USA-Reise: Die USA und die Welt am Scheideweg

Vom 12. bis zum 16. Juni 2016 besuchte ich die USA. Im Mittelpunkt der Gespräche in Washington und New York stand der Präsidentschaftswahlkampf nach den Vorwahlen, Fragen der Energieaußen- und Klimapolitik sowie die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen in Libyen, Syrien, Irak und Mali.

Zusammenfassung

  • Die USA sind zwischen Hillary Clinton und Donald Trump extrem polarisiert. Beide sind nicht beliebt – aber beide wirken für die Gegenseite polarisierend. Dennoch ist fraglich, ob Clinton wichtigen Wählergruppen – etwa junge Frauen – für sich gewinnt, und ob es Trump gelingt, die Republikaner hinter sich zu bringen sowie eine Wahlkampforganisation zu finanzieren.
  • Zum jetzigen Stand überwiegen Clintons Sie verfügt nicht nur über eine alle Bundestaaten umfassende Organisation und über Spenden in Höhe von gut 1 Mrd. US$. Gewinnt sie die Staaten, die seit 1992 immer von den Demokraten gewonnen wurden, bräuchte sie nur noch Florida und hätte damit die Mehrheit der Wahlmänner und -frauen. Für Clinton spricht zudem die Demografie in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft. Clinton gilt als kompetent – aber eine übergreifende, emotionalisierende Botschaft ist ihr bisher mit #strongertogether ebenso wenig gelungen, wie eine Vision und ein Ziel zu formulieren.
  • Hier hat Trump mit Make America great again einen für Viele packenden Claim gesetzt. Neben der Ausgrenzung von Minderheiten und Fremden setzt seine Kampagne auf Wachstum, mehr Industriearbeitsplätze durch Protektionismus und Senkung der Unternehmenssteuern. Die USA sollen in den nächsten 10 Jahren ein Wachstum von mindestens 4 % erreichen. Die Republikaner beginnen sich mit ihm zu arrangieren.
  • Es bleibt offen, ob Terroranschläge wie der von Orlando zu einem echten Gamechanger im Wahlkampf werden – etwa zugunsten Trumps und seines primitiven Anti-Islamismus. Forderungen nach einer schärferen Waffenkontrolle unterstrichen hingegen in einem Filibuster die Demokraten im Senat.
  • Alle Gesprächspartner*innen gingen davon aus, dass das Transpacific Partnership Agreement (TPP) noch in der lame duck period der Obama-Administration ratifiziert werde. TTIP hingegen werde in dieser Amtszeit keine Chance haben.
  • Ebenfalls 2017 ratifiziert – durch Präsidentenentscheidung – werde das Klimaabkommen von Paris. Die USA drängen darauf, dass Deutschland dies auch noch vor Jahresende tut – und einen Plan vorlegt, wie die Dekarbonisierung bis 2025 umzusetzen ist. Weltbank und Think-Tanks gehen davon aus, dass der globale Boom Erneuerbarer Energien anhält und sich weiter verstärkt. Trotz des gegenwärtigen Comebacks der Kohle.
  • Obwohl es im Sicherheitsrat gelang, ein Mandat für eine Kontrolle des Waffenembargos gegen Libyen durch die europäische Operation EUNAVFOR med („Sophia“) zu verabschieden, überwog die Skepsis zum politischen Prozess im Lande. Es wurde akut die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den Misrata-Milizen und den Truppen von General Haftar Auch eine Spaltung des Landes sei nicht ausgeschlossen. Der Druck Europas auf die Regierung der Nationalen Verständigung in der Flüchtlingsfrage sei hierbei kontraproduktiv.
  • Sehr gelobt wurde – besonders durch DPKO – die deutsche Beteiligung an der Minusma-Mission im Norden Malis. Diese habe zu einer starken Verbesserung geführt. Allerdings sei der politische Prozess hier ins Stocken geraten. Die Regierung und auch die Tuaregs im Norden begännen, sich mit der Anwesenheit der UN-Truppen zu arrangieren und ließen daher echte Bemühung um Verständigung vermissen.
  • Die Grundpositionen der USA und Russlands zu Syrien sind unverändert – obwohl beide Seite militärisch eng abgestimmt operieren. Es sei aber immer noch ungeheuer schwer, humanitären Zugang in die belagerten Städte und Regionen für Hilfsorganisationen zu organisieren.
  • Nach Darstellung des UN-Monitoring Teams zu ISIS/Al Qaida, zeichne sich eine militärische Niederlage von ISIS ab. Jedoch steige mit dieser möglichen militärischen Niederlage sprunghaft die Zahl der Foreign Fighters, diein ihre Heimatländer zurückkehren. Anschläge in Europa seien keine Frage des Ob sondern des Wann in naher Zukunft.

