G20-Gipfel: Merkels Kohle-Koalition

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin! Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Wir müssen uns gegen Protektionismus und gegen Isolationismus wehren. – Für diesen Kampf hat Sie die New York Times zum „leader of the free world“ ernannt. Dagegen haben Sie sich gewehrt, vielleicht sogar zu Recht. Sie sind keine Führerin, sondern Sie sind de facto in den letzten zwölf Jahren als die Königin des organisierten Rückzugs der Konservativen aufgefallen. Immer erst, wenn etwas total aus der Zeit gefallen ist, haben Sie es einkassiert: Wehrpflicht, Atomkraft. Und jetzt soll es die Ehe für alle geben.

Wenn man in einer solchen Situation über Führung spricht: Führung hat etwas mit Vorangehen zu tun. Wie glaubwürdig ist es von Ihnen, das Ausscheiden von Donald Trump aus dem Pariser Abkommen zu beklagen, wenn Sie gleichzeitig in Nordrhein-Westfalen eine Koalitionsvereinbarung abschließen, die schlicht und ergreifend Trump pur ist? Keine erneuerbaren Energien, sondern es wird ausschließlich auf die Kohle gesetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das ist industriepolitisch fatal. Heute werden 35 Prozent der Windenergieanlagen der Welt in China installiert und 17 Prozent in den USA. In Deutschland beträgt dieser Anteil noch 10 Prozent, und in Nordrhein-Westfalen wollen Sie das auf null bringen. Wollen Sie bei den erneuerbaren Energien den gleichen Offenbarungseid schwören,

(Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Hat sie doch gar nicht!)

den Sie schon für die Automobilindustrie ablegen mussten?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war doch ein Offenbarungseid, als Sie in China darum betteln mussten, dass es nicht zu früh zu einer Quote für Elektroautos kommt, weil unsere Autoindustrie genau diese Entwicklung auf den Zukunftsmärkten verpennt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen den Handel nutzen. Wir wollen keinen Protektionismus. Wir wollen offene Handelsbeziehungen. Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie denn offene Märkte hinbekommen, wenn Sie Handelsabkommen durch die Hintertür, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, abschließen? Wie wollen Sie offene Märkte erreichen, wenn Sie die Regulierung dieser offenen Märkte geheimen, privaten Schiedsgerichten überlassen? Das ist es doch, was die Menschen am Ende dazu bringt, zu glauben, dass nur noch die Nation sie vor den Gefahren und den Verlusten durch die Globalisierung schützt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen: So etwas wie JEFTA ist doch gerade Beförderung von Protektionismus. Die Konsequenz sind Nationalismus und das, was wir von jenseits des Atlantiks – ich sage ausdrücklich: leider – hören.

Das letzte Weltwirtschaftsforum – das ist ja nicht eine Versammlung von Grünen; ich habe davon einen anderen Eindruck – hat zwei große Risiken für die Welt entdeckt: Klimawandel und Ungleichheit. Und in der Tat – ich will die Debatte gerne aufgreifen, die auch Sie, Herr Kauder, hier geführt haben -: Eine Welt, in der acht Milliardäre so viel besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen, die ärmere Hälfte der Menschheit, wird keine sichere Welt sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Da hat die G 20 die Verantwortung. Was macht das Land, das jetzt die Präsidentschaft der G 20 hat? Das legt einen Haushaltsplan mit einer mittelfristigen Finanzplanung vor. Was ist darin die Antwort auf diese Herausforderungen? Lesen Sie es mal nach! Von 2018 bis 2021 sollen die Rüstungsausgaben in Deutschland um 14 Milliarden Euro steigen. Was ist mit den Ausgaben für das Auswärtige Amt,

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Die steigen auch!)

für die humanitäre Hilfe, für das Entwicklungsministerium? Die sollen in dem gleichen Zeitraum um 1 Milliarde Euro sinken.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Irre!)

Das sind die falschen Antworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das gestaltet nicht die Globalisierung. Deswegen, fürchte ich, wird dieser G-20-Gipfel kein Erfolg für die Gestaltung der Globalisierung sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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