Wir brauchen europäische Champions

Zwischen America First und Made in China 2025

Vorbemerkung: Industriepolitik

Wir reden über Industriepolitik. In den Zeiten des Neoliberalismus galt allein dieser Begriff als toxisch. Industriepolitik war fast synonym für Sozialismus. Nun ist auch die Bundesregierung für Industriepolitik. Erstaunlich.

Der Erhalt der industriellen Wertschöpfung in Europa ist nicht nur aus Standortgründen essentiell. Sie ist Voraussetzung für den ökologisch-sozialen Umbau. Deshalb dürfen sich Grüne nicht mit den neoliberalen Kritikern aus der FDP an einer Industriestrategie gemein machen.

Größe ist keine Größe

In Deutschland wollen alle Mittelschicht sein, selbst Friedrich Merz. In Deutschland wollen alle Mittelstand sein – doch wie beim Millionär Merz weigert man sich zu definieren, wo der Mittelstand anfängt, und, mehr noch, wo er aufhört.

Deshalb hat sich der Begriff der Familienunternnehmen für selbstständige, eigentümerbestimmte Unternehmen durchgesetzt. Familienunternehmen sind nicht durchgehend mittelständig. Die beiden größten deutschen Familienunternehmen sind Volkswagen, im Besitz der Porsche-Piech-Familie, und BMW, im Besitz der Quandts. In Russland nennen wir so etwas Oligarchen.

Groß ist nicht gleich schlecht. Und klein nicht gleich gut. VW organisierte den Dieselbetrug. Der Mittelständler Würth  ist ein verurteilter Steuerhinterzieher. Die Familie Schlecker hat einen betrügerischen Konkurs hingelegt.

Klein ist nicht automatisch großartig

Klein ist nicht innovativ. Am Anfang fast aller großen Unternehmen stand eine Innovation. Erst damit wurden sie groß. Das gilt für Google und Alibaba wie für Aldi, das viertgrößten deutschen Familienunternehmen.

Gerade die Internetoligopole wenden sehr viel für Forschung und Entwicklung auf, allein Amazon mehr als staatliche Institutionen in Deutschland. Ohne Google und Apple wären die Start-Ups im Silicon Valley nicht so produktiv.

Wer die Innovationsfähigkeit deutscher mittelständischer Unternehmen zu Recht preist, darf nicht vergessen, dass diese im Umfeld großer Unternehmen stattfindet. Ohne Bosch und Daimler wäre der schwäbische Mittelstand nicht so innovativ, auch wenn Brose den besseren E-Bike-Motor baut.

Wenn aus Innovationen eine marktbeherrschende Stellung erwächst, muss das Kartellrecht die Möglichkeit haben zu entflechten. Diese Möglichkeit ist bei globalen agierenden Unternehmen heute beschränkt.

Groß ist Marktmacht

Es geht um Marktmacht. Auch die ist keine Frage der Größe. Es gibt deutsche Mittelständler, die ihrer Marktnische faktisch ein globales Monopol haben. Das macht sie für andere so begehrt.

Aber Größe kann mit seiner Macht Märkte dominieren – insbesondere, wenn dies durch Steuerreformen, Marktabschottung, Bankenregulierung, Subventionen staatlich gefördert wird.

In manchen Bereichen ist Größe unabdingbar. Ein Monopol bei zivilen Flugzeugen konnte nur mit einem europäischen Großkonzern verhindert werden. Aber es ist fraglich, ob unter dem heutigen Kartellrecht die Gründung von Airbus wie in den 70ern heute noch möglich wäre.

Der Konkurrent gegen ein chinesisches Monopol bei Batteriezellen wird kein mittelständisches Unternehmen sein. Auch die Bedürfnisse der Deutschen Börse für Cloud-Services als Alternative zu Microsofts Azurre wird kein Kleinunternehmen sein.

Um ein globales Monopol zu verhindern, kann es nötig sein, in Europa marktbeherrschende Unternehmen zu schaffen. Dafür sind auch Änderungen des Kartellrechts nicht auszuschließen.

Europas Markt sichern

Europa sieht sich einem Wirtschaftskrieg gegenüber, in dem America First und Made in China 2025 wetteifern. Darauf muss Europa eine Antwort geben.

Wir brauchen Europäische Champions, wenn wir nicht der chinesischen oder der US Strategie zum Opfer fallen wollen.

Dazu kann auch ein flexibleres Kartellrecht gehören, das sich gegen aufkommende globale Kartelle wehrt, bevor sie marktbeherrschend sind. Das bestehende Kartellrecht einfach unter Veränderungsverbot zu stellen, hilft nicht weiter.

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