Ich habe gemeinsam mit Abgeordnetenkollegen der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe (Doris Barnett, Ingo Gädechens, Dr. Gregor Gysi, Michael Georg Link) einen Brief verfasst und an den Vorsitzenden der Staatsduma der Russischen Föderation geschickt:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender Wolodin,
sehr geehrter Herr Zavalnyi,
im Namen der deutsch-russischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestags wenden wir uns an Sie, um Ihnen unsere Beunruhigung über die Vorfälle bei den anstehenden Kommunalwahlen in Moskau zu übermitteln.
Wie Sie wissen, ist die freie Ausübung eines Abgeordneten-Mandats, sei es auf kommunaler oder föderaler Ebene, zentraler Grundpfeiler jeglichen demokratischen Systems. Nicht zuletzt heißt es in der Verfassung der Russischen Föderation: „Höchster unmittelbarer Ausdruck der Volksmacht sind Referendum und freie Wahlen“ (Art.3/3).
Im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Duma haben wir diesen Aspekt immer wieder diskutiert und hatten, trotz mancher inhaltlichen Differenzen, in dieser Frage nie einen Dissens. Auch haben sich viele Abgeordnete unserer Gruppe in der zwischen unseren Ländern sehr strittigen Frage des aktuellen Sanktionsregimes doch immer dafür eingesetzt, dass gewählte Abgeordnete davon ausgenommen bleiben und dass der Dialog zwischen unseren Parlamenten weiter erhalten bleibt.
Aber die freie Ausübung eines Mandats setzt eben eine freie Wahl voraus. Zu einer freien Wahl gehört auch, dass alle kandidieren können, die die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Ein willkürlicher Ausschluss würde den Grundsatz der freien Wahl verletzen.
Nach den uns vorliegenden Informationen haben wir Zweifel, dass die Gründe für die Nichtzulassung durch den Wahlprüfungsausschuss Moskau in jedem einzelnen Fall einer freien und fairen Überprüfung standhalten würde. Im Ergebnis könnte so die Nichtzulassung von Kandidatinnen und Kandidaten zur Kommunalwahl in Moskau zu einer Delegitimierung der anstehenden Wahlen und des zu wählenden Parlamentes führen. Zudem sehen wir mit Sorge, dass die Möglichkeit der freien Versammlung für Menschen, die eben für das so wichtige Wahlrecht und freie und gerechte Wahlen öffentlich eintreten wollten, massiv eingeschränkt wurde.
„Der Mensch, seine Rechte und Freiheiten bilden die höchsten Werte. Anerkennung, Wahrung und Schutz der Rechte und Freiheiten des Menschen und Bürgers sind Verpflichtung des Staates.“ So steht es in Ihrer Verfassung in Artikel 2 geschrieben. Wir haben Zweifel, dass die Moskauer Polizei am vergangenen Wochenende dem wirklich gerecht geworden ist.
Wir möchten Sie bitten, unsere Besorgnis zur Kenntnis zu nehmen alles dafür zu tun, dass den demokratischen Rechten der Bürgerinnen und Bürger in Russland überall und uneingeschränkt zur Geltung verholfen wird. Es ist in unserem gemeinsamen Interesse als Parlamentarier, dass das Kernelement der Demokratie – freie Wahlen – auf allen Ebenen gesichert ist.
Hochachtungsvoll
Photo credit: Michael Parulava
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