Wahlkampf

Trump-Kampagne

Mit Sam Clovis, dem außenpolitischen Berater von Donald Trump, konnten wir ein Gespräch über die politischen Vorstellungen der Kampagne zu führen.

Ausgangspunkt von Trumps außenpolitischen Vorstellungen ist die Wiedererlangung der Energieunabhängigkeit. Dieses Ziel wird vor allem geopolitisch begründet, um nicht durch die „OPEC“ erpressbar zu sein. Dafür müssten alle Energieformen von Kohle, über Fracking bis Öl und Nuklear gefördert werden, aber auch der Ausbau Erneuerbarer und die Energieeffizienz. Energieunabhängigkeit sei eine Grundvoraussetzung. Trump beabsichtige, LNG-Export nach Europa zu ermöglichen, um die dortige Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.

Trump sei nicht überzeugt von der Klimawissenschaft. Die Haltung zum Paris-Abkommen aber würde vor dem Hintergrund geprüft, ob es gelänge China durch diesen Deal zu einzubinden.

Zweiter Pfeiler Trumpscher Außenpolitik ist eine andere Handelspolitik. Die bisherigen Handelsabkommen hätten zum Verlust industrieller Arbeitsplätze durch Verlagerung nach Mexiko und China geführt. Deshalb müsse NAFTA (North American Free Trade Agreement) neu verhandelt werden. Trump sei gegen TPP, weil es eine Hintertür für China zum Beitritt enthalte. Es sei schon falsch gewesen, China in die WTO aufzunehmen, nicht aber die Einhaltung der Standards zu kontrollieren. Die Trump-Kampagne wehrt sich gegen eine Ratifizierung von TPP durch den jetzigen Kongress, rechnet aber nicht damit es verhindern zu können.

Trump sei nicht gegen Freihandel – deshalb halte er TTIP für eine gute Idee. Bezogen auf Europa unterstrich Clovis die Befürwortung eines Brexit („question of national soveranity“) bei gleichzeitigem großem Lob für die Freizügigkeit in Europa.

Der Kern der Kampagne Make America great again sei ein ökonomischer. Trumps Versprechen sei, dass in den nächsten zehn Jahren die Volkswirtschaft der USA jährlich im Schnitt um 4 % wachse. So entstünden neue industrielle Arbeitsplätze, so würde das Haushaltsdefizit, dass sich sowohl unter Bush wie noch einmal unter Obama verdoppelt habe, verringert. Dass das möglich sei, hätten sowohl Kennedy wie Reagan bewiesen.

Wesentliches Instrument für dieses Ziel ist eine Unternehmenssteuerreform, mit der diese Steuer einheitlich auf 15 % gesenkt werden soll. Auf die Frage, ob es nicht auch im Sinne der USA sei, Steuerschlupflöcher zu schließen anstatt einen Wettlauf um möglichst niedrige Steuern zu veranstalten, wurde geantwortet, dass es nicht um ein race to the bottom, sondern um growth ginge. Davon würden alle profitieren. Diese naive Wachstumsgläubigkeit verweist wirklich in die Zeit von Reagan zurück.

Die Wachstumserwartungen würden dann auch das Dilemma der Republikaner überwinden, die auf der einen Seite gegen neue Schulden und auf der anderen Seite für mehr Militärausgaben seien.

Die US-Armee müsse nicht mit 2 Corps in Europa präsent sein. Es ginge heute nicht mehr um die Zahl der Soldat*innen. Es ginge um die weitere Steigerung ihrer Lethality. Es sei zwar richtig, die Osteuropäer wegen ihrer gefühlten Bedrohung rückzuversichern. Die eigentliche Bedrohung sei der islamistische Terrorismus. Hier sei ISIS nur eine von 46 Organisationen. Der Terror entstehe in Frankreich, Belgien und auch in Deutschland. Deshalb sei die deutsche Flüchtlingspolitik falsch.

