Fluchtursachen bekämpfen – Einwanderung gestalten

Am 21. Januar 2016 war ich zu Gast bei Bündnis90/Die Grünen in Magdeburg. Nach einem gemeinsamen Besuch im Flüchtlingstreffpunkt der St. Norbert Gemeinde sprach ich mit Sören Herbst über Fluchtursachen und die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft. Hier geht es zum Video der Veranstaltung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
lieber Sören,
vielen Dank für die Einladung.

Zur Flucht gezwungen

In diesem Moment sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. 60 Millionen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, weil sie dort um ihre Freiheit, ihr Leib, ihr Leben fürchten mussten. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges hat es keine so große Fluchtbewegung mehr gegeben. Die meisten fliehen aus Syrien, Afghanistan und Somalia.

Wenn man der Flüchtlingsdiskussion hierzulande zuhört, entsteht der Eindruck, nur Deutschland nehme eine große Anzahl von Geflüchteten auf. Das zeigt, wie blind diese Debatte geführt wird. Schauen Sie zum Beispiel auf den Libanon.  Der Libanon ist ein Land mit ca. 4 Millionen Einwohnern. Im Libanon leben derzeit mindestens 1,2 Millionen Flüchtlinge. Auf drei Libanesen kommt ein Flüchtling. In Sachsen-Anhalt leben 2,2 Millionen Bürger. Gibt es hier über 600 000 Flüchtlinge? Nein es waren Ende Dezember 41 000. Hier kommt auf 53 Einwohner ein Flüchtling.

Wahr ist: Nur ein kleiner Teil der Geflüchteten macht sich auf den gefährlichen Weg in die Europäische Union. 2015 wurde das Mittelmeer zum Massengrab. Mehr als 3.700 Flüchtlinge ertranken bei der Überfahrt. „Tut endlich was!“ – hieß es da plötzlich.

– Auf einem eilig einberufenen EU Gipfel sprach man von „Fluchtursachenbekämpfung“ und meinte Flüchtlingsabwehr.

– Statt sichere, legale Zugangswege nach Europa zu schaffen, schickte die EU ihre Streitkräfte zur Schlepperbekämpfung ins Mittelmeer. Die Marineoperation zur Flüchtlingsabwehr nennen sie Operation Sophia – nach einem geretteten Flüchtlingskind. Wenn die Operation Erfolg hat, wird Sophia nicht mehr gerettet. Sie kommt nicht mehr.

– Zu Hause legte die Große Koalition die drastischste Asylrechtsverschärfung der letzten 20 Jahre vor.
Hinter all diesen Maßnahmen steckt der gleiche Irrtum. Ein Autor des Magazins Der Freitag bringt es auf den Punkt: „Die Menschen kommen nicht wegen offener Grenzen und bleiben bei geschlossenen Grenzen auch nicht fern.“  Wer zu Hause fürchten muss, den nächsten Tag nicht zu erleben, den schreckt auch die Aussicht auf Sachleistungen statt Taschengeld in Deutschland nicht ab.

Das Problem ist nicht, dass Menschen sich auf den Weg machen, sondern, dass Armut, Krieg und Terror, Umweltkatastrophen und politische Verfolgung sie dazu zwingen. Flucht ist die Reaktion auf eine Notsituation.

Fluchtursachen

Die Flüchtlingskrise lässt sich nicht mit Symbolpolitik bewältigen. Erst recht nicht mit dem verblendeten Aktionismus der CSU. Deshalb behaupten alle für die Bekämpfung der Fluchtursachsen zu sein. Nur, dass von AfD bis zur CSU darunter vor allem Flüchtlingsabwehr verstehen. Wer die Fluchtursachen bekämpfen will, muss sich die zugrundeliegenden strukturellen Probleme anschauen.

Instabilität

Europa ist von einem Ring der Instabilität umgeben, von zerfallenden und zerfallenen Staaten. Das sind solche Staaten, die ihre Staatsaufgaben entweder nicht erfüllen können oder wollen. In den fragilen oder gescheiterten Staaten hat der Staat sein Gewaltmonopol verloren. An seine Stelle treten nichtstaatliche Akteure: Warlords, Milizen und Söldner. Der zerfallende Staat ist ein idealer Rückzugsraum und Nährboden für Terroristen.

