Erdogans Regionalpolitik kritisch begleiten, Vorwürfe gegen Israel zurückweisen

Zum Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan erklären Lamya Kaddor, Sprecherin für Innenpolitik und Jürgen Trittin, Sprecher für Außenpolitik:

Deutschland und die Türkei verbinden jahrzehntelange, vielfältige und enge Beziehungen, zu denen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland einen zentralen Beitrag leisten. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien Anfang Februar diesen Jahres haben die EU und Deutschland umfangreiche Unterstützung geleistet. Die Türkei wiederum hat den Anspruch, NATO-Partner zu sein.

Das hindert Präsident Erdogan nicht daran, sich öffentlich gegen „den Westen“ zu positionieren, mit dem er selbst in einem Bündnis ist. So ist die Türkei ein zunehmend schwieriger Partner. Völkerrechtswidrige Kriege in Nordost-Syrien und im Nordirak zeugen davon ebenso wie zuletzt die einseitige Positionierung im Nahost-Konflikt. Verschärft wird dies durch einen zunehmend autoritären Kurs der Erdogan-Regierung gegen Minderheiten und die Opposition im Inland.

Dass Präsident Erdogan Israel einen „Terrorstaat“ nennt und einen Völkermord an den Palästinensern vorwirft, die Terrororganisation Hamas als „Gruppe von Befreiern“ bezeichnet sowie explizit das Existenzrecht Israels infrage stellt, ist aus unserer Sicht inakzeptabel. Wir erwarten, dass der Bundeskanzler wie auch der Bundespräsident gegenüber Präsident Erdogan unsere Haltung eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen.

Die Bundesregierung muss Präsident Erdogan auch weiterhin drängen, seinen Einfluss in der Region u.a. auf die Muslimbruderschaft zu nutzen, um die von der Hamas entführten Geiseln in Gaza frei zu bekommen. Von einem NATO-Partner erwarten wir, dass er alles tut, um eine Eskalation des Konflikts, etwa auf den Libanon, zu unterbinden.

Auch muss die Rolle der türkischen Regierung angesprochen werden, die auf unsere türkischstämmigen Bürger*innen Einfluss ausübt. Dieser wird maßgeblich über die DITIB-Moscheegemeinden ausgeübt. Über 900 Imame arbeiten in Deutschland für die vielen Gemeinden der DITIB, der überwiegende Teil von ihnen kommt aus der Türkei. Sie unterliegen der Fachaufsicht der Diyanet, des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten in Ankara, und unterstehen damit unmittelbar der Erdogan-Regierung.

Kurz nach dem Terroranschlag der Hamas gegen israelische Zivilisten äußerte sich der Diyanet-Chef, Ali Erbas, mit antisemitischer Hetze gegen Jüdinnen und Juden, dem Judentum und dem Staat Israel. Die Regierungskoalition hat im Koalitionsvertrag eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit den Islamverbänden festgehalten. Gerade unter dem Eindruck der jüngsten antisemitischen Äußerungen ist es umso dringlicher an der Zeit, den Einfluss auf Moscheegemeinden aus dem Ausland zurückzudrängen und für Alternativen aus Deutschland zu sorgen, um ihre politische und religiöse Unabhängigkeit sicherzustellen.

Verwandte Artikel

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld