Zum Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vom 15. bis 17. März in Berlin erklären Lamya Kaddor, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:
Der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten in Deutschland unterstreicht die enge Zusammenarbeit zwischen Israel und Deutschland. Doch dieser Besuch Netanjahus findet statt vor dem Hintergrund massiver Proteste gegen einen befürchteten Abbau von Rechtstaatlichkeit und Demokratie durch die Regierung. Gleichzeitig verschärft sich die Sicherheitslage in Israel und insbesondere in den von ihm besetzten palästinensischen Gebieten. Die Bundesregierung muss den Besuch nutzen, in diesen Fragen klar ihre Sorgen auszusprechen. Gerade unter Freunden ist Klartext möglich und nötig.
Selten zuvor musste sich eine israelische Regierung derart deutlicher Kritik befreundeter demokratischer Staaten wie den USA stellen. Die Bundesregierung darf hier nicht zurückstehen, in einer Situation, in der über 1.000 israelische Künstler*innen und Akademiker*innen um David Grossman sogar die Absage des Netanjahu-Besuchs gefordert haben, sind klare Worte notwendig.
Die Bundesregierung muss – wie der Bundespräsident – klar die Aufgabe der geplanten Justizreform fordern. Sie muss ein Ende der aggressiven Rhetorik, der eskalierenden Einsätze sowie der Straflosigkeit in den besetzten Gebieten verlangen. Deutschland hat eine besondere historische Verantwortung für den Staat Israel und muss als verlässlicher Freund und Partner extrem besorgt über die Sicherheit des Landes und den ihm eigenen demokratischen Pluralismus sein.
Israels lebendige Demokratie ist in diesen Monaten herausgefordert. Hunderttausende gehen jede Woche auf die Straße, Technologiefirmen drohen damit, das Land zu verlassen und Reservist*innen verweigern ihren Dienst aus Sorge um den Erhalt von Freiheiten und demokratischen Rechten. Nach der Justizreform könnte die Knesset Urteile des Obersten Gerichtshofs faktisch mit einfacher Mehrheit aussetzen – und damit auch das Grundgesetz. Zuletzt hat auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog die Regierung mit klaren Worten aufgefordert, diesen Angriff auf die Gewaltenteilung zurückzunehmen. Auch in Berlin sind anlässlich des Besuchs Netanjahus Demonstrationen angekündigt.
Auch der Versuch, die Finanzierung und Arbeit von Nichtregierungsorganisationen einzuschränken, schwächt die israelische Demokratie und den Pluralismus. Betroffen sind dabei auch von Deutschland unterstützte Organisationen oder deutsche Organisationen, die in Israel und den besetzten Gebieten tätig sind. Beunruhigend ist auch der Gesetzesentwurf zur Einführung der Todesstrafe, die eigentlich 1988 praktisch abgeschafft worden ist.
Neben innenpolitischer Polarisierung setzt die ultra-rechte Koalition auch in den Beziehungen zu den Palästinensern auf Eskalation. Wir verurteilen scharf die Terroranschläge gegen israelische Zivilisten. Aber wir sehen auch, dass illegale Siedlungen legalisiert werden, vorhandene Siedlungen im Westjordanland massiv ausgeweitet werden und neue Outposts gewaltbereiter Siedler unter Duldung der Armee entstehen. Der rechte und mehrfach vorbestrafte Sicherheitsminister Ben-Gvir eskalierte bereits Anfang Januar mit seinem Besuch auf dem Tempelberg und heizt seitdem die Stimmung gegen Palästinenser*innen weiter an. Diese Rhetorik lässt extremistischen Tendenzen bis hin zu kollektiver Lynchjustiz besonders unter den Siedler*innen freien Lauf. Straffreiheit darf es in einer Demokratie nicht geben, für keine Seiten. In Folge einer von Hetze und Hass erfüllten Atmosphäre nimmt auch die Gewalt zu – diese Eskalationsspirale muss gestoppt werden.
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