CETA: gemischtes Abkommen, aber schlechte Mischung

Heute habe ich eine Rede im Bundestag zu CETA gehalten:

„Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wusste gar nicht, dass Uwe Beckmeyer so ein Ökologe ist, dass er jetzt die Einführung der US-Stickstoffnormen für Europa fordert. Wir können ihn dabei nur unterstützen und warten auf die entsprechende Gesetzesinitiative der Bundesregierung.

Nur, das wird sie nicht tun. Damit sind wir bei dem Kern des Problems. Wenn man über Handelsabkommen redet und sich Handelsabkommen vorstellen würde, bei denen sich beide Seiten auf die höheren sozialen und ökologischen Standards einigen würden, dann würden Sie aufseiten der Linken und der Grünen niemanden finden, der gegen ein solches Abkommen ist.

Aber darum geht es hier überhaupt nicht. Das, was Sie hier praktizieren, ist nichts anderes, als dass Sie die Möglichkeiten der Bundesländer, der Kommunen, des Deutschen Bundestags, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission über ein ausgefeiltes System der regulatorischen Kooperation erschweren wollen. Sie wollen die Standardsetzung künftig schwerer machen. Wer sich die einzelnen Regulierungen anschaut, der wird sehr schnell sehen, wozu das führt, nämlich dazu, dass der Lobbydruck auf demokratisch gewählte Volksvertreter in den Kommunen, in den Bundesländern, im Bundestag und im Europäischen Parlament erhöht wird. Das ist das Problem, und das ist übrigens das Problem, das wir in ganz Europa haben.

Aus diesem Grunde, weil dieses Abkommen so umfassend eingreift, ist das ein gemischtes Abkommen. Ich habe mich schon gewundert, Herr Pfeiffer: Jetzt sind wir einmal mit der Bundesregierung einer Meinung. Es ist die Auffassung der Bundesregierung, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt. Daran können auch allgemeine Ausführungen über den Lissaboner Vertrag nichts ändern.

Völlig klar im Lissaboner Vertrag geregelt deswegen habe ich für seine Annahme hier plädiert ist, dass, wenn in Kompetenzen nationaler oder subnationaler Gesetzgebung eingegriffen wird, ein solches Abkommen nicht nur von der Mehrheit des demokratisch gewählten Parlamentes, nicht nur von der qualifizierten Mehrheit demokratisch gewählter Regierungen in Europa, sondern auch von den nationalen und gelegentlich regionalen Parlamenten mit ratifiziert werden muss. Das ist die Rechtslage. Ein guter Europäer sollte zu dieser Rechtslage stehen und das hier nicht verunklaren, wie Sie das gemacht haben.

Ich will aber anhand eines Punktes eine nachdenkliche Anmerkung über die Lesefähigkeit der Kollegen machen. Ja, das Vorsorgeprinzip steht drin, vorne in der Präambel. Ich glaube, es ist aus der Rio-Konvention übernommen. Aber schauen Sie sich einmal die einzelnen Fachkapitel an. Dort ist überall vom „wissenschaftsbasierten Ansatz“ die Rede.

Das ist das Gegenteil von dem, was behauptet worden ist. In Richtung der Sozialdemokraten sage ich: Mich erinnert das an den 18. Brumaire des Louis Bonaparte. Dessen Autor hat einmal geschrieben: Die Freiheit wird in der Phrase beschrieben, und die Aufhebung der Freiheit steht in der Fußnote. – Sie vertuschen, was in der Fußnote steht.

Der Unterschied zwischen dem wissenschaftsbasierten Ansatz und dem Vorsorgeprinzip ist ziemlich einfach – ich sage das für die auf der rechten Seite des Hauses, die es nicht wissen -: Beim wissenschaftsbasierten Ansatz muss man am Ende nachweisen, ob irgendeine Chemikalie Krebs erzeugt. Erst am Ende eines solchen Prozesses wird sie verboten. – Ich rede nicht von Glyphosat. Ich rede von den Zuständen, die in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts zum Holzschutzmittelskandal geführt haben. Dem haben wir gemeinsam ein Ende gesetzt, und seitdem gilt in Deutschland das Vorsorgeprinzip. Das wollen wir nicht durch Handelsabkommen an dieser Stelle aushebeln lassen.

Letzte Bemerkungen. Auch ich habe mich gestern kurz gefreut, als ich gehört habe, dass die Kommission ihre Haltung zum Inkraftsetzen von CETA geändert hat. Nur, ich glaube, zur Freude besteht gar kein Anlass.

Die Kommission hat gesagt, was passiert, wenn sie auf ihrer Rechtsposition beharrt: Dann passiert gar nichts. Sie will aber, dass dieses Abkommen schnell in Kraft tritt. Also hat sie ihre vermeintlich sichere Rechtsposition geräumt. Sie hat CETA zu einem gemischten Abkommen erklärt und setzt alles daran, dieses Abkommen, auch den Investitionsteil, vor einer Ratifizierung vorläufig in Kraft zu setzen.

Wenn Sie, lieber Herr Ulrich, sagen, die hätten den Schuss nicht gehört: Die haben mehrere Schüsse nicht gehört. Die sind auch nicht willens, an dieser Stelle weitere Schüsse zu hören.
Ich glaube, dass die Bundesregierung gut beraten wäre, an dieser Stelle klar zu sagen: Wir sind nicht bereit, ein vorläufiges Inkraftsetzen dieses Abkommens, die Errichtung neuer Hürden für demokratische Regulierung zu akzeptieren. – Wir sind der festen Überzeugung, dass die Bundesregierung ein vorläufiges Inkraftsetzen im Rat ablehnen muss. Wir sagen Ihnen auch: Wenn wir dahin kommen wollen, wohin Herr Beckmeyer wollte, dann brauchen wir einen Neustart, nicht nur in Europa, sondern insbesondere auch in der Handelspolitik. Denn am Ende bleibt richtig: Nur fairer Handel ist freier Handel.“

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