International baue Trump auf verlässliche persönliche Beziehungen.

Großen Wert legte Clovis auf die Sicherung des Bundeslandes in vielen Staaten des Westens. „We are all sportsmen. We want to conserve the habitats und marshlands“ – unterstrich der passionierte Jäger in einem Schlussplädoyer für einen Wertkonservatismus der Republikaner.

Während der republikanische Abgeordnete Michael Turner (Ohio) ausdrücklich für eine NATO-Politik der Abschreckung und des Dialogs plädierte, offenbarte er, wie die Republikaner beginnen, sich mit Trump zu arrangieren. Man sei für Freihandel, aber gegen TPP. Ausdrücklich unterstrich er, Clinton habe ein Problem, weil sie beim Gebrauch ihres privaten Mailaccounts als Außenministerin gegen Geheimschutzregeln verstoßen habe.

Zu Trump fand er die Formulierung, er sei häufig not wrong – etwa wenn er das Problem des radikalen Islam anspreche – aber er sei eben auch oft not right – wenn er das mit einer Mauer lösen wolle. Hier deutet sich der Versuch eines Einhegens an, der allerdings in dem Moment eines Trump-Wahlsieges angesichts der weitreichenden Kompetenzen eines US-Präsidenten aussichtslos bleiben wird.

Clinton

Wir sprachen mit Julianne Smith und Lisa Samp von der Clinton-Kampagne. Mit Michael Wertz vom Center for American Progress und dem amerikanischen Soziologen Norman Birnbaum diskutierten wir die Wahlaussichten der Demokraten.

Die Kampagne würde sich darauf konzentrieren, Clinton als kompetent und sachlich („like Merkel“) mit der Fähigkeit zur Überparteilichkeit zu profilieren. Dafür würden auch Signale zur Bereitschaft der Einbindung von Republikanern gehören. Man setze auf einen New Start at Hill. Auf unsere zweifelnden Nachfragen wurden hierzu aber nur die Namen der älteren Riege wie Robert Gates und Robert Kagan genannt. Hillary wird als extrem polarisierend empfunden und ihre guten Beziehungen etwa zu John McCain erreichen gerade die Republikaner nicht, die heute im Kongress den Ton angeben.

Beim Vizepräsidentenkandidaten sei klar, dass es ein Mann sein müsse. Zwei Frauen würden Amerika derzeit noch überfordern. Diese Person müsste entweder ein Angebot an die jungen Millennials oder an die Industriearbeiter*innen im Rust-Belt sein, die Sanders gewählt haben und nun von Trump mit seinen Wachstumsparolen umworben werden. Das sei aber noch nicht entschieden.

Die Kampagne geht davon aus, dass es bis zum Parteitag ein Endorsement durch Bernie Sanders für Clinton geben könne. Die Beobachter waren sich aber noch nicht sicher, ob dessen junge Wähler*innen dieser Empfehlung dann auch aktiv folgen würden, oder möglicherweise zu Hause blieben. Auf der anderen Seite wurde betont, dass viele Präsidenten sich im Amt geändert hätten. Es müsse also nicht so sein, dass Clinton sich einfach nur wiederhole.

John Podesta hat für Clinton eine beeindruckende Maschinerie aufgebaut. Sie wird auch bei dem sich abzeichnenden Schmutzwahlkampf gut gegenhalten können. Ein sehr ins Persönliche abgleitender Wahlkampf wird das Konzept der kompetenten Hillary allerdings nur schwer zum Tragen bringen – zumal man jetzt schon damit rechnet, dass Trump sich nur auf eine TV-Debatte mit ihr einlassen möchte.

Die USA werden also viel über Emails, Seitensprünge, Lügen und Charakterschwächen und wenig über politisch unterschiedliche Konzepte diskutieren. Deshalb ist die Botschaftsschwäche der Clinton-Kampagne umso gravierender. Ihre Unterstützer glauben zwar, dass sie am Ende gewinnt – schätzen aber Trumps Chancen mit gut 30 % ein.

Gewinnt Clinton die Wahl, muss sich Europa auf veränderte Bedingungen einstellen. Zwar wird betont, dass man nicht viel gegenüber der Obama-Administration ändern wolle und – trotz pivot to Asia – weiter auf eine Kooperation mit Europa setze. Die genannten Punkte für „some changes“ aber haben es in sich:

So wolle man über rote Linien in Syrien ebenso reden, wie über die Einrichtung von safe zones dort. Es würden sich außerdem auch Fragen von mehr Abschreckung gegenüber Russland, von Waffenhilfe für die Ukraine sowie übereilter Abzüge (Afghanistan) stellen. Die Tradition einer liberal hawk, als die Clinton sich bei der Libyen-Intervention profiliert hat, wurde so klar unterstrichen.

Klima- und Energiepolitik

Paris-Umsetzung und Dekarbonisierung

Think Tank Vertreter*innen betonten die Absicht der US-Administration, das Abkommen von Paris noch in diesem Jahr ratifizieren zu wollen. Sie appellierten an die EU, ihrer Rolle als wichtige Vorreiterin gerecht zu werden und ambitionierte Klimastrategien für 2050 vorzulegen. Geringe Ambition hingegen würde die Dynamik aus dem Prozess nehmen.

Unsere Gesprächspartner*innen unterstrichen, dass Donald Trump bei einer möglichen Europareise die Wichtigkeit des Paris-Abkommens verdeutlicht werden müsse. Es bestünde die Gefahr, dass ein Präsident Trump die UNFCCC (United Nation Framework Convention on Climate Change) verlassen könnte, was theoretisch binnen Jahresfrist möglich sei. Damit wären die USA automatisch nicht mehr an das Paris-Abkommen gebunden.

Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA wies daraufhin, dass die USA sich im Rahmen von TTIP zur Implementierung klimapolitischer Maßnahmen verpflichten würde. Durch diese Festschreibung würde die Umsetzung des Paris-Abkommens einklagbar gemacht.

Trends in der Energieaußenpolitik

Vertreter des Atlantic Council verwiesen auf den Energy Outlook für Asien. Japan und Südkorea werden bis 2035 verstärkt auf Kohle setzen und weniger auf Gas. Vertreter*innen der Weltbank beklagten die niedrigen Preise für Öl, Gas und Kohle. Diese Entwicklung verkompliziere ihre Arbeit. Gleichzeitig könnten niedrige Ölpreise eine Chance für Subventionsreformen sein wie das Beispiel Indonesiens zeige. Die Wahrscheinlichkeit von breiten Reformen ist trotzdem gering: wer diversifiziert, muss auch Macht diversifizieren. Dagegen wehren sich die Exportnationen. Von den großen rohstoffexportierenden Staaten weisen nur Norwegen und bedingt Botswana good governance auf.

Dennoch verzeichnet die Weltbank einen Trend zunehmender Nachfrage nach Erneuerbaren. In Sambia sei es zuletzt gelungen, eine Solaranlage zu bauen, die Strom mit einem Kilowattpreis von 6-8 $ Cent produzieren könne. Die Weltbank weist aber auch auf die soziale Dimension des Kohleausstiegs hin. So sei in Indien zum Beispiel das gesamte Transportsystem eng mit dem Kohlesektor verknüpft.

Mit Blick auf den Iran beobachtet der Atlantic Coucil eine schnellere Entwicklung der Ölexporte als erwartet und konstatierte, dass Gasexporte nach Europa niedrigste Priorität hätten.

Außer dem Wahlkampfteam von Donald Trump erwähnte keiner unserer Gesprächspartner*innen amerikanische LNG-Exporte nach Europa.

Internationale Krisen

Libyen

Im Kongress begegneten wir der Auffassung, dass dem Libyen-Konflikt mehr Aufmerksamkeit zukommen müsse, da die dortige Instabilität Ägypten bedrohe. Vertreter*innen der Regierung hingegen äußerten sich skeptisch angesichts des geringen Rückhalts der Einheitsregierung.

Unter unseren Gesprächspartner*innen verbreitete nur die französische Vertretung bei den Vereinten Nationen Hoffnung im Hinblick auf die Entwicklungen in Libyen. Nach einem schlecht gemanagten Transitionsprozess sei man nun auf dem richtigen Weg. Rückblickend hätte man die Libyer nach dem Tod Gaddafis gegen ihren Willen ‚an die Hand nehmen‘ sollen.