In Somalia, zum Beispiel, gibt es kaum noch staatliche Strukturen. Das Land ist seit den 1980er Jahren vom Bürgerkrieg zerrissen. Infrastruktur und Gesundheitswesen sind längst zusammengebrochen. Millionen Menschen leben in bitterer Armut. Die islamistischen Terrormiliz al-Shabab kämpft um die Vorherrschaft in dem Land.
Die Menschen flohen von dort in den Jemen. Nun bombt unser „strategischer Partner“ – so nannte Merkel Saudi-Arabien den Jemen gerade zurück ins Mittelalter bombt. Deswegen sind im letzten Jahr über 51 000 aus dem Jemen geflohen – unter anderem nach Somalia. Ein Teufelskreis der Fluchtwege.

In Libyen haben die internationale Intervention samt Sturz von Gaddafi einen gescheiterten Staat hinterlassen. Der UN-Sondergesandte Martin Kobler bemüht sich, die beiden verfeindeten Lager zu einer Einheitsregierung zu bewegen. Der Islamische Staat nutzt das Vakuum und breitet sich an der libyschen Küste aus. 300 km Küstenstreifen kontrolliert er schon.

Für Flüchtlinge ist Libyen ein wichtiges, aber gefährliches Transitland. Gerade sitzen dort über eine Million Menschen aus Syrien, Somalia und Eritrea unter schrecklichen Bedingungen fest.

Neue Kriege

Das Heidelberger Konfliktbarometer 2015 zählt weltweit 21 Kriege und über 400 politische Konflikte. Die meisten davon sind sogenannte neue Kriege.

Neue Kriege sind asymmetrisch. Statt klassischer Schlachten liefern sich Rebellen und Militärs einen Guerillakrieg. Beide Seiten setzen terroristischen Mitteln ein.

In neuen Kriegen kämpfen (halb-)private Akteure. Z.B. Milizen, Warlords, Söldner, Terroristen – aber auch Special Forces. Diese Akteure halten sich an keine Regeln, nicht mal an Mindeststandards des Kriegsvölkerrechts.

Neue Kriege sind entgrenzt. Schlachtfeld ist überall. Damit verschwimmt die Grenze zwischen Kämpfern und Zivilisten immer mehr. Sexuelle Gewalt und Versklavung von Zivilisten gehören zur Kriegstaktik.

Damit sind „neue Kriege“ Fluchtursache. Der Syrien-Krieg, zum Beispiel, geht jetzt in sein sechstes Jahr. Er hat über 250.000 Menschen das Leben gekostet.
Die syrische Zivilbevölkerung leidet unter den Fassbomben von Assad, dem Terror des Islamischen Staates und jetzt den internationalen Luftschlägen. Vor dem Krieg hatte Syrien mal 23 Millionen Einwohner. Die Hälfte der Bevölkerung ist im eigenen Land vertrieben.

Mittlerweile sind mehr als vier Millionen Syrer ins Ausland geflohen – der Großteil davon in die Türkei, den Libanon und Jordanien. Das verschärft die Lage in den syrischen Nachbarländern. Die Geflüchteten leben dort in Zeltstädten. Es gibt kaum medizinische Versorgung. Im Sommer musste die UN-Hilfsorganisation die Essenrationen für Flüchtlinge drastisch kürzen, weil dem Welternährungsprogramm das Geld ausgeht. Ein vorheriger Notruf der Vereinten Nationen war auf taube Ohren gestoßen. Der Hochkommissar für Flüchtlinge Antonio Guterres hält diese Kürzungen für den „Auslöser“ der großen Flüchtlingsbewegung 2015.

Wachsende Ungleichheit

Als weitere Fluchtursache hat sich die wachsende globale Ungleichheit erwiesen. Eine neue Oxfam-Studie präsentiert den traurigen Rekord: 62 Superreiche besitzen so viel wie die halbe Welt. Die Reichen sind in den letzten fünf Jahren reicher geworden, die Armen noch ärmer. 7,6 Billionen Dollar lagern in Steueroasen wie der Schweiz, Luxemburg oder Singapur. Und die entgangenen Steuern fehlen in den öffentlichen Kassen.

Knapp zehn Prozent der Weltbevölkerung lebt in extremer Armut, rund die Hälfte davon in Afrika. Diese Menschen müssen von 1, 25 $ am Tag leben.
Den Menschen in extremer und relativer Armut fehlt jede Perspektive.

Klimakrise

Diese Perspektivlosigkeit wird durch die Folgen der Klimakrise verschärft. Wir erleben immer mehr Dürren, Stürme, Hochwasser und Ernteausfälle. Die Klimakrise zerstört Lebensgrundlagen. Sie trägt zur Entstehung von Konflikten bei und heizt bestehende an.

– Eine langandauernde Dürre in Syrien hat zwischen 2007 und 2010 die ländliche Bevölkerung in die Städte gezwungen. Dort trafen sie auf Flüchtlinge aus dem Irak. Die zunehmend angespannte Lage bot den Nährboden für den Ausbruch der Unruhen 2011.

