EU-Haushalt – Wirtschafts- und Währungsunion – Europäische Klimapolitik

Bericht über die Reise nach Brüssel am 13. und 14. November 2012

Programm
13./14. November 2012:
• Gespräch mit José Manuel Barroso,
Präsident, Europäische Kommission
• Gespräch mit Herman van Rompuy,
Präsident, Europäischer Rat
• Gespräch mit Janusz Lewandowski,
Kommissar für Haushalt, Europäische Kommission
• Gespräch mit Connie Hedegaard,
Kommissarin für Klimapolitik, Europäische Kommission
• Gespräch mit Olivier Guersent,
Kabinettchef Kommissar Michel Barnier, Europäische Kommission
• „Lunch debate“ mit Repräsentanten von Think Tanks zu Wirtschafts- und Finanzthemen

Themenschwerpunkte
Vor dem Hintergrund der andauernden Eurokrise standen die aktuellen Maßnahmen zur Überwindung der Krise im Mittelpunkt meiner Gespräche, sowie die institutionelle Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion, dem Thema des anstehenden Europäischen Rates im Dezember. Weitere Themen waren die Vorschläge zur Schaffung eines gemeinsamen Aufsichtsmechanismus für Banken, der aktuelle Streit um den jährlichen EU-Haushalt für 2013 sowie die Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2014-2020). Desweiteren ging es um die Europäische Klimapolitik und dabei in erster Linie um das europäische Emissionshandelssystem.

Zusammenfassung / Politische Bewertung

Jährlicher Haushalt 2013 und Mehrjähriger Finanzrahmen 2014-2020
Selten waren die Fronten so verhärtet und die Kompromissbereitschaft so gering, wie bei den derzeitigen Verhandlungen um den jährlichen Haushalt für 2013 und dem MFR. Nachdem die ersten Verhandlungen zwischen Vertretern der drei Institutionen (KOM, Rat und EP) zum jährlichen Haushalt 2013 scheiterten, stand am Abend meines Besuchs am 13.11.2012 eine weitere Verhandlungsrunde an. Ausgangspunkt des Streits ist die Forderung der Europäischen Kommission nach einer leichten Erhöhung der Zahlungen für 2013, zusammen mit einem Nachtragshaushalt für das Jahr 2012 in Höhe von 9 Mrd. Euro. Während der Rat beides ablehnt, macht das Europäische Parlament die Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2012 zur Bedingung für eine Verabschiedung des Haushalts 2013. Meinen Gesprächspartnern zufolge schien sowohl die leichte Erhöhung für 2013 als auch der Nachtragshaushalt notwendig, damit die EU bereits eingegangenen Verpflichtungen nachkommen und Rechnungen begleichen kann. Alles andere hätte offene Rechnungen und ein Leerlaufen von Förderprogrammen zur Folge. Da die EU mit einem mehrjährigen Haushalt arbeite, sei es üblich, dass die späteren Haushaltsjahre einer Finanzperiode tendenziell höher als die früheren Haushaltsjahre, in denen es sogar Rückflüsse an die Mitgliedsstaaten gibt.
Da die Verabschiedung des Haushalts 2013 als Testfall für eine Einigung über den MFR gesehen wird, kommt ihm eine weitaus größere Bedeutung zu, als zunächst angenommen. Die Verhandlungen um den MFR gestalten sich schwierig. Angeführt durch Großbritannien und mit Unterstützung der sogenannten Nettozahler, fordert eine Gruppe von Mitgliedsstaaten Kürzungen in Höhe von 100 Mrd. (Deutschland) bzw. 200 Mrd. Euro (UK). Dem gegenüber steht das EP mit einer generellen Forderung nach Erhöhung. Darüber hinaus sind die Mitgliedsstaaten auch untereinander in die von der Bundesregierung angeführten sogenannten „friends of better spending“ und die sogenannten „friends of cohesion“ gespalten. Die „friends of cohesion“-Länder sind im besonderen Ausmaß auf die EU-Mittel aus den Strukturfonds angewiesen. In einigen Krisen-, aber auch in den osteuropäischen Ländern, würden die Mittel aus den EU- Strukturfonds 50-70% der
öffentlichen Investitionen ausmachen (in Ungarn sogar bis 95%), so meine Gesprächspartner. Dementsprechend setzen sie sich für gut ausgestattete Strukturfonds ein. Die „friends of better spending“ hingegen fordern unter dem Deck-mantel der besseren Nutzung der Mittel eine Kürzung dieser Haushaltsrubrik.
Der zum Zeitpunkt meines Besuches vorliegende Kompromissvorschlag der zypriotischen Ratspräsidentschaft erhielt keine Unterstützung. Dies war eine erfreuliche Nachricht, setzt er meiner Meinung nach falsche Prioritäten und kürzt unverhältnismäßig stark in den Bereichen Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und in der neu zu schaffenden „Connecting Europe Facility“.
Insgesamt war die Unzufriedenheit mit der harten Verhandlungsposition Großb-ritanniens groß. Die britische Regierung würde nicht nur blockieren, sondern hätte die Debatte dahingehend beeinflusst, dass der Britenrabatt – der im Gegensatz zu anderen Rabatten nicht zeitlich begrenzt ist – kaum noch Erwähnung findet. Allerdings wolle man sich von den Vetoandrohungen der britischen Regierung nicht unter Druck setzen lassen. Man prüfe daher die Möglichkeit, auch über 2013 hinaus auf Grundlage von jährlichen Haushalten weiterzuarbeiten. Im Gegensatz zum MFR, der einstimmig verabschiedet werden muss, reichen für die jährlichen Haushalte eine qualifizierte Mehrheit. Somit könnte Großbritannien überstimmt werden. Zwar sei dies keine optimale Lösung und würde die Planungssicherheit verringern, jedoch wolle man keine Einigung um jeden Preis.
Auch während meiner Lunch debate mit VertreterInnen von Think-Tanks, die allesamt zu Wirtschafts- und Finanzthemen arbeiten, stand die antieuropäische Haltung der britischen Regierung, bzw. des House of Commons, im Fokus. Es wurde darauf hingewiesen, dass sobald eine Einigung des MFR gefunden ist und der Eigenmittelbeschluss den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorliege, ein Referendum über den weiteren Verbleib Großbritanniens in der EU anstehen könne. Innerhalb der EU sollte man die Auseinandersetzung damit nicht scheuen, sondern vielmehr eine ehrliche Debatte über die EU-Mitgliedsschaft Großbritanniens und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten führen.