Der russische Vertreter hingegen verwies mit Nachdruck darauf, dass für die Destabilisierung im Mittleren und Nahen Osten vor allem die erfolgten Interventionen verantwortlich seien. Dies gelte natürlich vor allem für Libyen. Aber auch der Sturz der Regierung Mubarak in Ägypten habe das Land so destabilisiert, dass Israel viel dafür getan habe, dass es zum Militärputsch und der Entmachtung der Muslimbrüder gekommen sei.

Das Department for Political Affairs hingegen hielt einen Zusammenstoß der widerstreitenden Parteien in Libyen für sehr wahrscheinlich, selbst ein Auseinanderbrechen des Landes in zwei Teile erschiene „quite plausible“. Diese Sicht wurde in der europäischen Vertretung bestätigt. Je länger der politische Prozess hinausgezögert werde, desto wahrscheinlicher werde eine Teilung. Dort beklagte man auch, dass diejenigen, die die Macht hätten, General Haftar einzubinden, es nicht tun. Auch die Gebietsgewinne de Misrata Milizen wurden mit Vorsicht gesehen. Man erwarte, dass das Pendel bald wieder zurückschwinge.

Das UN Monitoring Team zu ISIS/ Al-Qaida wies darauf hin, dass Terrorismus nur eines der Probleme in Libyen sei. Die internationale Libyen-Politik auf Terrorismusbekämpfung zu verkürzen, wofür sich z.B. Ägypten stark mache, sei kontraproduktiv.

Während unserer Reise verabschiedete der UN Sicherheitsrat eine Resolution zu Libyen (S/RES/2292 (2016)). Die Resolution wurde von mehreren Gesprächspartner*innen als positives Signal für eine mögliche Rückkehr zu mehr Handlungsfähigkeit des Gremiums gewertet. Die russische Vertretung äußerte sich allerdings befremdet über die amerikanische Weigerung, in der Resolution festzuschreiben, dass nur “unified security forces“ vom Waffenembargo ausgenommen würden. Der Verzicht auf den Gedanken der Einigung als Voraussetzung stelle eine Abweichung von der Formulierung des gemeinsamen Communiqués von Wien vom 16. Mai 2016 dar.[1]

Syrien/Irak

Vertreter*innen der Regierung widersprachen unserer Darstellung der täglichen Kooperation zwischen den USA und Russland in Syrien an keiner Stelle. Aber der Versuch, sich mit Russland im Sicherheitsrat zu einigen, sei zum Scheitern verurteilt („a non-starter“). Diese pessimistische Sicht wurde auch von der französischen Vertretung bei den Vereinten Nationen betont. Dort führt man den Aufstieg des IS auf die Untätigkeit des Sicherheitsrates und insbesondere die russische Blockade zurück. Der Syrien-Konflikt sei nicht per se außergewöhnlich. Die russische Haltung mache ihn außergewöhnlich.

Die russische Vertretung bei den Vereinten Nationen hingegen kritisierte, dass staatliche Souveränität von zwei Seiten angegriffen würde – von den Terroristen und von den intervenierenden Staaten. Er lobte aber die militärische Kooperation mit den USA in Syrien.

Dass es für die Bekämpfung des IS kein UN-Mandat sondern nur eine Koalition der Willigen gibt, ist – so unser Fazit – nicht allein Russland anzulasten, sondern auch anderen Sicherheitsratsmitgliedern.

Das UN Monitoring Team zu ISIS/ Al-Qaida warnte davor, einen militärischen Sieg gegen den islamischen Staat als Endpunkt zu begreifen. Dies sei der Anfang. Noch sei der IS contained. Doch je weiter die Organisation militärisch zurückgedrängt würde, desto mehr foreign terrorist fighters (FTF) würden in ihre Heimatländer zurückkehren. Ca. 20% der europäischen FTF stammten aus Frankreich, 30% aus Deutschland, 50% aus Großbritannien. Das stelle die EU vor eine große Deradikalisierungsherausforderung. Die pauschale Kriminalisierung aller FTFs, egal ob Arzt oder Frontkämpfer, sei ein Problem. Wenn es nicht gelänge, die Enttäuschten zu reintegrieren, drohe eine zweite Radikalisierungswelle.