– Steigende Meeresspiegel gefährden weltweit 500.000 Menschen. 22 südpazifische Inselstaaten sind akut bedroht. Dicht bevölkerten Regionen wie Bangladesch und Ägypten drohen Überschwemmungen. Bei weiterer Erderwärmung wird es die amerikanische Ostküste und die europäische Westküste treffen. Aber auch die deutsche Nordseeküste.

Ressourcenkonkurrenz

Eines der größten Risiken unserer Zeit ist die Ressourcenkonkurrenz. Ob zu wenig Ressourcen – oder zu viele, beides schafft Konflikte.

– Magere Ernten führten zwischen 2007 und 2008 zu Hungerunruhen in Argentinien, Kamerun, Haiti und Indien.

– In Nigeria werden gewaltsame Konflikte um das immer knapper werdende Ackerland ausgetragen.

– Auch der Darfur-Konflikt entzündete sich 2003 an der Konkurrenz um schwindendes Weideland.

– Die DR Kongo ist ein Beispiel für die Kehrseite des Rohstoffreichtums. Dort gibt es große Vorkommen des Erzes Coltan. Das ist auf dem Weltmarkt heiß begehrt. Daraus wird das Metall Tantal gewonnen, das man für Handys, Laptops und anderen Elektrogeräte braucht. Mit den Gewinnen aus Abbau und Verkauf wurde der Bürgerkrieg finanziert.

– Libyen hat sein Ölreichtum keine Stabilität gebracht. Im Gegenteil.
Rohstoffknappheit hat viele Ursachen. Die Klimakrise, Umweltzerstörung, die Übernutzung von Ackerland, Überfischung. Entscheidend ist dabei nicht nur, ob die Ressource knapp ist sondern vor allem wie sie verteilt ist. Rohstoffknappheit führt häufig zu Verteilungskämpfen.

Es ist paradox: Rohstoffreichtum macht arm. Tatsächlich leben rund 75% der armen Bevölkerung in rohstoffreichen Ländern. Das Vorkommen einer wertvollen Ressource kann dazu verleiten, andere Wirtschaftssektoren zu vernachlässigen. Gerade in fragilen Staaten gibt es viele Akteure, die über den Zugriff auf Rohstoffe ihre Macht sichern.

Unsere (Un-)Sicherheitspolitik

Und nun zur letzten Fluchtursache: Deutsche und europäische Politik.

Unsere Handelspolitik, unsere Klimapolitik, unser Konsumverhalten – verschärft die Phänomene, die ich gerade beschrieben habe. Es ist an der Zeit, dass wir unsere eigene Rolle hinterfragen.

– Wenn Europas Fangflotten die Küsten Senegals leerfischen, muss man sich nicht wundern, wenn die Menschen von dort fliehen.

– Wenn unsere subventionierten Hühnerfleischexporte die Agrarwirtschaft in Afrika zerstören, dann wächst dort der Hunger.

Und das gilt auch in der Sicherheits- und Außenpolitikpolitik.

Die Bundesregierung hat in der ersten Hälfte 2015 Rüstungsexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro genehmigt. Ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr. Dabei hatte Vize-Kanzler Gabriel versprochen, er wolle bei den Waffengeschäften vorsichtiger sein. Davon kann keine Rede sein. Panzer und Patrouillenboote gehen unter anderem nach Saudi-Arabien, Katar, und Oman.

Diese Rüstungsexporte sind gefährlich. Sie gießen Öl ins Feuer bestehender Krisen und Konflikte. Die Bundesregierung kann den Endverbleib der Waffen, die sie entsendet, nicht wirksam kontrollieren und so landen deutsche Waffen in den Händen von IS-Terroristen. Und was macht die Bundesregierung? Sie finanziert mit den Exporten die weitere Aufrüstung gegen die Gefahren, die sie selbst geschürt hat.
Lange Zeit folgte der Westen der Maxime: der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Die Diktatoren des Nahen und Mittleren Ostens wurden hofiert, weil sie Stabilität versprachen. Gaddafi durfte seine Zelte vor dem Élysée-Palast in Paris aufschlagen solange er den Europäern die Flüchtlinge aus Afrika vom Hals hielt. Da sah man auch darüber hinweg, dass er die Geflüchteten noch schlechter behandelte als seine eigene Bevölkerung.

Und Assad? Der war zwar immer schon ein Diktator, aber nicht immer ein Feind des Westens. Hatte er doch für westliche Geheimdienste jahrelang Terrorverdächtige gefoltert. Wir müssen aufhören, solche Regimes zu stärken.

