Offener Brief an die IG BCE

Gemeinsam mit meinem Kollegen Oliver Krischer habe ich dem IG BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis auf seinen offenen Brief geantwortet.

 

Sehr geehrter Herr Vassiliadis,

Wir freuen uns, dass die IG BCE durch Sie klarstellt, dass der Begriff „Klimalüge“ aus Sicht der Gewerkschaft unvertretbar ist und sie uns damit nicht mehr in Verbindung bringen will. In der Tat hat diese Begrifflichkeit, die politisch nur von einer Partei in Deutschland verwendet wird, die IG BCE in eine Nähe gerückt, in der wir die IG BCE nicht gesehen haben und nicht sehen.

Wir finden es völlig berechtigt, dass Vertrauensleute der IG BCE für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Wir finden nur, dass die Kolleg*innen der Initiative Schnauze voll sich mit uns den falschen Gegner ausgesucht haben. Nicht nur, weil Grüne immer für einen Kohleausstieg ohne betriebsbedingte Kündigungen gestritten haben. Sondern, weil die eigentliche Gefahr von Management und Anteileignern ausgeht, die im Zweifelsfall andere Prioritäten haben als einen strukturierten Kohleausstieg ohne betriebsbedingte Kündigungen.

Die IG BCE bekennt sich ausdrücklich zum 2 Grad Ziel. Nimmt man die Vereinbarung von Paris ernst, dann dürfen von den bekannten fossilen Rohstoffen der Erde nur noch maximal ein Fünftel – das sind knapp 600 Mio. t CO2 – verbrannt werden. Würden alle 3000 Mio. t CO2 der heute bekannten Ressourcen in der Atmosphäre eingelagert, müssen wir von einer Erwärmung von bis 5 ° C ausgehen. Die Geschichte der Nutzung der Kohle ist also eine endliche – und das gilt besonders für einen so CO2-haltigen Energieträger wie die Braunkohle.

Vor diesem Hintergrund verstehen wir nicht, dass die IG BCE sich weigert, der logischen Konsequenz der eigenen Positionen und dem Unvermeidlichen ins Auge zu sehen und sich konstruktiv an einer Strukturierung des Kohleausstiegs zu beteiligen. Stattdessen wird den Mitgliedern beständig die Illusion eines Ewigkeitsbergbaus vermittelt. Diese Illusion wird auch durch das absurde Festhalten am einzigen Neubauprojekt für ein Kohlekraftwerk (Niederaußem) in ganz Westeuropa genährt. Da verwundert es nicht, dass sich die Kolleg*innen von Schnauze voll berufen fühlen, „Klimalügen“-Transparente zu fertigen, die jene zu ihren Gegnern erklären, die das Unvermeidliche des Kohleausstiegs aussprechen. Dass sich das dann konkret auch noch gegen die richtet, die beim Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau und der Finanzierung der Atomaltlasten unter Beweis gestellt haben, dass sie für konstruktiven Lösungen einzustehen bereit sind, ist dann nur noch grotesk.

Doch nicht nur aus Klimagründen ist die Nutzung der Braunkohle endlich. Inzwischen haben sich Großinvestoren wie die Allianz oder Rockefeller aus der Finanzierung fossiler Projekte zurückgezogen. Unter Verweis auf die anhaltend niedrigen Kohle-, Gas- und Ölpreise haben alle Ratingagenturen zehn große europäische Energieversorger herabgestuft, weil sie mittelfristig nicht mit einer Erholung der Rohstoffpreise rechnen. Schon heute produzieren viele Kraftwerke aufgrund niedriger Preise an der Grenze der Rentabilität oder machen gar Verlust.

Gerade vor diesem Hintergrund kommt dem Verkauf der ostdeutschen Braunkohle an den tschechischen Investor EPH eine gefährliche Signalwirkung zu. Die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen haben von Linken bis CDU diese Übernahme begrüßt. Der Investor hat aber lediglich eine Jobgarantie bis 2020 ausgesprochen. Das ist schlechter als das Angebot von Greenpeace, die in ihrem Übernahmegebot immerhin eine Jobgarantie bis 2025 in Aussicht gestellt hatten.

Jenseits der Frage, ob man einen Investor mit so undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen für seriöser hält als eine gemeinnützige, öffentlich rechenschaftspflichtige Organisation fürchten wir, dass das Modell Schule machen könnte – auch im rheinischen Revier.

In Wirklichkeit hat EPH nämlich nicht die ostdeutsche Braunkohle gekauft, sondern die von Vattenfall schon vermarktete Strommenge für die nächsten fünf Jahre. Und wenn diese verkauft ist, wird EPH die Frage entscheiden, ob es nicht besser ist, die Bude zu zumachen, die Kolleg*innen der Bundesagentur für Arbeit und die Rekultivierung den Ländern Brandenburg und Sachsen zu überlassen. Und niemand sonst.

Das ist jenen, die in im rheinischen Braunkohlerevier als Anteilseigner tätig sind, nicht verborgen geblieben. Sie könnten die Frage stellen, warum nicht auch die RWE das Risiko Braunkohle nicht in gleicher Weise hedgen soll wie Vattenfall, um sich so der Beschäftigten wie der Alt- und Ewigkeitslasten zu entledigen. Die Aufspaltung von RWE könnte hierfür schon eine Grundlage sein.

Grüne wollen ebenso zügig wie geordnet aus der Kohleverstromung aussteigen, um so die Überkapazitäten auf dem Strommarkt zu beenden. Wir aber sind der festen Überzeugung, dass man den Prozess des Ausstiegs aus der Braunkohle nicht dem Markt und schon gar nicht Hedgefonds und Investoren überantworten darf. Er sollte ein demokratisch gestalteter Prozess des Umbau und nicht des Abrisses sein. Nur so können Strukturbrüche und Arbeitslosigkeit vermieden werden.

Das geht nur zusammen mit starken und mutigen Gewerkschaften. Es ist der Mut zu sagen, dass die Zeit der Kohleverstromung endlich ist und wir den Ausstieg im Konsens gestalten und nicht den EPHs dieser Welt überlassen wollen.

Mit freundlichen Grüßen,

Oliver Krischer und Jürgen Trittin

 

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