Um der Herausforderung durch FTF jedoch effektiv zu begegnen, steht kaum Geld zur Verfügung, klagte die UN Counter Terrorism Implementation Task Force (CTITF). Gerade im Bereich der Prävention müsse die Jugend angesprochen werden. Die junge Generation sehne sich nach Gerechtigkeit und Authentizität in der Politik.

Mali

Das Department of Peacekeeping Operations (DPKO) der Vereinten Nationen äußerte sich skeptisch zum politischen Prozess in Mali. Angesichts der internationalen Präsenz stocke der Verständigungsprozess. Der Staat Mali sei nach wie vor nicht im ganzen Land präsent. So habe beispielsweise der neue Gouverneur von Kidal sein Amt noch immer nicht angetreten. Auch das Department of Political Affairs bezeichnete das Problem in Mali als ‚politisches‘. Man äußerte sich enttäuscht über die Regierung im Süden des Landes. Auch die europäische Vertretung kritisierte die malische Regierung dafür, sich auf dem internationalen Engagement auszuruhen.

Nach Einschätzung des DPKO ist die UN Operation in Mali noch gefährlicher als die Mission in der Demokratischen Republik Kongo. Während dort hauptsächlich die kongolesische Armee und die Zivilbevölkerung das Ziel von Attacken sei, würden in Mali gezielt UN Truppen attackiert.

Weltweit würden derzeit 110-130 UN Peacekeeper pro Jahr sterben. Der Anteil derer, die gezielten Angriffen zum Opfer fallen, steige. Das habe bei einigen dazu geführt, sich nach dem Peacekeeping der 1990er Jahre zurückzusehnen. Die meisten jedoch seien zu der Erkenntnis gelangt, dass Peacekeeping-Missionen weiter reformiert werden müssten. So seien die Vereinten Nationen bisher kein Anti-Terror-Werkzeug. In komplexen, integrierten Einsätzen seien solche Fähigkeiten allerdings notwendig. Darüber hinaus beklagte das DPKO, dass mehr APCs (armored fighting vehicles), mehr Anti-Minen-Training, mehr Anti-IED-Training (improvised eplosive devices) und mehr Investitionen in Technologie benötigt würden, insbesondere im Bereich der militärischen Fernaufklärung (z.B. Artillerieaufklärungsradar). Außerdem bedürfe es deutlich mehr Helikopter für den Abtransport verletzter Personen (MedEvac).

Das deutsche Engagement in Mali wurde als sehr positives Signal gewertet, dass auch die Standards anderer truppenstellenden Nationen anhebe. Das DPKO beobachtet insgesamt einen vorsichtigen Trend der EU-Mitgliedsstaaten hin zu mehr Peacekeeping, allerdings bisher nur in kleinem Umfang. Auch Kanada würde derzeit unter Premier Justin Trudeau nach 15 Jahren Abwesenheit über eine Rückkehr zu UN Peacekeeping nachdenken.

Geflüchtete

Die russische Vertretung in New York bezeichnete die ‚Flüchtlingskrise‘ als ‚künstliches Problem‘.

In Bezug auf das Abkommen mit der Türkei betonte der UNHCR, dass man nicht konsultiert worden sei und nun mit den Konsequenzen zu leben habe. In Griechenland befänden sich derzeit ca. 50.000 Geflüchtete, von denen nur ein Bruchteil – ca. 6.000 – anerkannt seien. Der UNHCR warb außerdem für mehr projektungebundene Finanzierung und Zusagen über ein Jahr hinaus, um flexibler auf Geflüchtetenbewegungen und Bedarfe reagieren zu können.

Zu EUNAVFOR MED (Operation „Sophia“) könnten die USA Intelligence, Überwachung und logistische Unterstützung liefern. Mit einer Abstellung von US-Schiffen dürfe aber nicht gerechnet werden.

NATO-Russland Beziehungen

Vertreter*innen der Regierung äußerten sich enttäuscht über den Status quo des Verhältnisses zu Russland angesichts von Obamas reset. Man setze auf compartmentalization und kooperiere in den Bereichen, in denen Kooperation möglich sei. Gleichzeitig versuche man, eine Balance zwischen Kooperation und Abschreckung zu finden.

