

Die deutsche Automobilindustrie ist stolz auf ihre Produkte. Sie baut die besten Oberklassefahrzeuge der Welt. Wir produzieren mit die besten Verbrennungsmotoren. Dieser Erfolg hat sie in die Krise geführt.

Und das gilt nicht nur für Volkswagen:

Jahrzehntelang hat sie auf den Diesel im PKW gesetzt. Wichtige Absatzmärkte wollen diese Technik nicht.

  • Die USA haben 3% Dieselanteil
  • China 1%
  • Japan unter 1% Marktanteil
  • Brasilien fährt mit Benzin und Zuckerrohr
  • allein Indien ist der Anteil der Neuzulassungen auf 30% gestiegen – bis Ende letzten Jahres ein Zulassungsverbot für Diesel über 2 Liter Hubraum erlassen

Und während sich die wichtigsten Märkte der Welt vom Diesel abwenden, subventioniert Deutschland weiter die Dieseltechnologie. Allein die niedrigen Sätze bei der der Mineralsteuer machen Milliarden aus, selbst wenn man die erhöhten KFZ-Steuersätze dagegen rechnet.

Dieses System mit niedrigen Verbrauchssteuern und hohen Bestandssteuern ist nicht nur ein Anreiz mehr zu fahren und so mehr zu verbrauchen.

Die Dieselsubvention konterkariert alle Bemühungen zur Elektromobilität.

Davon verstanden wir mal was. Und wer weiß heute noch, dass der allererste Porsche ein Elektroauto war?

  • Konstruiert wurde er von Ferdinand Porsche im Jahr 1898 – damals noch einmotorig!
  • Der erste Allrad-Porsche war der Lohner-Porsche – gebaut 1900. Spitzengeschwindigkeit 60km/h und Wirkungsgrad 86%! Den erreichen Verbrennungsmotoren bis heute nicht!

Heute baut ein Selfmade-Millionär konkurrenzfähige E-Mobile, hat ein Suchmaschinenkonzern das komplette Know-How für die Zukunft des Autos – das „unbemannte“ Auto. Und die deutsche Autoindustrie läuft hinterher.

Zum Beispiel bei der Schlüsseltechnologie Speicher. Deutsche Autobatterien für E-Autos? Deutsche Autofirmen wollten das 100 Jahre lieber im Ausland einkaufen.

Zum Glück gibt es inzwischen Umdenken: in Kamenz baut Mercedes jetzt ein 2. Werk. In Hannover hat ein Automobilzulieferer gerade 100 Millionen in den Ausbau seines Batteriewerkes investiert. Und von VW wurden in der letzten Woche ebenfalls Pläne für ein eigenes Werk bekannt.

Hoffentlich kommt das Umdenken nicht zu spät!

Erfolgreich wird dies nur sein, wenn wir Dieselsubventionen beenden. Und wenn wir eine weitere Subvention beenden.

Wir streiten über 2000 oder 4000 € Zuschuss für E-Autos. Aber was ist das gegen 15 000 € Steuersubvention für einen VW Touareg mit Dieselantrieb über das Dienstwagenprivileg?

Ökologische Modernisierung erhöht die Wettbewerbsfähigkeit – das ist die Lehre aus diesem Beispiel.

Investment und Divestment

Wir Grüne, die Ökologen dieser Welt, die Umweltverbände haben sich ebenfalls geirrt und eine Entwicklung nicht gesehen. Und zwar die, dass fossile Energievorräte zwar endlich sind – aber nicht über die Endlichkeit das Ende des fossilen Zeitalters herbeigeführt wird. Im Gegenteil:

Investment in Erneuerbare, Effizienz und Energieeinsparung kommt nicht von selbst.

Es muss politisch erstritten werden. Wir können uns nicht auf einen ökonomischen Automatismus verlassen.

Wir haben seit Dennis Meadows und dem Club of Rome mit der Endlichkeit von Ressourcen argumentiert: Öl wird knapp, Öl wird teuer – steigt aus der fossilen Wirtschaft aus, bevor es keine Grundlage mehr gibt!

Das war die Debatte um den sogenannten Peak Oil – der Förderhöhepunkt wäre bereits überschritten.

Dieses Argument hat sich erledigt.

Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die Vorräte an den meisten Rohstoffen sind zwar endlich, aber doch recht groß. Und sie sind teilweise gar nicht wirklich bekannt. Gerade wurde vor Ägypten ein Riesengasfeld entdeckt.

Anders gesagt: Die Endlichkeit von Öl und Gas allein schafft noch keine Energiewende und sorgt nicht für Klimapolitik.

Denn das, was wir heute noch an fossilen Vorräten kennen, ist immens.

Rechnet man das in CO2 um, sind das gut 3 000 Gigatonnen. Die durch Verbrennen in die Atmosphäre zu schicken, können wir uns nicht leisten.

Rechnet man das Zwei-Grad-Ziel des Klimaschutzes in die Menge an CO2 um, die wir global überhaupt noch ausstoßen können, dann kommt man auf ein »Budget« von rund 565 Gigatonnen – Stand heute (bzw. 2011).

