Anlässlich der Telefonkonferenzen der NATO-Außenminister*innen am 1.12. und 2.12.2020 erklärt Jürgen Trittin, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:
Seit 30 Jahren ist der Kalte Krieg vorbei. Genauso lange ist die NATO auf Selbstfindungsmission. Doch inzwischen ist sie in einer existentiellen Krise. Denn von dem Wertebündnis ist nicht viel geblieben und auch die Interessen der Mitglieder gehen zunehmend auseinander und auch gegeneinander.
Auseinander geht es beim Thema Afghanistan. Die aktuellen US-Truppenabzüge aus Irak und Afghanistan kommen nicht überraschend. Bis zum 30. April sollen alle Truppen abgezogen sein. Die NATO hat es versäumt, einen geordneten Rückzug zu organisieren. Jetzt werden sie von den USA vor vollendete Tatsachen gestellt Die Verbündeten brauchen auch unter Joe Biden eine neue Strategie im Umgang mit den USA.
Gegeneinander geht es mit der Türkei. Sie ist vom Partner zum Spoiler geworden. Präsident Erdogan versucht systematisch die türkische Einflusssphäre auszubauen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht: Die Türkei bedroht das NATO-Mitglied Frankreich mit seiner Marine, verweigerte eine Dursuchung eines türkischen Schiffes durch die Bundeswehr und verletzt die Hoheitsrechte von EU-Mitglied und NATO-Partner Griechenland. Statt auf Kooperation setzt die Türkei auf Eskalation.
An genau diesen Konflikten drohen die Vorschläge der NATO Expert*innenkommission zu scheitern. Sie sollte die Feststellung von Emmanuel Macron vom „Hirntod“ des Bündnisses widerlegen. Doch Vorschläge, die Einstimmigkeit zu relativieren, dürften an eben dieser Einstimmigkeit und an diesen Konflikten scheitern.
Stattdessen soll sich die NATO nun mit dem Aufstieg Chinas beschäftigen. Das liegt zwar weit entfernt vom Nordatlantik, doch nicht nur Europa droht im Konflikt zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Doch welche Antwort ein Militärbündnis auf ein China geben soll, das Partner, Wettbewerber und Rivale ist, ist völlig fraglich. Die Rivalität zwischen den USA und China ist primär ökonomisch, noch nicht militärisch. So richtig es ist, mit den ASEAN-Staaten, Japan, Australien und Neuseeland Gemeinsamkeiten zu suchen, so sind Handels- und Investitionsabkommen mit der EU hier wichtiger als mehr militärischer oder symbolischer militärischer Beistand. Vor allem aber darf der neu entdeckte Gegner China nicht von den inneren Konflikten der NATO ablenken.
Die Funktionsfähigkeit des Bündnisses und damit die Sicherstellung der Bündnisverteidigung kann nur gesichert werden, wenn sich die Mitgliedstaaten den inneren Problemen der NATO stellen.
Verwandte Artikel
Kopfgeld für Menschen aus Hongkong völlig inakzeptabel
Die Kopfgelder sind völlig inakzeptabel und entbehren jeder Rechtsgrundlage. Mit Angst und Schrecken versucht die kommunistische Partei erneut, Menschen in aller Welt zu unterdrücken. Menschen, die berechtigte Kritik an der kommunistischen Partei äußern. Das dürfen wir, das dürfen Demokratien nicht zulassen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wir schützen und nicht der autoritären Willkür von Präsident Xi opfern dürfen.
Weiterlesen »
Und Tschüss! Warum ich nach 25 Jahren mein Mandat niederlege
Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Britta, Liebe Katharina Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Ihr ward so nett, mir zum Beginn unserer regulären Fraktionssitzung das Wort zu geben.
Vor einigen Wochen meinte Paula, sie hätte sich ja wohl auf meinen Platz gesetzt. Wir sind alle Gewohnheitsmenschen. Wenn die Handtuchregel auch künftig gilt, wird hier ab Januar der Platz von Ottmar von Holtz sein.
Ottmar wird für mich nachrücken. Ich werde im Januar mein Mandat niederlegen.
Ottmar kennt die Arbeit in der Fraktion. Er war von 2017 bis 2021 Mitglied der Fraktion. Manche kennen ihn als aktuellen Sprecher der BAG Internationales und Frieden.
Warum höre ich in der Mitte der Legislaturperiode auf?
Für einen politischen Menschen gibt es keinen guten Zeitpunkt aufzuhören.
Irgendwas ist immer, wo wir meinen gebraucht zu werden, wo wir nicht stillsitzen können und zuschauen. Ihr habt selbst gesehen, was mich in den letzten Wochen angetrieben hat – vom Terror der Hamas und dem Krieg im Gaza bis zur Klimaaußenpolitikstrategie.
Doch wir reden nicht vom Ende der Politik, sondern vom Ende meines Mandats.
Ich finde, 25 Jahre Bundestag sind ein guter Grund.
Weiterlesen »
Interessen und Werte: Ehrlich machen
Diskussionsbeitrag zur WertegeleitetenAußenpolitik an der Universität Potsdam am 05.12.2023. Offenkundig wird die neue Ordnung einer multipolaren Welt gerade ausgekämpft. Dazu drei Thesen: Deutsche Außenpolitik muss sich ehrlich machen. Wir müssen uns von dem Westen verabschieden. Eine multilaterale Ordnung wächst über multipolare Bündnisse gemeinsamer Interessen und Werte.
Weiterlesen »
Kommentar verfassen