Eurokrise / Weiterentwicklung der WWU
Meine Fragen nach dem für Dezember angekündigten Abschlussbericht der Vier Präsidenten zur Zukunft der WWU wurden auffallend ausweichend beantwortet. Auch ließen sich gewisse Spannungen und Uneinigkeiten zwischen den Akteuren (insbesondere zwischen dem Rat und der Kommission) nicht verbergen. So wiesen meine Gesprächspartner aus der Kommission daraufhin, dass sie für Ende November eine eigene Mitteilung zur Zukunft der WWU planen. Teilweise wurde sogar bezweifelt, dass es überhaupt einen gemeinsamen Abschlussbericht der Vier Präsidenten geben wird.
Hervorgehoben wurde die Idee, die Mitgliedsstaaten in Zukunft durch vertragliche Vereinbarungen mit den EU-Institutionen zur Umsetzung von Reformvorhaben zu bewegen. Diese Verträge wurden bereits im Zwischenbericht von v. Rompuy im Oktober erwähnt. So hieß es, die EU-Kommission spreche zwar im Rahmen des Europäischen Semesters länderspezifische Empfehlungen aus, ihre Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten sei aber mangelhaft. Die Verträge würden den Druck erhöhen, im Gegenzug könnten die Mitgliedsstaaten allerdings mit einem finanziellen Anreiz der Gemeinschaft rechnen. Sogleich wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Umsetzung aller Reformen, die eine Vertragsänderung bedingen, schwierig sei. Für Vertragsänderungen bestünde zum jetzigen Zeitpunkt keine Mehrheit. Das gelte auch für die Einrichtung eines Schuldentilgungsfonds, so meine Gesprächspartner.

