Zur morgigen Ernennung des neuen Hongkonger Regierungschefs erklärt Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen:
„Um das Ende der Amtszeit von Carrie Lam war es nicht schade. Als verlängerter Arm Pekings beerdigte Carrie Lam Deng Xiaopings Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“, das Grundlage für den völkerrechtlichen Vertrag Chinas mit Großbritanniens ist. 1997 hatte China in diesem Vertrag zugesagt, dass in der Sonderverwaltungszone Hongkong bis 2047 Demokratie herrschen soll – unter Lam wurde dies spätestens mit der Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes und der letztjährigen Wahlreform zerstört.
Die Ernennung des neuen Hongkonger Regierungschefs eine Wahl zu nennen, ist eine Farce. Wieder stimmt allein ein Wahlkommitee über den einzigen zur Wahl zugelassenen Kandidaten ab, wieder ist es ein Kandidat von Pekings Gnaden. Diese Pekinger Personalie ist ein Schlag ins Gesicht der Hongkonger Zivilgesellschaft: John Lee, ehemaliger Hongkonger Sicherheitschef, lautstarker Befürworter des Nationalen Sicherheitsgesetzes, mitverantwortlich für die brutale Niederschlagung der Proteste 2019 und die polizeiliche Verfolgung von Parlamentariern, Journalisten und Oppositionellen.
Ob John Lee tatsächlich, wie er es bei seiner Vorstellung als Kandidat verkündete, „Dirigent einer neuen Symphonie“ in Hongkong sein wird, scheint vor diesem Hintergrund wenig wahrscheinlich. In seinem kürzlich veröffentlichten Wahlprogramm kündigte er neben einigen wenigen sozial- und wirtschaftspolitischen Schwerpunkten bereits an, den umstrittenen Artikel 23 des Hongkonger Basic Laws zu aktivieren. Eine Bestimmung ausgerechnet aus der britischen Kolonialzeit – um so die letzten Lücken des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong zu schließen.
Die Lage in Hongkong führt uns vor Augen, dass auch für unser Verhältnis zu China gilt: Die Maxime „Wandel durch Handel“ ist gescheitert. Stattdessen brauchen wir eine realistisch wertegeleitete Chinastrategie.
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