Carbonfree ist generationengerecht

Vom Unsinn der Schuldenbremse

Die existierende Schuldenbremse ist das Gegenteil von gerecht. Nur carbonfree wird auch kommenden Generationen gerecht.

Heute hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sein Damaskuserlebnis. Jahrelang trommelte er für eine Schuldenbremse in Grundgesetz und Landesverfassungen. Nun fordert sein Hauptgeschäftsführer die Abkehr von der Schwarzen Null – in seltenem Übereinklang mit Gewerkschaften und vielen Wirtschaftswissenschaftlern.

Nur Christian Lindner und Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigen weiter verbissen die Schuldenbremse. Sie behaupten gar, die Schwarze Null sei Ausdruck von Generationengerechtigkeit. Was für ein Unsinn. Gleichzeitig fordern CDU und FDP die Abschaffung des Soli für die Superreiche. Was Milliarden kostet. Beide wollen die Rüstungsausgaben um gut 50 % steigern. Ohne Kredite geht das nur, wenn der Staat auf Investitionen verzichtet und Sozialleistungen kürzt. Das ist Voodoo Ökonomie aber nicht generationengerecht.

Wir Grünesehen die 180 ° Wende der obersten Industrielobbyisten mit Gelassenheit. Auf der einen Seite haben wir dieser Schuldenbremse nicht zugestimmt. Denn wer Investitionen in Bildung als konsumtive Ausgaben schmäht, hat einfach einen falschen Investitionsbegriff.

Auf der anderen Seite haben Grüne nie einer grenzenlosen Staatsverschuldung das Wort geredet. Staatliche Aufgaben müssen dauerhaft einnahmefinanziert werden. Deshalb bedarf es eines leistungsgerechten Steuersystems, bei dem sich hohe Einkommen und große Vermögen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligen. Nur weil die Große Koalition zu feige ist, den Vermögenssteuersumpf in Deutschland trocken zu legen, muss man nicht Zinsen an jene Vermögenden zahlen, die so viel Geld übrighaben, dass sie es dem Staat leihen können.

Die existierende Schuldenbremse hatte nie etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Sie war vielmehr Ausfluss einer neoliberalen Ideologie, die nach dem Motto Privat vor Staat für eine möglichst niedrige Staatsquote kämpfte. Diese Ideologie ist 2008 im globalen Finanzcrash unter die Räder gekommen. Plötzlich musste der Staat Banken und die Vermögen ihrer Einleger retten. Bankschulden wurden zu Staatsschulden.

Seit der Verabschiedung der Schuldenbremse haben sich zwei weitere Dinge geändert. Zum einen sanken die Zinsen auf ein historisches Tief. Und die Weltwirtschaft steht heute vor einer Rezession. Letzteres trifft gerade die exportorientierte deutsche Industrie. Deshalb der Schwenk des BDI.

Soll einer solchen Rezession entgegengewirkt werden, bedarf es massiver Investitionen. Und es gibt einen erheblichen Investitionsbedarf in Infrastruktur, Bildung, Wohnungsbau, Klimaschutz und Energiewende. Warum sollen diese Investitionen nicht – teilweise – kreditfinanziert werden?

Vor allem, wenn den Staat diese Kredite nichts kosten? Die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen sind negativ – der Staat bekommt sogar 0,6 % Zinsen, statt sie zahlen zu müssen. Selbst für dreißigjährige Anleihen zahlt der Staat nicht. In dieser Situation ist es ein Gebot der Generationengerechtigkeit zu investieren – und diese Investitionen über Kredite zu finanzieren, die über die Abschreibungszeit keine Finanzierungskosten aufweisen.

Denn was wäre die Alternative? Wer das Dach einer Turnhalle heute nicht repariert, wer den Schaden an einem Brückenpfeiler heute nicht beseitigt, der muss morgen eine neue Turnhalle und eine neue Brücke bauen. Er hinterlässt nachfolgende Generationen teure Altlasten. Und er nimmt die Kosten eines Wirtschaftseinbruchs gleich mit in Kauf. Arbeitslosigkeit kostet die Beitragszahler Abgaben und den Staat Steuereinnahmen.

Die ideologisch hoch gehaltene Schwarze Null ist das Gegenteil von gerecht.

In Zeiten der Klimakrise aber ist sie besonders ungerecht. Denn was für unterlassene Instandsetzung richtig ist, gilt für unterlassene Investitionen in Klimaschutz und Energiewende mehrfach. Je später sie getätigt werden, desto teurer wird es für kommende Generationen.

Es geht um Null Treibhausgasemissionen. Es geht um eine neu ausgeglichene Atmosphäre. Je früher wir darein investieren, bis 2050 klimaneutral zu sein, um so besser für unsere Kinder und Enkel. Wir sparen ihnen teure Ausgaben für die Vermeidung und für die Behebung der durch unser Unterlassen eingetretenen Schäden. Wir müssen heute investieren.

Carbonfree – das ist generationengerecht.

Dafür ist die Abschaffung der Milliarden an klimaschädlichen Subventionen ein Weg, der Mittel freimacht. Daneben sollten in Zeiten niedriger Zinsen Investitionen in Klimaschutz auch kreditfinanziert werden. Die Trockenlegung des deutschen Steuersumpfes bei Vermögen und Erbschaften kann zudem die Finanzierungsfähigkeit des Staates langfristig sichern. Ich fürchte spätestens hier endet die neue Gemeinsamkeit mit dem BDI in der Ablehnung der Schuldenbremse.

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