Vielen Dank für Ihr Schreiben der Scientists for Future Göttingen. In der Tat wird der Bundestag am morgigen Freitag über das Kohleausstiegsgesetz entscheiden. Besser wäre es wohl von einem „Kohlevergoldungsgesetz“ zu sprechen, wie es Dr. Felix Matthes vom Ökoinstitut tat, einst Mitglied der Kohlekommission.
Ich stimme Ihnen zu: Wollen wir die globale Erwärmung auf 1,5 °C begrenzen, müssen die Reduktionszusagen für 2030 verschärft werden, die die Vertragsstaaten des Klimabkommens von Paris gegeben haben.
Das Gesetz zum Kohleausstieg aber schafft einen Mechanismus, mit dem ambitioniertere deutsche Klimaziele bei der Kohleverstromung mit Milliarden an Entschädigungen verknüpft und so erschwert werden.
Das fing schon damit an, dass die Bundesregierung parallel zur Kohlekommission einen Entschädigungsanspruch jenseits der Rechtsprechung des Bundesverfassungssgerichts auch auf entgangene Gewinne konzedierte. Es kam dennoch zu einem schwierigen Kompromiss, dem auch die Umweltverbände zustimmten. Der Grund war, dass in diesem Kompromiss, ein klarer Ausstiegspfad über die zwanziger Jahre beschrieben wurde.
Genau dieser Pfad aber wird nun konterkariert. Das hat am Mittwoch die Bundeskanzlerin in der ihr gelegentlich eigenen Offenheit zugegeben. „Ich weiß, dass wir Hänger haben in der Mitte der 20er Jahre“ Aber, so fügte sie hinzu, es sei aber auch nie gesagt worden, dass die Empfehlungen der Kohlekommission „1 zu 1 umgesetzt würden“. Das haben breite Teile der Kommission aus Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden anders in Erinnerung.
Genau hier liegt der Unterschied zur Umsetzung des Atomkonsenses, den Empfehlungen der Endlagerkommission und auch der Kommission zur Finanzierung des Atomausstiegs. Deren Empfehlungen wurden wie epfohlen umgesetzt. Gesellschaftliche Konsense über vormals polarisierende Probleme konnten so in Gesetz überführt werden.
Das Prinzip gesellschaftlicher Konsense wurde von der Großen Koalition nun ausgerechnet beim Klimaschutz mit Füßen getreten. Frau Merkel wischt die Bereitschaft von Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden, sich auf einen schwierigen Kompromiss einzulassen, einfach beiseite. Das wird Folgen für künftig notwendige Konsensbildungen haben
Weil sich die Große Koalition beim Klimaschutz von einem Konsens verabschiedet hat, kann ich Ihnen keine Hoffnung machen, dass sie die Entscheidung über das Kohlevergoldungsgesetzes am Freitag vertagen wird. Wir werden dann diesem Gesetz nicht zustimmen. Es wird den Erfordernissen zum Bremsen der Klimakrise nicht gerecht.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
Jürgen Trittin
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