Anlässlich der EU-China Videokonferenz erklären Dr. Franziska Brantner, Sprecherin für Europapolitik, und Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Die Zeit der Show-Gipfel ist vorbei. Bei den EU-China Videokonferenzen am Montag muss Tacheles geredet werden. Damit solche Gipfel nicht verhallen, braucht Europa eine gemeinsame China-Politik. Die Zeiten einer deutschen, neben einer französischen, neben einer 17+1 China-Politik müssen endlich vorbei sein.
China ist für die EU heute gleichzeitig Partner, Konkurrent und Systemrivale. Dieser Herausforderung muss die gemeinsame China-Politik gerecht werden.
Dem systemischen Rivalen China muss klar gemacht werden, dass die Entwicklung in Hongkong die Nagelprobe für die internationale Verlässlichkeit Chinas ist. Entscheidend ist, dass die Wahlen in Hongkong im September frei, fair und offen ablaufen können. Die EU-VertreterInnen und Merkel müssen deutlich machen: Die Aushebelung der zugesicherten weitreichenden Autonomie Hongkongs durch das sogenannte Sicherheitsgesetz hat einen Preis. Noch immer laufen 80 Prozent aller internationalen Investitionen in China über den Finanzplatz Hongkong, Investitionen kann es nur bei Rechtssicherheit geben.
Beim letzten EU-China-Gipfel hatte der Wettbewerber China Zugeständnisse etwa beim Marktzugang angekündigt. Doch im Praxistest haben diese Zusagen bisher nicht bestanden. Die Videokonferenz muss ein Realitätscheck sein. Im letzten Jahr hat es beim Marktzugang, bei Subventionen und den staatseigenen Betrieben zu wenig Fortschritt gegeben. Reziprozität muss künftig das zentrale Prinzip der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen sein. Die Bundesregierung muss sich in ihrer Ratspräsidentschaft besonders für fairen Wettbewerb und eine gemeinsame Position in der EU einsetzen. Für eine starke gemeinsame Position braucht es Investitionen in mehr europäische Souveränität. Dazu gehört auch, europäische Unternehmen und Infrastruktur in der Pandemie vor einem möglichen Ausverkauf zu schützen. Die Entwicklung eines europäischen 5G-Konsortiums zu ermöglichen und zu unterstützen, das sowohl die großen, auf dem Markt etablierten Akteure als auch kleinere Hardware- und Softwarefirmen zusammenbringt und Anreize und Förderungsmöglichkeiten für den Aufbau eines gemeinsamen Ökosystems für Innovation schafft.
Schließlich gilt es den Partner China beim Wort zu nehmen. China gibt sich gern als Verteidiger von Multilateralismus und Vorreiter im Klimaschutz. Wenn es China ernst ist mit dem Klimaschutz, müssen China und Europa sich auf ambitioniertere Klimaziele verständigen. Für China bedeutet das, den Zeitpunkt, an dem der höchste Emissionsstand erreicht ist, vorzuverlegen. Für Europa bedeutet es, seine Zusagen für 2030 auszuweiten. Ein weiteres Thema für den Video-Gipfel müssen die Härten der Pandemie gerade für Entwicklungsländer sein. China und die EU sollten sich gemeinsam für einen multilateralen Schuldenerlass für die ärmsten Länder einsetzen.
Europa muss sich gegenüber China nicht kleinmachen. Unsere Wirtschaften sind miteinander verflochten. Aber gerade die Corona-Pandemie mit dem daraus folgenden Einbruch des Wachstums und der Arbeitslosigkeit in China wie in Europa zeigt, dass diese Abhängigkeit eine gegenseitige ist.
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