In Bezug auf den Ukraine-Konflikt betonten Regierungsvertreter*innen, dass Obama sich für eine Verbesserung des Status quo bis zum Ende seiner Amtszeit einsetzen werde, um das Problem nicht unverändert der Nachfolgeadministration zu überlassen. Der Präsident wolle außerdem sicherstellen, dass Waffenlieferungen an die Ukraine’ vom Tisch‘ kämen.

TTIP

Anders als in Europa wird TTIP in den USA kaum kontrovers diskutiert, was unter anderem an der geringen Sichtbarkeit des Themas liegt. Die amerikanische Debatte wird derzeit vom transpazifischen Freihandelsabkommen TPP dominiert. Unsere Gesprächspartner*innen waren TTIP gegenüber weitestgehend positiv eingestellt. Es wurde als ,neuer Lebensatem‘ für die transatlantischen Beziehungen und eine ‚neue Narrative jenseits der NATO‘ beschrieben. Einen baldigen Abschluss des Abkommens erwartete allerdings niemand. Vertreter*innen der Wirtschaft und der Gewerkschaften beschrieben künstlichen Zeitdruck sogar als kontraproduktiv.

Reden

In Washington nahm ich an einer Diskussion zum autonomen Fahren bei der Carnegie Stiftung teil. Im Rahmen einer Diskussion bei Brookings- zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung – hielt ich einen Vortrag zur Zukunft der NATO.

Gesprächspartner*innen

  • Tim Bennett, Director General, Trans-Atlantic Business Council
  • Norman Birnbaum, Prof. emer.
  • Anna Bjerde, Director, Strategy and Operations, Sustainable Development Practice Group Weltbank
  • Marjorie Chorlins, Vice President European Affairs, US Chamber of Commerce
  • Sam Clovis, außenpolitischer Berater von Donald Trump
  • Bud Coote, Atlantic Council
  • Thomas Cunningham, Atlantic Council
  • Celeste Drake, Trade Policy-Specialist, AFL-CIO
  • Joel Ferrante, Senior Advisor for Trade and Economic Program (EPA)
  • David Geanacopoulos, Senior Executive Vice President, Public Affairs and Public Policy VW Group of America
  • Brian Johnson, Director for Central and Northern European Affairs (NSC)
  • Tim Juliani, Senior Director of Business Strategy
  • Hervé Ladsous, Department of Peacekeeping Operations (DPKO)
  • Alexis Lamek, Stellv. d. Ständigen Vertreters Frankreichs bei den VN
  • Mark Lawrence, Director for NATO (NSC)
  • Richard L. Morningstar, Atlantic Council
  • Ursula Müller, Deutsche Exekutivdirektorin Weltbank
  • Anna Philips, Program Manager for Europe (EPA)
  • Nigel Purvis, President & CEO Climate Advisers
  • Vladimir Safronkov, Stellv. d. Ständigen Vertreters Russlands bei den VN
  • Lisa Samp, Senior Fellow, International Security Program, CSIS – Clinton Campaign
  • Hans-Jakob Schindler, Koordinator des Monitoring Teams zu ISIS/Al-Qaida
  • Dr. Ralf Schröder, Senior Advisor Weltbank
  • Michele Sison, Stellv. der Ständigen Vertreterin der USA bei den VN
  • Stephen Siqueira, Deputy Head Counter Terrorism Implementation Taskforce (CTITF)
  • Julianne Smith, Senior Fellow, Director of the Strategy and Statecraft Program, Center for a New American Security – Clinton Campaign
  • John Solecki, Senior Political Advisor UNHCR
  • Heiko Thoms, Stellv. d. Ständigen Vertreters Deutschlands bei den VN
  • Michael R. Turner, Representative Rep-Ohio
  • Ana Unruh Cohen, Director of Energy, Climate and Natural Resources, Office of Senator Edward J. Markey
  • Dymphna van der Lans, CEO Clinton Climate Initiative
  • Ioannis Vrailas, Stellv. Chef der EU Delegation bei den VN
  • Brita Wagener, Generalkonsulin
  • Michael Werz, Center for American Progress
  • Peter Wittig, Deutscher Botschafter in Washington D.C.
  • Taye Zerihoun, UN Department of Political Affairs

[1] http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2016/05/257236.htm

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