Europäische Klimapolitik
Am 12. November, einen Tag vor meinem Besuch, hatte die Kommission bekannt gegeben, dass sie die Einbeziehung des Flugverkehrs in die Klimaabgaben aussetzen und den Vorschlag von ICAO im September 2013 abwarten würde. Weiterhin hat die Kommission vorgeschlagen, im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystem (ETS) 900 Millionen Zertifikate durch das
sogenannte Backloading vom Markt zu nehmen, um den Preis der Zertifikate zu stabilisieren.
In Hinblick auf den Flugverkehr, so hieß es, wird die EU den Vorschlag der ICAO abwarten. Folge dieser bis September 2013 nicht, wird sie die Verantwortung übernehmen und den Prozess auf europäische Ebene weiter führen. In diesem Fall sei auch die Unterstützung der Bundesregierung gefragt.
Zum Backloading-Vorschlag der Kommission beim ETS hieß es, dieser würde nun im Klima-Ausschuss (Kommission und Mitgliedstaaten) verhandelt, der am Ende mit qualifizierter Mehrheit entscheiden würde. Polen sei zwar gegen den Vorschlag der Kommission, es gäbe jedoch auch Mitgliedstaaten, die ambitioniertere Ziele befürworten. Generell sei noch in diesem Jahr eine Einigung auf die 900 Millionen Zertifikate möglich.
Ein weiteres Thema waren konkrete Ziele im Bereich Klima und erneuerbare Energien. Diese seien für 2030 notwendig – schon allein um Investitionssicherheit für Unternehmen zu schaffen, so meine Gesprächspartner. Allerdings gestalte sich eine Einigung auf verbindliche Ziele schwierig.

Bankenunion / Einheitlicher Aufsichtsmechanismus
Meine Gespräche über die Errichtung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus fokussierten sich auf die im Verhandlungsprozess noch zu klärenden Punkte. Strittig sei weiterhin die Frage, welche Banken der gemeinsamen Aufsicht unterliegen sollen. Eine Konzentration auf ausschließlich systemrelevante Banken hält die Kommission für nicht ausreichend. Das Beispiel Spanien hätte gezeigt, dass es gerade nicht ausschließlich die systemrelevanten Banken sind, die Probleme schaffen. Schwierig gestalte sich die angemessene Einbindung der Staaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, dies aber vorhaben. Rein rechtlich sei die Lage eindeutig: die Letztentscheidung liegt beim Gouverning Board der EZB, in der nur die Eurostaaten vertreten sind. Um dem zu begegnen, soll nun eine begrenzte Vertragsänderung geprüft werden. Auch die Frage, wie eine ausreichende parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden kann, sei noch nicht abschließend geklärt. Nicht mehr strittig sei hingegen die Wahl der Rechtsgrundlage (Art. 127 AEUV) sowie die Wahl der EZB als Institution, bei der sich die gemeinsame Aufsicht ansiedeln soll. Die Gewährleistung einer klaren Trennung zwischen Geldpolitik einerseits und den neuen Aufsichtsfunktionen andererseits setze noch Klärungsbedarf voraus. Doch eine Lösung zeichne sich ab. Eine Einigung auf den rechtlichen Rahmen noch in diesem Jahr, – so wie es sich die Staats- und Regierungschefs selbst auferlegt haben – sei, trotz der offenen Fragen, noch möglich.
Weniger klar waren die Antworten auf meine Fragen zum Verhandlungsstand um das einheitliche Restrukturierungsregime. Ich wollte auch wissen, wann wir mit einem gemeinsamen Abwicklungsfonds rechnen können. Daraufhin hieß es, zwar sei eine gemeinsame Institution zur Abwicklung von Banken geplant, doch müssen zunächst die nationalen Fonds miteinander verbunden werden. Noch zurückhaltender waren meine Gesprächspartner im Bezug auf die gemeinsame Einlagensicherung. Die Einlagensysteme in den Mitgliedsstaaten seien zu unterschiedlich. Daher wird zunächst eine Angleichung der nationalen Systeme angestrebt, bevor man ein einheitliches System schaffen könne.

 

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