Das heißt,  wir dürfen heute kaum noch ein Fünftel der heute förderbaren Reserven an Öl, Gas und Kohle verfeuern.

Wir brauchen dafür andere politische Rahmenbedingungen. Auch um gigantische Fehlinvestitionen zu verhindern.

Denn in den 3.000 Gigatonnen steckt sehr, sehr viel Geld. 7 Billionen Dollar sind der Wert für fossile Rohstoffe (im Energiebereich), die in den Büchern der 100 größten gelisteten Unternehmen weltweit stehen. Hinzukommen noch einmal mehr als das doppelte in privatem Besitz. Das entspricht im Umfang alles in allem ungefähr 25% des weltweiten BIP.

Wenn wir davon aber nur ein Fünftel verbrennen dürfen, dann sind diese Billionen Dollar totes Kapital.

Hier bläht sich eine große Blase – eine Carbon Bubble – auf, die zu platzen droht. Milliardenrisiken für Banken – investiert in die Zerstörung des Klimas. Das sieht nicht nur Al Gore so, es ist die Analyse des Governor der Bank of England Mark Carney. Oder der HBSC – der größten Bank Europas: Die geht beim Platzen der Blase von einem Verlust von bis zu 60% ihres Unternehmenswertes aus.

Hier hilft nur eines – und zwar wirtschaftlich wie im Sinne des Klimaschutzes – raus aus den Fossilen Energien!

Das ist wirtschaftlich auch einfach klug. Das hat zum Beispiel gerade die Rockefeller-Stiftung verstanden.

Die Erben des großen Ölmagnaten wollen kein Geld mehr in fossile Energien investieren.

Dieser Trend wird immer stärker – wir sprechen von Divestment. Die Citigroup – immerhin Amerikas drittgrößte Bank – geht davon aus, dass bis 2025 pro Jahr weltweit 1 Billion Dollar in Erneuerbare Energien investiert werden. Und zwar aus Geld, das aus Anlagen in Öl, Gas und Kohle abgezogen wird.

Solange Windkraft dabei ist können Sie beruhigt sein!

Stahl der Zukunft

Im Bundestag gab es neulich eine Debatte zur Stahlkrise.

Europas Stahlindustrie steht unter massivem Druck chinesischer Dumpingkonkurrenz. Dagegen sollte sie geschützt werden – und zwar engagierter als es die EU-Kommission und die Bundesregierung bisher getan hat.

China darf nicht leichtfertig der Marktwirtschaftsstatus verliehen und damit der Schutz vor Dumping geschwächt werden.

Die Stahlindustrie – nicht der Stahlhandel – haben dabei aber gleich einen Fehler wiederholt. Anstatt alle Kräfte gegen Dumping zu bündeln hat die Stahlindustrie einen neuen Feind entdeckt. Die Energiewende und den Emissionshandel.

Das mag für die Lobbyisten bequem sein – sind doch die Ökos ein gewohnter Gegner. Und sie sind auch nicht so weit weg wie China.

Es ist nur dumm – und wird den Fakten nicht gerecht.

  • Heute ist die Windindustrie einer der größten Nachfrager nach Stahl.
  • Wenn eine Branche von den massiv gesunkenen Börsenstrompreisen an der Börse profitiert hat, dann sind es die stromintensiven Betriebe – auch die Stahlindustrie zählt dazu. Dass der Strompreis von 6 Cent pro kWh auf heute unter 2 gesunken ist, hat zwar den Anstieg der EEG-Umlage für die Haushalte geführt, die Großhandelspreise für die Industrie aber in den Keller gedrückt. Eine direkte Folge des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der dadurch entstandenen Überkapazitäten.
  • Und selbst vom Emissionshandel profitiert die Stahlindustrie. Sie hat insgesamt Emissionszertifikate im Wert von 5,3 Mrd. Euro kostenlos Mindestens bis 2020 besteht durch die Überausstattung mit Zertifikaten zudem kein Zukaufbedarf an Emissionszertifikaten. Im Gegenteil – die zugeteilten Zertifikate sind quasi bares Geld für die Unternehmen.

Statt sich an gewohnten Fronten zu verkämpfen, sollten wir uns gemeinsam dem wirklichen Problem der deutschen Stahlindustrie stellen.

Das ist die – gerade in Europa – eingebrochene Nachfrage. Wir brauchen eine Investitionsoffensive in Europa.

Nur mit einem Green New Deal kommt Europa wieder in Schwung und die Stahlbranche aus der Krise.

Dafür aber, muss eine Austeritätspolitik überwunden werden, die glaubt, man würde durch Sparen aus der Krise kommen.

Will man diese Investitionen nicht über Schulden finanzieren, muss man große Vermögen stärker besteuern und Steuerschlupflöcher schließen.

Auch deshalb gehört der Kampf gegen Ungleichheit und die ökologische Modernisierung der Volkswirtschaft zusammen.

Ökonomie und Ökologie sind zwei Seiten einer Medaille.

Die sozial-ökologische Modernisierung ist nachhaltige Industriepolitik.

So hat Stahl und der Handel mit Stahl Zukunft.

Vielen Dank !

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