Notizen aus Berlin (Die Woche vom 28.09.-02.10.15)

In ganz Deutschland gibt es eine große Welle der Solidarität und der Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen. Das Asylverschärfungspaket der Bundesregierung aber ist ein Schlag ins Gesicht nicht nur für die Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und Diskriminierung flüchten, sondern auch für all diejenigen, die ihnen vor Ort helfen. Die Bundesländer, die dringend mehr finanzielle Unterstützung für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge brauchen, befanden sich bei den Verhandlungen in einer Erpressungssituation: Verschärfungen im Asylrecht gegen Geldleistungen.

Die Verschärfungen im Gesetzespaket erstrecken sich von der Einteilung von Menschen in Flüchtlinge erster und zweiter Klasse, die längere Internierung samt Arbeitsverbot bis hin über die Wiedereinführung von Sachleistungen und der Ausweitung der Liste angeblich sicherer Herkunftsstaaten, wie des Kosovo wohin wir jährlich 700 Soldatinnen und Soldaten entsenden.

Flankiert wird dieses Paket durch eine Militärmission der EU, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt. Auch wenn die Große Koalition öffentlich von einer Mission zur Schlepperbekämpfung spricht, handelt es sich im Kern um eine Abschreckungsmission. Anstatt Flüchtlingen zu helfen, sollen sie in ihren Booten zurück an die afrikanische Grenze gedrängt werden. Das ist nichts anderes als ein schwimmender Zaun gegen Flüchtlinge. Deshalb haben wir Grüne das Bundeswehrmandat im Bundestag abgelehnt. Wir müssen legale Einwanderungswege nach Europa schaffen, wenn wir die kriminellen Praktiken der Schlepper wirksam bekämpfen wollen.

Auch wenn Sigmar Gabriel wie immer etwas voreilig war, hat er in dieser Woche Recht gehabt: Langfristig muss über die Rücknahme von Sanktionen gegenüber Russland nachgedacht werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Befriedungsprozess in der Ostukraine weiter vorankommt. Wenn es wirklich zu einem gemeinsamen Kampf mit Russland gegen den IS kommen soll, wird man nicht gleichzeitig weiter an allen Sanktionen festhalten können. Wichtig wäre außerdem, dass der NATO-Russland-Rat muss wiederbelebt wird, denn der fehlende Dialog führt nur zu mehr Eskalationsrisiken.

Im Bundestag wurde in dieser Woche auf Antrag der Grünen über die Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada, TTIP und CETA gesprochen. Bei diesen Abkommen herrscht eine skandalöse Intransparenz. Wir Bundestagsabgeordnete haben beispielsweise noch immer keinen Zugang zu den geheimen Verhandlungstexten von TTIP, lediglich einem CDU-Abgeordneten ist der Zutritt in den Lesesaal der amerikanischen Botschaft erlaubt. Und es gibt gute Gründe für diese Geheimnistuerei: In der Logik dieser Abkommen werden nämlich hohe Umwelt-, Verbraucher-, Sozial- und Datenschutzstandards als Handelshemmnisse betrachtet. Anstatt starke Schutzstandards zum Ziel von Freihandel zu machen, werden sie durch TTIP und CETA zur Zielscheibe. Das wollen wir nicht akzeptieren und rufen mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis zur „Stop TTIP & CETA“-Demo am 10. Oktober in Berlin auf.

 

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