Denn der islamische Terrorismus ist auch eine Antwort auf die Doppelmoral des Westens, der von Menschenrechten redet, aber Diktatoren im eigenen Interesse stützt.
Gegen diesen Mangel an westlicher Glaubwürdigkeit erscheint der Islamismus manchen als einzig authentische Kraft.
Interventionen

Die Bilanz westlicher Militärinterventionen in der jüngeren Vergangenheit ist dürftig.

– Der Irak ist ein fragiler Staat, in dem die Korruption blüht und der IS einen Teil des Territoriums kontrolliert.

– In Afghanistan ist die Taliban heute wieder so stark wie vor der Intervention.

– Und in Libyen hat die NATO einen gescheiterten Staat hinterlassen.
In all diesen Fällen wurde Regel Nr. 1 missachtet: do no harm – man darf nur eingreifen, wenn man es damit nicht schlimmer macht.
Militärische Mittel als ultima ratio können geboten sein, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dazu gehört eine vernünftige Aussicht auf Erfolg und ein Mandat der Vereinten Nationen.

Aber wir dürfen nicht glauben wir hätten nur die Wahl zwischen Bomben und untätig sein. Halbherzige Interventionen schaffen neue Fluchtgründe.

Was muss passieren?

Die Instabilität, neue Kriege, wachsende Ungleichheit, die Klimakrise, Ressourcenkonkurrenz und unsere Politik – diese Fluchtursachen bedingen und verstärken sich gegenseitig.

Diese Probleme anzugehen ist gleichzeitig Krisenprävention und Konfliktbearbeitung.
Es reicht nicht, sich international nur als Feuerwehr zu betätigen. Brandherde notdürftig zu löschen. So werden die Konflikte immer wieder aufflackern und Menschen zur Flucht zwingen.

Wir brauchen eine echte Friedenspolitik. Dazu gehört:

Keine Rüstungsexporte in Krisengebiete. Punkt. Wir Grüne fordern deshalb schon lange ein Rüstungsexportgesetz.

Keine unfaire Handelspolitik der EU – mit der Exportförderung für Agrarexporte, die die lokalen Märkte zerstören, muss endlich Schluss sein!

Keine Überfischung der Meere vor den Küsten Afrikas

Zivile Konfliktbearbeitung und Krisenprävention – wir können die neuen Kriege nicht mit den Waffen des Kalten Krieges gewinnen. Frau von der Leyen will den Verteidigungsetat aufstocken. Doch viel hilft hier nicht viel. Dringender als Soldaten brauchen wir vor allem Ärzte, Ökonomen, Ingenieure, Polizisten, Richter, Staatsanwälte. Für die Stabilisierung zerfallender Staaten sind Polizisten wichtiger als Panzer.

Einsatz für mehr globale Gerechtigkeit – die Bundesregierung muss ihr Versprechen einlösen und 0,7% der Wirtschaftsleistung in die Entwicklungszusammenarbeit investieren und endlich den Steueroasen den Kampf ansagen

Das Klima zu schützen statt nur davon zu reden – bisher läuft es so: Merkel verspricht Dekarbonisierung, also den Kohlenstoffgehalt der Industrieproduktion runterzufahren. Und dann torpediert sie den Kohleaussstieg. Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, dann müssen wir mehr in energetische Gebäudesanierung investieren. Dann müssen wir endlich aus der Braunkohleverstromung und Kohleverstromung aussteigen. Und dann müssen wir als Autoland Deutschland einen großen Schritt in Richtung Elektromobilität gehen.

Migration gestalten – Aufnahme- und Transitländer müssen bei der Unterbringung und Versorgung sowie bei der Stabilisierung und der Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft unterstützt werden. Wir brauchen endlich ein modernes Einwanderungsgesetz. Das muss höhere Schutzstandards für Asylsuchende beinhalten und erleichterten Familiennachzug sowie bessere Bildungsangebote. Die Weichen für eine gelungene Integration werden jetzt gestellt!

Wir sind ein Einwanderungsland

Fluchtursachen zu bekämpfen heißt, wir müssen aufarbeiten, was wir Jahrzehnte falsch gemacht haben. Das ist eine langfristige Aufgabe. Wir werden also noch eine ganze Weile mit Flüchtlinge leben müssen. Dafür müssen wir uns endlich ehrlich machen.
Wir müssen Flucht und Einwanderung gestalten.

