Notizen aus Berlin (Die Woche vom 09.-13.11.15)

Wenn Menschen vor Krieg und Zerstörung fliehen und sich nach Europa in Sicherheit bringen wollen, ist Abwehr und Abschreckung die erste Reaktion dieser Bundesregierung. Innenminister de Maizière hat dies in dieser Woche erneut mit der Abschiebung syrischer Flüchtlinge in EU-Länder klargemacht. Mit der Wiederaufnahme des gescheiterten Dublin-Systems erhöht die Bundesregierung die Probleme der Länder an der europäischen Grenze und schafft gleichzeitig mehr Bürokratie und so langsamere Asylverfahren. Wie lange will die SPD das wirre Treiben des Chaos-Ministers de Maizière noch akzeptieren?

Abwehr statt Hilfe ist auch das Motto der europäischen Militärmission im Mittelmeer, an dem sich die Bundeswehr beteiligt. Die Anzahl der geretteten Flüchtlinge ist seit Beginn des Militäreinsatzes stark zurückgegangen. Die Bundesregierung behauptete stets, man wolle mit der Mission vor allem Schleppern das Handwerk legen. Auf meine Anfrage musste sie jetzt zugeben, dass bisher nur ein einziger mutmaßlicher Schlepper festgenommen wurde. Wer Schlepper wirksam bekämpfen will, muss ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen. Nur wenn es endlich legale Zugangswege nach Europa gibt, muss eine syrische Mutter nicht mehr ihr ganzes Vermögen an kriminelle Schleuser abgeben, um sich dann mit ihren Kindern auf eine lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer zu machen.

Mit Sorge verfolge ich die Berichte über 400 Arbeitsplätze, die im Zeiss-Tocherunternehmen Microscopy gefährdet sind. Ein massiver Stellenabbau wäre nicht nur falsch für den Standort Göttingen, sondern auch für das Unternehmen selbst. Nicht zuletzt durch die Verleihung des Nobelpreises für Chemie im letzten Jahr ist Göttingen als Standort für Mikroskopie aufgewertet worden. Diese zukunftsfähige Kompetenz ist jetzt in Gefahr.

In dieser Woche ging mit Helmut Schmidt ein Lotse der deutschen Politik von Bord. Unter ihm wurde die deutsch-französische Freundschaft zum Motor der europäischen Einigung. Der Mann, der Visionen für behandlungsbedürftig hielt, hatte damit eine bis heute aktuelle Vision: wir brauchen mehr Europa. Aber Helmut Schmidt war – als Antwort auf die Ölkrise – auch lange ein überzeugter Verfechter der Atomenergie und mitverantwortlich für die Nachrüstung der Bundesrepublik im NATO-Doppelbeschluss. So war er in paradoxer Weise einer der Väter der Grünen. Sein Tod ist ein Verlust.

 

Verwandte Artikel

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld