Antwort an Jochen Stay: Atomkonzerne müssen für Atommüll-Entsorgung zahlen

Antwort auf einen Kommentar zu Atomfinanzen von Joch Stay im .ausgestrahlt-Newsletter vom 20. Oktober 2016.

 

Lieber Jochen Stay,

es ist schön, dass Du – wie Du selbst im Newsletter von ausgestrahlt schreibst – wieder etwas ruhiger geworden bist. Vielleicht hättest Du dann doch das, was Du in der Aufregung niedergeschrieben hast, vor dem Klick auf den Senden-Button noch einmal gegenlesen sollen. Es mag ja zum Stilmittel von ausgestrahlt gehören, die Grünen mit der Regierung in einen Topf zu schmeißen. Das aber mit Vertreter*innen anderer Umweltverbände oder Anwälten zu tun, die seit Jahren mit der Anti-AKW-Bewegung und für die Energiewende arbeiten und in der Atomkommission vertreten waren – das allein wäre eine ruhigere Betrachtung wert gewesen.

Ich will es bei zwei Gegenfragen auf den Newsletter belassen:

Du schreibst, es sei richtig, dass der Staat etwas unternommen hat, um das Geld der Atomkonzerne für Rückbau, Verpackung, Transport, Zwischen- und Endlagerung des Atommülls besser zu sichern. Trotzdem findest Du, wir Grünen und die oben Genannten hätten sich an diesem Prozess nicht beteiligen sollen. Glaubst du, das Ergebnis wäre dann besser gewesen?

Wir haben den öffentlich-rechtlichen Fonds, der in der Anti-Atom-Bewegung seit Jahren gefordert wird, für die Zwischen- und Endlagerung durchgesetzt. Dafür müssen die Konzerne all das in bar einzahlen, was sie dafür auf dem Papier zurück gestellt haben. Das Geld, das die Atomkonzerne für Rückbau, Verpackung und Transport zurückgestellt haben, muss besser gesichert und mit Aktiva unterlegt werden. Die Konzerne haben außerdem eingewilligt, alle Klagen gegen den Staat im Zusammenhang mit der Zwischen- und Endlagerung fallen zu lassen. In der Kommission wurde ein breiter Konsens gefunden – zwischen BDI, DGB und WWF, zwischen CSU und Grünen.

Dabei wurden zum ersten Mal auch Organisationen wie ausgestrahlt angehört. Dass bei einem solchen Kompromiss nicht alle Interessen vollständig umgesetzt werden können, liegt in der Natur der Sache.

Du behauptest, die Kommission hätte bewusst zu wenig Geld für Zwischen- und Endlagerung berechnet und lehnst den Risikozuschlag von über 6 Milliarden Euro ab. Wäre es Dir lieber, das Geld bliebe bei den Atomkonzernen und die Steuerzahler*innen müssten einspringen, wenn einer von ihnen bankrottgeht?

Gerade dieses Szenario hat die Kommission  ausführlich geprüft und erkannt, dass das Risiko für die Steuerzahler*innen bei über 50 Prozent liegt. Deswegen müssen die Atomkonzerne ihre gesamten Rücklagen für die Zwischen- und Endlagerung an den Staat überweisen. Damit sie sicher sind. Die Höhe der Rückstellungen wurde gründlich geprüft – auch und gerade im internationalen Vergleich und vor dem Hintergrund der Erfahrungen laufender Projekte. Die Kommission hat trotz der international vergleichbaren Rückstellungen – und trotz einer in diesen Rückstellungen schon berücksichtigten jährlichen Kostensteigerung von gut 2 % über der Inflation – zusätzliche Zins- und Kostenrisiken gesehen.  Deshalb sollen die Unternehmen weitere 6 Milliarden Euro zusätzlich drauflegen. In einem öffentlich-rechtlichen Fonds sollen diese dann rund 24 Milliarden Euro bis zum Ende des Jahrhunderts auf rund 100 Milliarden Euro anwachsen. Und das mit einer geringeren angenommenen Verzinsung als andere europäische Entsorgungsfonds. So wird das Verursacherprinzip massiv gestärkt. Die Höhe dieses Risikozuschlags von mehr als einem Drittel war in der Kommission durchaus umstritten, aber vor diesem Hintergrund schlank zu behaupten, hier sei bewusst zu wenig Geld berechnet worden, ist mehr Deiner Aufregung geschuldet und nicht durch Fakten gedeckt.

Der Kern der Kontroverse ist ein anderer: Du wolltest auf den Risikozuschlag verzichten und Dich auf eine Nachhaftung der Unternehmen in den Jahren zwischen 2050 und 2099 verlassen. Dass die Verursacher dann noch greifbar sind, glaubt aber nur noch ausgestrahlt.

So viel Vertrauen in eine rosige Zukunft der Energiekonzerne haben wir Grüne jedenfalls nicht.

Freundliche Grüße

Jürgen Trittin

 

Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen, Creative Commons.

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1 Kommentar

  1. Alex

    Lieber Jürgen, nein, Eure Kommission hat die Höhe der Rückstellungen nicht gründlich geprüft. Sie ist auch nicht im Stresstest Kernenergie Rückstellungen überprüft worden. Dort wurde nur gerechnet, wie viel Geld bei welchem Zinssatz nötig ist, falls die Angaben der GNS stimmen, wie viel die langfristige Lagerung von Atommüll kostet. Ob diese Schätzungen der GNS stimmen ist explizit nicht geprüft worden – so steht es im Stresstest Kernenergierückstellungen – und die GNS ist eine gemeinsame Tochter von RWE, E.On, EnBW und Vattenfall.

    Es wäre also gut gewesen, wenn die Kommission geprüft hätte, ob die Höhe der Rückstellungen angemessen ist. Statt immer wieder einfach nur zu behaupten, „die Höhe der Rückstellungen wurde gründlich geprüft“.

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