Ihnen wird zur Zeit etwas anders versprochen. Nachdem die Idee, dass Libyen uns die Flüchtlinge aus Afrika fernhält, zerstört wurde. Nachdem die Konstruktion von Dublin gescheitert ist, dass Griechenland und Italien die Flucht in die EU aufhalten können, zusammengebrochen ist, erzählen AfD und CSU Ihnen, dass es helfen würde, wenn wir in Europa wieder Grenzen errichten würden.

Gerade hat Österreich Obergrenzen beschlossen. Und was wollen sie machen, wenn der 37 501. Flüchtling kommt? Schießen? Ja sagt die AfD: „Die Verteidigung der deutschen Grenze mit Waffengewalt als Ultima Ratio ist eine Selbstverständlichkeit“
Mit Mauer, Selbstschussanlagen und Schießbefehl ist schon die DDR gescheitert. Am Ende haben sich die Menschen auch davon nicht aufhalten lassen.

Umso erschreckender ist es, dass hier in Sachsen-Anhalt die AfD in Umfragen mit über 10 % gehandelt werden. Mit der AfD und den PEGIDA hat sich das politische Klima in Deutschland nach rechts verschoben. Was sich hier herausgebildet hat, ist eine neue „völkische Bewegung“. Diese beschreibt die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung so: „Rund um Pegida und AfD hat sich der Nukleus einer Bürgerkriegspartei gebildet. Ihre Gier nach Gewalt ist mit Händen zu greifen.“

Das Ergebnis dieses Artikel von Volker Zastrow war ein nie dagewesener Shit-Storm von rechts. Er bestätigte ihn nachdrücklich.
Leider sprechen die Tatsachen für die Richtigkeit seines Befundes:

– In Erfurt wie anderswo verbreiteten die AfD-ler Gauland und Höcke ein falsches Zitat von mir damit Tausende minutelang „Volksverräter, Volksverräter“ brüllen konnten und mit den Worten „Wer Deutschland nicht liebt soll Deutschland verlassen“, meine Ausweisung forderten.

– In Dresden wettert unter einem Rapefugee-Plakat PEGIDA-Frontfrau Tatjana Festerling nicht nur gegen das „linksversiffte Deutschland“, oder „afro-arabische Sex-Terroristen“. Sie forderte auch auf: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln!“

– Ihr Ruf wurde in Leipzig-Connewitz erhört, wo 300 Rechte brandschatzend und prügelnd in SA-Manier durch die Straßen zog, Scheiben und Autos zerstörte.
Es gibt in Deutschland wieder rechten Straßenterror.

Und der Staat? Er zuckt die Achseln.

– Alle Festgenommen von Leipzig Connewitz sind trotz massiver Tatvorwürfe etwa schweren Landfriedensbruches wieder auf freiem Fuß.

– Obwohl sich die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingswohnheime verfünffacht hat, ist die Zahl der ermittelten, angeklagten oder gar bestraften Täter lächerlich.

– 300 mit Haftbefehl gesuchte Neonazis sind nicht auffindbar. Ist der NSU kein Sonderfall sondern ist Normalität?

Auch hierum geht es am 13. März. Setzen wir ein Zeichen gegen die Verrohung der Gesellschaft über die Flüchtlingsfrage. Das geht nur mit einem starken Ergebnis für Bündnis 90/Die Grünen am 13. März.

Erwachsen werden

Und es geht darum erwachsen zu werden. Wir können nicht die Exportweltmeister sein und glauben, wir könnten uns vor der Globalisierung verstecken.

Globalisierung muss gestaltet werden. Das geht nur mit einem starken Europa – und nicht mit neuen nationalen Grenzen.  Deutschland ist schon lange ein Einwanderungsland. Migration kann man nicht verhindern, sondern muss sie gestalten. Migration kann eine Chance sein.

Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Flucht kann man nicht bekämpfen. Fluchtursachen aber kann man abbauen.

Wir brauchen ein Rüstungsexportkontrollgesetz. Wir brauchen eine politische Lösung für Syrien und Libyen unter dem Dach der VN. Wir müssen mehr Geld für die Bewältigung der Klimafolgen bereit stellen – und brauchen einen Ausstieg aus der Kohle hier. Wir müssen mehr Geld für Entwicklungshilfe ausgeben und die Finanzierung der UN-Flüchtlingshilfe dauerhaft sichern.

Demokratie muss man verteidigen – gegen rechte Hetzer und Gewalttäter, und in Europa.

Wir brauchen eine europäische Grenzpolitik.
Wir brauchen eine europäische Migrationspolitik.
Wir müssen Rechtspopulisten überall entgegentreten – in Dresden, in Frankreich, in Polen wie in Ungarn.

Dafür stehen wir GRÜNEN.
Deshalb grün am 13. März in den Landtag.

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